"Unsere Untersuchung zeigt sehr deutlich, dass sich die Vergabe eines Bootsnamens von der Vergabe anderer Namen dadurch unterscheidet, dass sich dahinter fast immer eine Geschichte verbirgt, nicht selten auf verschlüsselte Weise." So fasst Dr. Jan-Claas Freienstein vom Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Augsburg die Ergebnisse einer Studie zusammen. 463 Bootseigner waren einem Aufruf gefolgt und hatten dem Sprachforscher Auskunft über die Namensgebung ihrer Boote gegeben. Die Antworten reichten von persönlichen Anekdoten bis hin zu kuriosen Wortschöpfungen.
Ein Bootsname hat laut Freienstein eine besondere Funktion: Er macht aus dem Serienprodukt Boot ein Unikat. Anders als bei Gattungsbezeichnungen wie "Bavaria", die sich auf alle Boote dieser Marke beziehen, dient der individuelle Name dazu, ein bestimmtes Boot unverkennbar aus der Masse hervorzuheben. Diese Praxis hat eine lange Tradition - seit Menschengedenken bekommen schwimmende Vehikel Namen, obwohl sie diese streng genommen nicht benötigen (im Gegensatz zu einem Kennzeichen). Neben der Individualisierung spielt dabei auch überlieferter Aberglaube eine Rolle.
Trotz des Trends zur Individualisierung führt nach wie vor "Albatros" die Liste der beim Deutschen Segler-Verband registrierten Bootsnamen an. Freienstein bezeichnet solche etablierten Namen als "Bootsnamenklassiker" mit einer "Entlastungsfunktion" - sie ersparen die Anstrengung einer individuellen Namenfindung. Gleichzeitig wecken sie positive Assoziationen: "So wie 'Schatz' prototypisch für das steht, was einem viel wert ist, steht 'Albatros' prototypisch für ein Lebewesen, das die See sucht und den Aufenthalt an Land nach Möglichkeit meidet", erklärt der Forscher.
Viele Eigner entscheiden sich jedoch für individuellere Bootsnamen, die oft eine persönliche Geschichte erzählen. "Meine Freundin nennt mich 'Bär'", "Ich habe eine Wette verloren" oder "Ich wurde ein Dickerle" - so lauteten einige der Erklärungen, die Bootseigner für ihre Namenswahl gaben. Manchmal führt die Suche nach Originalität auch zu kryptischen Bezeichnungen wie "Puttfarken" - Friesisch für "kleines Ferkel". Die Eigner Helga und Bodo Janßen berichten, dass dieser ungewöhnliche Name häufig Gesprächsanlass ist und zu vielen neuen Kontakten geführt hat.
Die Studie zeigt auch Veränderungen in der Vergabe von Bootsnamen auf. Frauennamen, die früher häufig verwendet wurden, sind laut Freienstein rückläufig. Er führt dies darauf zurück, "dass sich der Wassersport vom 'Herrensport' wegentwickelt". Nur noch fünf Prozent der untersuchten Namen ließen sich auf den Vornamen der Ehefrau zurückführen. Stattdessen werden vermehrt Akronyme aus Familiennamen oder Kunstwörter kreiert.
Bei aller Kreativität sollten praktische Aspekte nicht außer Acht gelassen werden. Lange oder komplizierte Namen können im Funkverkehr oder bei der Anmeldung in ausländischen Häfen zu Problemen führen. Der Eigner einer "Weil ich will und aus" oder einer "Simsalabimbambasaladusaladim" wird sich in solchen Situationen möglicherweise wünschen, sein Boot doch schlicht "Albatros" getauft zu haben.
Die Studie verdeutlicht, dass Bootsnamen weit mehr sind als bloße Bezeichnungen. Sie spiegeln die Persönlichkeit der Eigner wider, erzählen Geschichten und schaffen Identität. Ob klassisch oder kreativ, jeder Name macht aus einem Boot ein einzigartiges Individuum auf dem Wasser. Freienstein fasst zusammen: "Zufällig gewählt wird er nicht." Die Kunst liegt darin, einen Namen zu finden, der sowohl persönlich bedeutsam als auch praktisch handhabbar ist.