Wir sprachen mit Dr. Steffen Häbich, dem Bereichsleiter Special Interest (SPI) im Ressort Tourismus des ADAC über diese Pläne.
Häbich: In unserer Stellungnahme zum Vorschlag des Bundesverkehrsministeriums (BMDV) haben wir uns im Sinne der genannten Befragungsergebnisse klar für die Beibehaltung der bisherigen amtlichen Sportbootführerscheine mit Optimierungsvorschlägen bezüglich Wettbewerb und Verbraucherfreundlichkeit als die präferierte Lösung des ADAC ausgesprochen.
Wir nehmen jedoch zur Kenntnis, dass das BMDV aus durchaus nachvollziehbaren Gründen wie unter anderem einer Entbürokratisierung und mehr Wettbewerb, dennoch beabsichtigt, künftig einen anderen, neuen Weg zu gehen, indem die Sportbootführerscheine durch amtlich anerkannte Verbandsscheine ersetzt werden. An der Ausgestaltung dieser Lösung möchten wir als Verbraucherverband unbedingt aktiv und konstruktiv mitarbeiten, insbesondere im Sinne einer hohen Qualitätsorientierung sowie der zwingend notwendigen Unabhängigkeit von Ausbildung und Prüfung. Diese Ziele können aus unserer Sicht auch mit der Einführung von Verbandsscheinen erreicht.
Häbich: Der möglicherweise stärkere Wettbewerb zwischen den ausstellenden Verbänden und die mögliche Etablierung eines übergeordneten „Kontrollgremiums“ mit unter anderem unabhängigen Experten, könnte dazu beitragen, dass die Prüfungs- und damit auch die Ausbildungsinhalte schneller an die Entwicklung in der Sportschifffahrt angepasst werden, als dies gegenwärtig durch zu viele bürokratische Hürden der Fall ist. Dies könnte die Prüfungsanforderungen praxisnäher und die Einstiegsqualifikation für Neueinsteiger in die Sportschifffahrt noch attraktiver machen, was wir natürlich begrüßen würden.
Weitere Vorteile können sich aus der einfacheren Umsetzung digitaler Lösungen ergeben, beispielsweise bei der Ausstellung eines digitalen Verbandsscheins oder im Kontext einer noch effizienteren und flexibleren Prüfungsorganisation und -abwicklung.
Häbich: Wie bereits erwähnt, könnte der stärkere Wettbewerb dazu führen, dass die Ausbildungsinhalte verbrauchernäher und dynamischer als bisher weiterentwickelt werden. Wir sehen zudem die große Chance, ein verbindliches Qualitätssiegel für die Ausbildung und Ausbildungsstätten zu etablieren. Damit könnten auch der Umfang der Ausbildung und eine noch stärkere Praxisorientierung geregelt und verbindlich festgelegt werden. Die Verbände, die amtlich anerkannte Verbandsscheine ausstellen dürfen, könnten dies zum Beispiel über die Zulassung zur Prüfung regeln oder das BMDV schreibt es den ausstellenden Verbänden verbindlich vor. Dies wäre aus unserer Sicht eine echte Verbesserung für den Verbraucher und könnte mittelfristig dazu beitragen, dass mehr Sportbootführerscheininhaber tatsächlich aufs Wasser gehen.
Häbich: Ja, wenn neben DMYV und DSV weitere Verbände die noch zu konkretisierenden Kriterien des BMDV für die Ausstellung anerkannter Verbandsscheine erfüllen, entsteht mehr Wettbewerb.
DMYV und DSV haben sicherlich zunächst einen Wettbewerbsvorteil aufgrund der bestehenden Prüfungsstrukturen und -erfahrungen der letzten Jahrzehnte. Dies kann insbesondere für „Neulinge“ eine Herausforderung darstellen. Bei der Rekrutierung geeigneter Prüfer sehen wir den größten Wettbewerb. Dieser darf jedoch nicht zu einem Qualitätsverlust der Prüfungen führen, weshalb wir bereits angeregt haben, über einen gemeinsamen Pool qualifizierter Prüfer aller Verbände nachzudenken.
Ich wünsche mir, dass der zuletzt sehr konstruktive, an der Sache und an den Interessen der Verbraucher orientierte Austausch der Verbände untereinander sowie zwischen Verbänden und dem BMDV trotz der eventuell entstehenden Konkurrenzsituation fortgesetzt wird.
Häbich: Die Verbandsscheine werden die amtlichen Sportbootsführerscheine ersetzen. Ich gehe aber davon aus, dass es einen Bestandsschutz für die bis dahin ausgestellten SBF geben wird, dafür setzen wir uns auf jeden Fall ein. Zudem muss sichergestellt werden, dass die internationale Anerkennung der Verbandsscheine wie bisher bei den Sportbootführerscheinen gewährleistet ist. Der Verbraucher darf hier gegenüber der bisherigen Situation, mit dem SBF zugleich ein internationales Befähigungszertifikat (International Certificate of Pleasure Craft / ICC) zu erhalten, nicht schlechter gestellt werden.
Häbich: Die genannten weiterführenden und ergänzenden Befähigungsnachweise sind unseres Wissens vom BMDV bisher noch nicht näher betrachtet worden. In der neuen Sportschifffahrtsordnung soll allerdings neben der Sportbootführerscheinverordnung auch die Sportseeschifferscheinverordnung verankert werden, die die Rahmenbedingungen für ebendiese weiterführenden Scheine festlegt. Die für die Funkzeugnisse relevanten Verordnungen sollen dagegen derzeit nicht Bestandteil der Sportschifffahrtsverordnung werden.
Häbich: Das BMDV erhofft sich wohl durch den Wettbewerb der Verbände eine Senkung der Prüfungsgebühren. Ob das wirklich eintritt, wird sich zeigen. Wenn die Qualitätsorientierung ernst genommen wird, wovon ich ausgehe, sind dem sicherlich nach unten Grenzen gesetzt, da alle bisher beteiligten Verbände ein hohes Niveau der Prüfungsorganisation und -abnahme sowie die Unabhängigkeit von Ausbildung und Prüfung beibehalten beziehungsweise erreichen wollen. Bei den Ausbildungskosten erwarte ich gegenwärtig keine große Veränderung, da sich an den Prüfungs- und Ausbildungsinhalten zunächst nichts unmittelbar ändern soll. Allerdings könnte eine höhere Ausbildungsqualität dazu führen, dass sehr günstige, wenig umfangreiche Kursangebote vom Markt verschwinden. Das wäre durchaus in unserem Sinne, da den Führerscheinanwärtern in der Ausbildung eine gute Grundlage für die spätere selbständige und verantwortungsvolle Ausübung des Bootssports vermittelt werden soll.
Häbich: Das BMDV möchte „wesentliche Änderungen im Sportbootführerscheinwesen“ in der Sportschifffahrtsverordnung regeln. Bis Ende dieses Jahres soll das Rechtsetzungsverfahren für diese neue Verordnung bereits abgeschlossen sein. Sollte dies gelingen, würden nach dem Zeitplan des BMDV ab 2028 die Verbandsscheine die amtlichen Sportbootführerscheine ersetzen.
Wir halten den relativ engen Zeitplan zwar einerseits für erstrebenswert, andererseits angesichts der verfügbaren Ressourcen und des weiteren intensiven Abstimmungsbedarfes zwischen BMDV und den Verbänden für sehr ehrgeizig.