Alexander Worms
· 20.04.2023
Skipper seegehender Sportboote sind gesetzlich verpflichtet, ihre Törns zu dokumentieren. Das Wie ist jedoch nicht klar formuliert. Wir zeigen, was ein ordentliches Logbuch auszeichnet und worauf es bei den Einträgen ankommt
Laut Solas-Abkommen, der internationalen Vereinbarung zum Schutz menschlichen Lebens auf See, muss unmissverständlich auf Seeschiffen Logbuch geführt werden. Den Mitgliedsstaaten wird zwar die Möglichkeit gewährt, Sportboote von dieser Pflicht im Rahmen der nationalen Gesetzgebung zu entbinden – Deutschland hat davon allerdings keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr wurde hierzulande bereits 1998 mit dem Schiffssicherheitsgesetz eindeutig festgelegt, dass unter deutscher Flagge fahrende Schiffe, also auch Sportboote, geeignete Aufzeichnungen zu führen haben, die den Verlauf einer Reise dokumentieren.
„Zur Verdeutlichung, wer genau zur Aufzeichnung verpflichtet ist, hat sich in der Praxis der Begriff des ‚üblichen Verkehrsteilnehmers‘ etabliert“, erklärt der auf Sportschifffahrtsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Dr. Heyko Wychodil. Auf diese Weise werden die Unterschiede von Bootstypen und Revieren berücksichtigt.
Jollensegler zum Beispiel werden nach einer Regatta auf der Kieler Förde für gewöhnlich keinen Logbucheintrag vornehmen. Der Skipper einer Flybridgeyacht, der von Kiel Kurs auf das 25 Seemeilen entfernte Bagenkop nimmt, wird hingegen sehr wohl den Törn mitprotokollieren. Das ist üblich und zumutbar.
Das folgende Beispiel zeigt, wie wichtig regelmäßige Aufzeichnungen unversehens werden können. Im Mittelmeer kollidieren vor der Küste Siziliens bei Nacht zwei Segelyachten. Beide tragen Schäden davon. Beide Schiffsführer behaupten später, sie seien unter Maschine in Fahrt gewesen und hätten die erforderlichen Lichter geführt. Der ausweichpflichtige Skipper gibt allerdings zu Protokoll, das andere Schiff sei unbeleuchtet gewesen und habe demnach wohl vor Anker gelegen.
In diesem Fall hätte sicher der Ankerlieger zu einem großen Teil die Schuld an der Kollision getragen. Dessen Anwalt jedoch wendet ein, bei seinem Mandanten sei alles vorschriftsmäßig gewesen. Vielmehr sei an Bord des Havariegegners wohl kein Ausguck gegangen worden.
Es steht Aussage gegen Aussage. Auf beiden Booten wurde jedoch ein elektronisches Logbuch geführt. Das der angeblich unbeleuchteten Yacht belegt aus mitgeloggten Daten, dass sie sehr wohl in Fahrt war und die Crew auch die Positionslichter eingeschaltet hatte. Das Schiffstagebuch des anderen dagegen liegt nicht vor. Es sei angeblich bei der Heimreise samt Notebook auf einem italienischen Bahnhof entwendet worden, so der Skipper.
Dem Richter bleibt angesichts der Beweislage nichts anderes übrig, als die Last der entstandenen Schäden dem Segler ohne Logbuch aufzubürden. Dieser kann weder belegen, dass die Angaben im Schiffstagebuch des Havariegegners unwahr sind noch dass er in ausreichendem Maße Ausguck gegangen ist.
Auswirkungen hat die Logbuchpflicht vor allem dann, wenn etwas schiefgegangen ist. Im Idealfall liegt ein perfekt geführtes Logbuch vor. Die Reise ist von Wegpunkt zu Wegpunkt nachvollziehbar, der Bordalltag ist dokumentiert, besondere Vorkommnisse gehen aus den Seiten plausibel hervor. Der Gesetzgeber billigt einem solchen Dokument starke Beweiskraft zu. Die Aufzeichnungen gelten als wahr, sofern sie nicht widerlegt werden oder in der Gesamtbetrachtung unschlüssig sind. Sie können den Skipper also idealerweise rechtlich entlasten.
Allerdings, wenn das Logbuch den Formvorschriften nicht genügt, lückenhaft ist, ungenaue Angaben enthält oder einen unseriösen Eindruck erweckt, kann das als Indiz für eine unsorgfältige Schiffsführung herangezogen werden und Argument für die Mitschuld des Skippers sein.
In welcher Form die Dokumentation zu erfolgen hat, ob auf Papier oder elektronisch, ist nicht festgelegt. Statt des traditionellen gebundenen Buchs kann also auch ein entsprechendes Computerprogramm verwendet werden. Vorausgesetzt, es genügt adäquaten formalen Anforderungen, wie sie an ein herkömmliches Logbuch gestellt werden. Wenn die Dokumentenechtheit gewährleistet ist, ist das elektronische Logbuch durchaus gleichwertig.
Kniffliger zu beantworten ist die Frage, wann ein Eintrag im Logbuch vorgenommen werden sollte – denn das ist nicht eindeutig geregelt. Klar ist: Nur ein möglichst umfassend geführtes Buch gibt Außenstehenden die Möglichkeit, eine Situation im Nachhinein zu verstehen. Zu viele Notizen können demnach eigentlich nicht gemacht werden.
Die Häufigkeit und der Umfang der Einträge werden eher durch die zur Verfügung stehende Zeit an Bord und die Übersichtlichkeit im Logbuch begrenzt. Sicher hängt die Frequenz der Vermerke auch vom befahrenen Seegebiet ab. In engen Gewässern mit hohem Verkehrsaufkommen besteht naturgemäß ein größeres Risiko eines Zusammenstoßes. Daher sind häufigere Eintragungen von Position, Kurs und Geschwindigkeit hier sinnvoll.
Im Umkehrschluss sind auf Seepassagen fernab von Schifffahrtswegen weniger häufige Vermerke ausreichend. Hier rücken aufgrund der größeren Landentfernung andere Punkte in den Vordergrund. Sind beispielsweise Schäden am Schiff aufgetreten, wie ist die Wetterlage, gibt es Krankheitsfälle an Bord?
Als Faustregel gilt: Mindestens einmal pro Reisetag muss ein Eintrag erfolgen. Und während eines Tages zumindest immer dann, wenn sich Wichtiges ereignet. Das kann etwa das Erreichen eines Wegpunktes sein, ein Wetterwechsel oder ein Ankerstopp.
Bleibt die Frage, was genau festzuhalten ist. Maßstab ist der sogenannte nicht sachkundige Dritte. Der Verfasser sollte sich am besten fragen, ob er alle relevanten Informationen mitgeteilt hat, um eine Situation möglichst konkret zu beschreiben.
Denn spätestens in einem umstrittenen Schadensfall sind die Adressaten Versicherungsexperten, Anwälte und Richter. „Streiten sich Assekuranzen vor Gericht über zu leistende Versicherungsleistungen, so werden nicht selten Aufzeichnungen aus Schiffstagebüchern zur Klärung des Sachverhaltes herangezogen“, berichtet Wychodil aus der Praxis. Gleiches gilt, wenn Unfälle, an denen Sportboote beteiligt waren, vor Seeämtern verhandelt werden.
Bei solchen Verfahren gilt der Inhalt des Logbuchs als wahr, bis das Gegenteil bewiesen ist. Die Gesetzgebung räumt ihm einen hohen Stellenwert ein. Um dem gerecht zu werden, muss es jedoch erstens nachvollziehbar und zweitens vollständig sein.
Nachvollziehbar ist beispielsweise eine Tiefenangabe. Sie lässt sich leicht anhand der eingetragenen Position überprüfen, etwa durch den Blick in die Seekarte. Korrespondieren die Tiefenangaben des Echolots im Logbuch mit denen in der Karte, ist die Plausibilität der Eintragung offenkundig. Vollständig ist ein Logbuch – in seiner Gesamtheit –, wenn etwa die Seitennummerierung fortlaufend erfolgt und somit belegt werden kann, dass keine Einträge entfernt wurden. Elektronische Logbücher müssen entsprechend Chroniken anlegen, aus denen hervorgeht, von wann und wem ein Eintrag stammt.
Was aber zeichnet den einzelnen Eintrag als vollständig aus? Welche Angaben gehören hinein? Eine Liste dazu gibt es weder im Solas-Abkommen noch im deutschen Recht. Im Schiffssicherheitsgesetz ist lediglich von „geeigneten Eintragungen“ die Rede.
Es obliegt also dem Skipper zu entscheiden, was geeignet ist und was nicht. In der Praxis ist dies stets in hohem Maß von der Situation abhängig. Die folgende Auflistung dient also eher als Anregung, eine vollständige und strikt zu befolgende Empfehlung kann sie nicht sein.
Wann erfolgt der Eintrag? An jedem Tag, an dem das Fahrzeug verwendet wird. Pro Tag eine neue Seite. Werden die Leinen losgeworfen, muss ein Eintrag erfolgen, bei Hafentagen kann Buch geführt werden. Zu jedem eingetragenen Tag das Borddatum vermerken.
Wann erfolgt der Eintrag? Nach Verstreichen eines sinnvollen Zeitintervalls und bei jedem relevanten Ereignis. Was ein sinnvolles Intervall und was relevant ist, entscheidet der Schiffsführer. Es ist abhängig etwa vom Segelrevier, den Witterungsbedingungen oder der Verkehrslage. Beispiele:
Hilfreich sind auch Logbücher mit vorgefertigten Listen und Textfeldern, die nur noch ausgefüllt werden müssen.
Ein Logbuch kann übrigens auch aus mehreren Dokumenten bestehen. Die einzelnen Bestandteile gehören dann im Hauptbuch vermerkt. Eine Seekarte etwa ist ein Beispiel für solch eine Anlage zum Schiffstagebuch. Praktisch, da darin ohnehin Kurse und Positionen eintragen werden. Unpraktisch allerdings, bedenkt man die Aufbewahrungspflicht von drei Jahren, die durch die Schiffssicherheitsverordnung vorgegeben ist. Jede Karte könnte wegen der Nachvollziehbarkeit des Törns nur einmal verwendet werden. Nur so wäre eine Reise lückenlos und dauerhaft dokumentiert.
In dieser Hinsicht sind die elektronischen Logbücher eine Alternative. Sie übernehmen, wenn gewollt, automatisch die Törndaten aus dem GPS und archivieren sie. Weitere Informationen lassen sich automatisch oder manuell hinzufügen. So entsteht im Bordrechner fast von selbst eine vollständige und nachvollziehbare Aufzeichnung der Geschehnisse an Bord.
Und noch ein Punkt soll bei aller gesetzlich verordneter Pflicht nicht vergessen werden: die Kür. Letztlich steckt in einem Logbuch immer auch viel persönliche Erinnerung. Gerade die Möglichkeit, seine subjektiven Eindrücke und Gedanken festzuhalten, weckt bei vielen Seglern ja erst den Spaß am Schreiben.
Mitunter hat das auch ganz praktischen Nutzen. Denn natürlich soll bei der nächsten Törnplanung das Schiffstagebuch des Vorjahres auch Antwort auf die Frage geben: In welchem Hafen gab es gleich noch mal die leckere Fischbude?