Eine detaillierte Analyse der beim Bau und Betrieb von Sportbooten freigesetzten Emissionen gibt es zwar. Aber der Bericht des Messe-Dachverbandes Icomia wurde bis zuletzt gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Zur Ausrüstungsmesse Mets Mitte November erschien das 600-Seiten-Werk – nach Redaktionsschluss. Es wird absehbar nicht auf große Zustimmung stoßen. Denn die Branche ist zwar erwacht, wenn es um Nachhaltigkeit geht, tut sich mit Transparenz und der Suche nach den richtigen Strategien aber noch erkennbar schwer.
So gibt es, anders etwa als im Automobilsektor, der Luftfahrt oder der Unterhaltungs- und Informationstechnologie, noch nicht einmal eine Kennzeichnungspflicht für den Ressourcenverbrauch von Yachten. Einige Werften haben sich zwar die Mühe gemacht, in sogenannten Life Cycle Assessments den ökologischen Fußabdruck ihrer Boote zu bestimmen. Doch ihre Zahl ist gering, und die Ergebnisse bleiben fast durchweg intern – auch weil sich die Werften und Zulieferer noch nicht auf einheitliche Verfahren und Methoden verständigt haben. Deshalb ist es nur näherungsweise möglich, etwa die CO²-Emissionen für die Herstellung, Wartung und Verwendung von Yachten zu bestimmen, und so gut wie unmöglich, die Werte zu vergleichen.
Immerhin: Es gibt erste Ansätze, und sie sind höchst aufschlussreich. Die bisher mit weitem Abstand beste Untersuchung zur Ökobilanz hat jedoch nicht etwa eine Serienwerft vorgelegt. Sie stammt vom 11th Hour Racing Team um Charlie Enright und Mark Towill, den Siegern von The Ocean Race. Sie haben bis auf die Kommastelle genau gemessen, berechnet und modelliert, welche Belastungen der Bau ihres Imoca „Malama“ verursacht hat, welche Auswirkungen der mehrjährige Regattabetrieb mit sich bringt und, wichtiger noch, wie sich die Emissionen verringern lassen.
Der 128-seitige Bericht ist in seinem Detaillierungsgrad unerreicht und hoch spannend. Er benennt nicht nur die CO²-Äquivalente und andere relevante Messgrößen, sondern identifiziert auch die Bereiche, welche die größten Nachhaltigkeitspotenziale aufweisen. Obwohl Materialien und Bauverfahren stark von denen im Serienbootsbau abweichen, lassen sich einige Analogien ableiten. So liegt einer der größten Hebel in der Reduktion von Treibhausgasen schlicht darin, die Stromversorgung der Werft und aller Zulieferer auf regenerative Quellen umzustellen.
Der Renner selbst kommt trotz teils optimierter Verfahren auf 553 Tonnen CO² – etwa doppelt so viel wie ein Imoca ohne Foils vor zehn Jahren. Der Energie- und Ressourcenverbrauch entspricht in etwa dem von 100 Mittelklassewagen. Pro Regattajahr kommen aber noch je 700 Tonnen an CO²-Belastung hinzu, unter anderem für Transporte und die Reisen der Teammitglieder.
Nach der gleichen Methode wie 11th Hour Racing hat der britische Tender-Hersteller Williams die Produktion eines seiner gängigen Modelle auditieren lassen. Mit Hilfe des von 11th Hour unterstützten Software-Tools MarineShift360 wurde der Turbojet 325 analysiert, ein schnelles Dingi, häufig auf Yachten ab 55 Fuß zu finden. Bei seinem Bau verursacht das Laminieren des festen Rumpfbodens den höchsten Kohlendioxid-Anteil (34 Prozent) – ganz ähnlich übrigens wie bei Segelbooten. Der Jetantrieb inklusive Rotax-Motor kommt auf 29 Prozent. Über die Dauer von zehn Jahren ist es aber die Nutzung, welche die Ökobilanz am meisten belastet (5,6 Tonnen CO² versus 3,2 Tonnen für den Bau).
Diese Zahlen spiegeln sich in etwa in einer Untersuchung, welche die Beneteau-Gruppe für zwei ihrer jüngsten Boote angestellt hat, ebenfalls mit Hilfe des MarineShift360-Tools. Demzufolge unterscheiden sich Segel- und Motorboote –wenig überraschend – insbesondere bei der Nutzung am deutlichsten, was ihre CO²-Anteile betrifft, mit erwartbaren Vorteilen für die Segler.
Daraus lässt sich freilich kein ökologischer Freibrief ableiten. Allein die für die Herstellung des Kiels nötigen Energiemengen belasten die Bilanz seegehender Segelyachten erheblich, ebenso der Alumast und das stehende Gut aus Edelstahl. Aber auch die GFK-Komponenten erhöhen die CO²-Bilanz signifikant. Wie die ausfällt? Nach Informationen unseres Schwestermagazins YACHT entspricht der Bau eines gut ausgestatteten 45-Fuß-Boots insgesamt in etwa dem von zehn SUV.
Der kompakte Daycruiser mit Außenborderantrieb ist eins der Volumenmodelle im Motorboot-Segment der Beneteau-Gruppe. Gemessen an einer durchschnittlichen Nutzung überwiegt in seiner CO²-Bilanz erwartungsgemäß der Betrieb; bei Marschfahrt verbraucht er rund 40 Liter pro Stunde – mehr als zwölfmal so viel wie eine vergleichbar große Segelyacht unter Motor, der dort in der Regel nur während der Hafenmanöver oder bei Flaute zum Einsatz kommt. Um die Nachhaltigkeit entscheidend zu verbessern, liegt der mit Abstand wirksamste Hebel im Antrieb, seiner Effizienz und seinem Einsatz. Der GFK-Bau trägt in der Gesamtbetrachtung nur ein Zehntel zu den Treibhausgasemissionen bei.
Neben der Sun Fast 30 One Design ist dies Jeanneaus jüngste Neuentwicklung. Das innovative Design von Philippe Briand verfügt über drei Niedergänge und somit für eine Einrumpfyacht maximale Privatsphäre, weil Eigner und Gäste sich in ihre eigenen Abteile zurückziehen können. Obwohl etwa doppelt so groß wie die Merry Fisher, lassen sich die prozentualen CO²-Äquivalente für Bau und Nutzung durchaus vergleichen, auch wenn sie krass voneinander abweichen. GFK-Bau und sonstige Teile sind für fast die Hälfte der Emissionen verantwortlich. Für kleine, nicht strukturelle Komponenten setzt die Werft bereits naturbasierte Harze sowie Hanf- oder Leinen- statt Glasfasern ein.