Boote Exclusiv
· 08.05.2023
Anfang dieses Jahres wurde ein englischer Staatsbürger in Spanien verhaftet. Der Vorwurf: Er habe als Yachtmanager einem sanktionierten russischen Oligarchen geholfen, seine Yacht weiterzubetreiben.
Was genau wird dem Beschuldigten zur Last gelegt? Aus den Pressemitteilungen der Strafverfolgungsbehörden lässt sich Folgendes entnehmen: Der Eigner der Yacht, ein russischer Oligarch, wurde auf die Liste der sanktionierten Personen gesetzt. Um das Einfrieren der wirtschaftlichen Ressourcen einschließlich der Yacht zu verhindern, so der Vorwurf, habe die Yacht ihren Namen und auch die Eignerstruktur gewechselt. Der beschuldigte Yachtmanager soll davon gewusst oder sogar daran mitgewirkt haben.
Beachtenswert ist das Vorgehen der spanischen Strafverfolgungsbehörden nicht nur deswegen, weil diese, soweit ersichtlich, erstmalig gegen Dienstleister im Yachtbereich vorgehen, denen ein Sanktionsverstoß zur Last gelegt wird. Vielmehr ergibt sich die Brisanz daraus, dass die spanischen Strafverfolgungsbehörden nicht selbst ermittelten, sondern einem Rechtshilfeersuchen der Vereinigten Staaten nachkamen. Anders formuliert: In Spanien ist ein englischer Staatsbürger verhaftet worden, weil er nach Auffassung der US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden gegen US-Recht verstoßen haben soll.
Dies wirft – völlig losgelöst von dem zur Last gelegten Sachverhalt– eine Vielzahl rechtlicher Fragen auf. In allererster Linie fragt man sich, warum ein Engländer in Spanien US-Sanktionsrecht zu beachten hat. Denn schließlich gilt im Straf- und Sanktionsrecht das sogenannte Territorialitätsprinzip. Danach ist die Strafgewalt eines Staates auf die Personen beschränkt, die sich im Zeitpunkt der Tat auf ihrem Territorium befinden. Die Annahme, dass ein Nicht-Amerikaner in Spanien gegen US-Sanktionsrecht verstoßen haben soll, mutet mithin seltsam an.
Um die Maßnahme der Strafverfolgungsbehörden nachvollziehen zu können, muss man sich, getreu dem Prinzip „kein Grundsatz ohne Ausnahme“, mit dem US-Sanktionsrecht auseinandersetzen.
Im US-Sanktionsrecht unterscheidet man zwischen Primär- und Sekundärsanktionen.
Die Primärsanktionen entfalten ihre Wirkung gegenüber allen sich in den USA aufhaltenden natürlichen und juristischen Personen (Territorialitätsprinzip) und – unabhängig von ihrem Aufenthalt – gegenüber allen US-Bürgern (Personalitätsprinzip).
Die sogenannten Sekundärsanktionen bezwecken über die US-Landesgrenzen hinweg, US-Recht zur Anwendung kommen zu lassen – und zwar nicht nur gegenüber US-Amerikanern, sondern gegenüber jedermann. Die Secondary Sanctions erweitern also die Primary Sanctions, indem sie den Adressatenkreis der Sanktionen gezielt ausweiten und das Sanktionsrecht extraterritorial zur Anwendung kommen lassen.
Es überrascht nicht, dass die Rechtmäßigkeit der Secondary Sanctions stark umstritten ist. Denn auf dem Papier stellen Secondary Sanctions einen glatten Verstoß gegen den Grundsatz des Territorialitätsprinzips dar. Entsprechend hat die Europäische Gemeinschaft bereits im Jahr 1996 im Zusammenhang mit den US-amerikanischen Iran-Sanktionen klar gemacht, dass sie an Bürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft adressierte Secondary Sanctions der USA für völkerrechtswidrig erachtet. Sie hat als Reaktion auf die Secondary Sanctions eine sogenannte Blocking Regulation erlassen, die es EU-Bürgern explizit verbietet, sich an US Secondary Sanctions zu halten.
Dies wiederum führt zu dem Dilemma, dass ein EU-Bürger entweder gegen US Secondary Sanctions verstößt (nämlich dann, wenn er die entsprechende Regelung des US-Rechts missachtet) oder aber gegen die EU Blocking Regulation (nämlich dann, wenn er sich an die US Secondary Sanctions hält). Ein Verstoß gegen Secondary Sanctions kann zu Strafmaßnahmen wie zum Beispiel dem Ausschluss vom US-Finanzmarkt, der Einschränkung des Zugangs zum sonstigen US-Wirtschaftsraum, dem Einfrieren von in den USA belegenem Vermögen oder aber zu Einreiseverboten führen. Ein Verstoß gegen die Blocking Regulation kann ein Bußgeld in Höhe von 500 000 Euro zur Folge haben.
Dieses Dilemma wird in der Praxis dadurch gelöst, dass der jeweilig Betroffene entweder bei der EU oder der OFAC (der in den USA für die Sanktionsdurchsetzung zuständigen Behörde) eine Ausnahmegenehmigung beantragt.
Der im eingangs erwähnten Fall genannte Beschuldigte hat nicht die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen. Denn zum einen ist eine solche Genehmigung vor der „Tat“ (sofern eine vorliegt) zu stellen. Zum anderen berufen sich die US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden vorliegend nicht auf Secondary Sanctions.
Im Gegenteil, die USA haben im Rahmen ihrer Russland-Sanktionen (noch) keine Secondary Sanctions erlassen. Allerdings haben Sie den Anwendungsbereich ihrer Primary Sanctions derart ausgeweitet, dass faktisch nicht nur US-Amerikaner und Personen, die sich im US-Territorium befinden, betroffen sind, sondern auch Dritte.
Der Anwendungsbereich der US-amerikanischen Russland-Sanktionen ist immer dann eröffnet, wenn im Kontext des Sachverhalts der US-Dollar als Zahlungsmittel benutzt wurde oder US-Güter betroffen sind. Während die Nichtnutzung des US-Dollars bei Geschäften mit russischen Geschäftspartnern noch relativ unkompliziert umzusetzen wäre, ist die Identifizierung von US-Gütern ein komplexes Unterfangen. Denn bei der Identifizierung von US-Gütern ist auch bei Waren, die außerhalb der USA hergestellt wurden, darauf zu achten, dass der Anteil der Bestandteile, die aus den USA stammen, die Wesentlichkeitsschwelle von zehn Prozent (!) nicht überschreitet. Ferner werden nach den einschlägigen amerikanischen Russland-Sanktionen nicht nur Personen mit einer US-Staatsbürgerschaft als US-Personen behandelt, sondern auch jeder Ausländer, der eine US-Aufenthaltserlaubnis besitzt oder sich in den USA privat oder geschäftlich aufhält.
Vor dem Hintergrund dieses weiten Anwendungsbereichs verwundert es nicht, wenn die US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden in dem eingangs genannten Fall dem Beschuldigten vorwerfen, die Yacht „through the use of the US financial system“ betrieben zu haben. Zudem lautet der Vorwurf, dass zum Betrieb der Yacht „its internet, technology, weather forecasting and computing systems, as well as the trappings […], including its satellite television, luxury goods, and teleconferencing software“ erforderlich gewesen seien, die alle „U.S.-origin products“ seien.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die spanischen Behörden den US-Strafverfolgungsbehörden Folge leisten und den Beschuldigten an die USA ausliefern. Fest steht jedoch, dass die Anwendbarkeit des US-Sanktionsrechts gegenüber Personen in Europa nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Denn anders als im Falle der Secondary Sanctions ist die Anwendung der primären US-amerikanischen Russland-Sanktionen – zumindest Stand heute – nicht von vornherein in Europa verboten.
Die Yachtanwälte Dr. Tim Schommer (tim.schommer@clydeco.com) und Dr. Volker Lücke (volker.luecke@clydeco.com) betreuen seit über 18 Jahren Yachtmandate aus dem In- und Ausland. Sie beraten im Rahmen der Planungs- und Bauphase, des An- und Verkaufs, der Eignerstruktur, des Yachtbetriebs inklusive Versicherung, Crewing und Charter sowie der Abwicklung von Schäden und Ansprüchen Dritter.