RechtWas passiert, wenn das Auslaufen verboten wird?

Boote Redaktion

 · 09.05.2024

Oft liegen Boote in Kanälen oder Hafen, die ganz offensichtlich nicht mehr seetüchtig sind (Symbolbild)
Foto: stock.adobe.com /Farantsa
Bei Gefahr für Leib und Leben können die Behörden es verbieten, den Hafen mit dem Boot zu verlassen. Wann aber ist das der Fall und wie kann sich wehren, wer zu Unrecht festgehalten wird?

Text von Benjamin Tanis

Beim sonntäglichen Spaziergang durch heimische Häfen oder beim abendlichen Flanieren im Bootsurlaub – jeder hat sie schon einmal gesehen. Die Rede ist von Booten, die eher wie aufgegebene Piratenschiffe aussehen als nach einem gut gepflegten Sportgerät. Und beim ein oder anderen Objekt wundert man sich, dass es noch nicht auf Tiefe gegangen ist. Wann darf, kann und sollte ein Schiff am Auslaufen gehindert oder gar aus dem Verkehr gezogen werden und wie kann überhaupt eingegriffen werden?

„Safety first“ ist als Aufschrift auf nahezu jedem Handelsschiff zu lesen – und das gilt auch in der Sportschifffahrt. Da allerdings haben die Eigner sehr individuelle Antworten auf die Frage, ob ihr Schiff seetüchtig ist, und einen TÜV für Boote gibt es nicht. Auch die CE-Plakette darf nicht damit verwechselt werden. Die CE-Konformitätsvorschriften sind keine Betriebserlaubnis für Sportboote und müssen von Privatleuten in der Regel noch nicht einmal beachtet werden.


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In Ermangelung spezieller Vorschriften kann der Staat daher nur zur sogenannten allgemeinen Gefahrenabwehr eingreifen. Dazu gibt es in jedem Bundesland eine allgemeine Gefahrenabwehrvorschrift im Landesrecht, die die Behörden ermächtigt einzugreifen, wenn die öffentliche Sicherheit oder der Einzelne bedroht ist. Bei einem solchen Eingriff ist in jedem Fall der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Das bedeutet, dass der Eingriff einem legitimen Zweck dienen und dazu geeignet sein muss, diesen Zweck auch zu erreichen. Schließlich muss er ­erforderlich und angemessen sein. Vereinfacht gesagt: Immer wenn von einem Schiff Gefahr für den Eigner oder die öffentliche Sicherheit ausgeht, also für die Umwelt oder andere Personen, dann hat der Staat die Aufgabe zu handeln.

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Wann ist Auslaufen verhältnismäßig verboten?

Meist sind es Passanten, Hafenmeister oder Liegeplatznachbarn, welche die Ordnungsbehörden auf den Plan rufen. In Deutschland liegt die Zuständigkeit in der Regel bei den Hafenbehörden der Gemeinden oder beim Wasserstraßen- und Schiff­fahrtsamt. Die angerufene Behörde hat dann die schwierige Aufgabe zu entscheiden, ob eine Festhalteverfügung, wie ein Auslaufverbot in der Sprache der Juristen heißt, verhältnismäßig ist, also geboten, geeignet und angemessen. Das kann so weit gehen, dass die Auflage gemacht wird, das Boot sogar ganz aus dem Wasser zu nehmen.

Entscheidet sich die Behörde zum Handeln, so tut sie das durch einen Verwaltungsakt. Und gegen den kann der Betroffene den Widerspruch erheben.

Auf die Frage, wann von einem Sportboot eine so große Gefahr ausgeht, dass ein Auslaufverbot verhältnismäßig ist, gibt keine Vorschrift eine klare Antwort. Sie ist daher oft nicht leicht zu beantworten. Das kann schon dann der Fall sein, wenn die erforderliche Ausrüstung an Bord fehlt. Bloße Fragen des guten Geschmacks helfen dabei hingegen nicht weiter. Sofern ein Schiff zu sinken droht oder bereits in Seenot geraten ist, lässt sich jedoch mit Sicherheit von Gefahr sprechen. Doch nicht nur bei drohender Gefahr kann der Staat ein Schiff am Auslaufen hindern. Auch Zoll-, Steuer- oder sonstige Schulden des Eigners oder Besitzers können zur Beschlagnahme seines Bootes führen. Oft sind daher Scheidungsstreitigkeiten der Grund für das hoheitliche Einschreiten am Steg.

Wenn Unrecht geschieht: von Widerspruch bis Klage

In anderen Ländern herrschen auch keine anderen Sitten. Grundsätzlich gelten diese Regeln für ein Auslaufverbot für den gesamten EU-Raum, natürlich mit der ein oder anderen Besonderheit. So ist oft nicht wirklich auf den ersten Blick ersichtlich, ob der Handelnde tatsächlich berechtigt ist, ein Schiff am Auslaufen zu hindern. Im Süden Europas tragen nicht nur die staatlichen Ordnungshüter eine Uniform, sondern im Zweifel auch die Angestellten der örtlichen Marina. Da kann man schon mal ins Grübeln kommen, ob das Wort des Hafenmeisters tatsächlich Gesetz ist. Hier hilft oft ein vernünftiges Wort und immer die Polizei vor Ort weiter.

Was also tun, wenn der Staat sich einmischt? Achten Sie da­rauf, dass die Entscheidung schriftlich ergeht. In Deutschland sollte das kein Problem sein, in anderen Ländern bestehen Sie darauf. Denn gegen den schriftlichen Bescheid können Sie dann das entsprechende Rechtsmittel einlegen. In diesem Zusammenhang gilt, dass ein Rechtsmittel normalerweise keine aufschiebende Wirkung entfaltet und die behördliche Entscheidung zunächst zu beachten ist. Über Ihren Widerspruch gegen das Behördenhandeln wird dann binnen einer Frist von vier bis acht Wochen entschieden. Wird der Verfügung nicht abgeholfen, so bleibt nur der Klageweg. Vor allem sollten Sie aber prüfen und sich selbst fragen, ob es nicht vielleicht tatsächlich einen Grund für die unliebsame Entscheidung gibt, der ganz einfach beseitigt werden kann. Sicherheitsmängel sollten stets unverzüglich abgestellt werden, dann klappt’s auch mit dem Liegeplatznachbarn.

In seltenen Fällen kann es sogar dazu kommen, dass nicht etwa eine staatliche Maßnahme, sondern das Handeln einer Privatperson der Grund für eine Zwangspause im Hafen wird. Das sogenannte Jedermannsrecht nach § 127 der Strafprozessordnung (StPO) erlaubt es einem jeden, eine Person ohne rechtliche Anordnung vorläufig festzunehmen, wenn die Person auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird, fluchtverdächtig ist oder wenn ihre Identität nicht festzustellen ist. Und um diese Festnahme durchzusetzen, kann auch das Fluchtboot festgesetzt werden.

Eine wilde Verfolgungsjagd auf See ist nicht erlaubt

Für das Festnahmerecht fordert das Gesetz eine Tat, der Bundesgerichtshof (BGH) lässt in seiner ständigen Rechtsprechung sogar einen bloßen Tatverdacht ausreichen. Dafür müssen jedoch besonders starke Verdachtsmomente vorliegen. Dieses Festnahmerecht aufgrund dringenden Verdachts wird vom BGH damit begründet, dass die Bürger zur Zivilcourage motiviert und nicht durch das Unwissen, ob eine Tat de facto vorliegt, zurückgehalten werden sollen.

Wenn dem Freizeitskipper beim Tanken im Hafen also der Benzinkanister aus der Hand rutscht, ins Hafenbecken fällt und ausläuft, sich der Umweltsünder aber anschließend dazu aufmacht, den Ort des Geschehens fluchtartig zu verlassen, dann ermächtigt § 127 StPO einen jeden dazu, diesen Schiffsführer durch körperlichen Zwang am Auslaufen zu hindern.

Unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit sind dann sogar leichte Körperverletzungen oder auch Sachbeschädigungen ­gestattet. Das nämlich kann erforderlich werden, wenn der Tatverdächtige sich gegen die Festnahme wehrt. Um die Feststellung der Identität seiner Person durch die Polizei zu ermöglichen, lässt der Gesetzgeber dann jedermann den erforderlichen Handlungsspielraum.

Doch natürlich gibt es auch hierbei Grenzen. Eine wilde Verfolgungsjagd auf See etwa ist nicht erlaubt. Denn die entsprechenden Gewässervorschriften, die ein solches Treiben verbieten, dienen dem Allgemeininteresse. Und das zu beeinträchtigen, ist nicht durch § 127 StPO zu rechtfertigen.


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