RechtWerden die bisherigen Sportbootführerscheine durch Verbandspapiere ersetzt?

Torsten Moench

 · 22.04.2025

Gerhard Militzer vom DMYV
Foto: DMYV
Geht es nach dem Willen des Bundesverkehrsministeriums, sollen so genannte Verbandsscheine zukünftig die bisherigen Sportbootführerscheine ersetzen. Ziel sind mehr Wettbewerb im Führerscheinwesen und dadurch sinkende Preise.

BOOTE sprach mit Hanna Steingröver, Leiterin der öffentlichen Auftragsverwaltung des Deutschen Segler-Verbands (DSV) und Gerhard Militzer, dem operativen Geschäftsführer des Bereichs Staatliche Befähigungsprüfungen in der Sportschifffahrt beim Deutschen Motoryachtverband (DMYV) über diese Pläne.

BOOTE: In einer, vom ADAC unter Skippern durchgeführten, Umfrage, sprach sich eine Mehrheit gegen die Einführung so genannter Verbandsscheine aus. Wie stehen DMYV und DSV dazu?

DMYV/DSV: Die ADAC-Umfrage bestätigt unsere Position. Der DSV und der DMYV sehen die vom Bundesverkehrsministerium geplante Ersetzung des amtlichen Sportbootführerscheins durch Verbandsscheine sehr kritisch.
Das bestehende Prüfungswesen funktioniert seit Jahrzehnten gut, ist in der Schifffahrt und international anerkannt. Es ist ein wichtiger Teil der staatlichen Aufgabe zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf den Bundeswasserstraßen.

Bekanntermaßen sind auf den Bundeswasserstraßen viele Wasserfahrzeuge unterschiedlicher Art unterwegs: Handelsschiffe, Fahrgastschiffe, Ruderboote usw. Die amtliche Prüfung bzw. die Erteilung der staatlichen Fahrerlaubnis, eben des Sportbootführerscheins, stellt sicher, dass Eignung und Befähigung der künftigen Skipper unabhängig festgestellt werden. Das ist aus unserer Sicht der entscheidende Punkt. Der DMYV und der DSV stehen übrigens mit ihrer Kritik am Vorhaben des Bundesverkehrsministeriums nicht allein. Der Deutsche Olympische Sportbund, der Bundesverband der deutschen Binnenschifffahrt und viele weitere Verbände betrachten das Vorhaben des Bundesverkehrsministeriums ebenfalls skeptisch bis ablehnend.

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Wo liegen die Vorteile von Verbandsscheinen zu bisherigen Sportbootführerschein?

DMYV/DSV: Es gibt keine Vorteile für Motorbootfahrer und Segler. Am bestehenden Prüfungswesen ist aus fachlicher Sicht bisher keine Kritik geäußert worden, übrigens auch nicht vom Bundesverkehrsministerium. Wie uns auf der letzten Sitzung der European Boating Association (EBA) Anfang April in England einmal mehr bestätigt worden ist, ist das Ansehen der deutschen amtlichen Sportbootführerscheine auch im europäischen Ausland hoch. Weshalb also sollte der amtliche Führerschein abgeschafft werden?

Wenn das gesamte System bürgerfreundlicher gemacht werden soll, wäre z.B. ein vereinfachtes Verfahren zur Überprüfung der medizinischen Tauglichkeit sinnvoll. Darüber hinaus setzen wir uns schon seit Jahren dafür ein, dass alle Anträge online bei den beliehenen Verbänden gestellt werden können. Und nicht, wie heute, per Post auf den Weg gebracht werden müssen. Deshalb muss aber noch lange nicht das System staatlicher Führerscheinprüfungen abgeschafft werden. Es kommt ja auch niemand auf die Idee, den amtlichen Kfz-Führerschein durch private Verbandsscheine zu ersetzen. Das hoffen wir jedenfalls!

Hinzu kommt: Es gibt konkrete Überlegungen, den Erwerb des International Certificate of Competence (ICC), also den internationalen Nachweis für die Befähigung im Ausland, der aktuell Bestandteil der amtlichen Führerscheine ist, vom Erwerb des Verbandsscheins zu trennen. Wer also zukünftig ein ICC erwerben möchte, muss dieses dann extra bei der zuständigen Behörde beantragen. Der neue Verbandsschein wäre also mit zusätzlicher Bürokratie und Kosten für die künftigen Skipper verbunden. Was daran bürgerfreundlich sein soll, erschließt sich uns nicht.

Welche Auswirkungen wird die Einführung der Verbandsscheine auf die Ausbildungsinhalte und hier insbesondere auf die praktische Ausbildung haben?

DMYV/DSV: Über die Ausbildungsinhalte entscheiden bisher die Ausbildungsstätten. Dabei richten sie sich natürlich auch nach den verordnungsrechtlich bestimmten Prüfungsaufgaben. Soweit uns bisher bekannt ist, plant das Bundesverkehrsministerium keine Abstriche an den Prüfungsanforderungen. Die Frage ist aber, ob nach der Einführung von Verbandsscheinen die Prüfungsanforderungen tatsächlich noch genau erfüllt würden, denn die Prüfungen wären dann kommerzialisiert, und würden von denen durchgeführt werden, die auch ausbilden. Eine unabhängige Prüfung und eine staatliche Aufsicht finden dann nicht mehr statt.

Sehen Sie eine Konkurrenzsituation der Verbände untereinander?

DMYV/DSV: Bisher nicht. Schulung und Prüfung sind bisher getrennt. Das Bundesverkehrsministerium hat durch die Sportbootführerscheinverordnung den DMYV und den DSV mit der Durchführung der Prüfungen beliehen. Die Prüfungsinhalte sind in der Verordnung festgelegt. Auch die Gebühren für die Durchführung der Prüfungen sind in einer speziellen Rechtsverordnung des Bundesverkehrsministeriums festgelegt.

Es gibt also zwischen DSV und DMYV keinen Unterbietungswettbewerb mit dem „einfachsten“ und „billigsten“ Führerschein. Die Lage würde sich von Grund auf ändern, wenn die Beleihung bzw. der amtliche Führerschein abgeschafft würde. Dann könnten Prüfungsanbieter mit „Billigprüfungen“ um Prüfungskunden werben. Dabei wird die Qualität der Ausbildung und die Sicherheit auf dem Wasser auf der Strecke bleiben.

Hat die Einführung der Verbandsscheine Auswirkungen auf die bestehenden Sportbootführerscheine See und Binnen?

DMYV/DSV: Nein. Die amtlichen Führerscheine sind vom DMYV und DSV nach Recht und Gesetz ausgestellt und würden ihre Gültigkeit behalten. Im Übrigen plädieren wir vor dem Hintergrund der tödlichen Segelunfälle im Seebereich dafür, auch dort einen Segelnachweis einzuführen, anstatt wie jetzt beabsichtig diesen auf den viel befahrenen Binnenschifffahrtsstraßen komplett abzuschaffen

Was passiert mit den anderen Befähigungsnachweisen wie beispielsweise dem SKS, SSS oder den Funkzeugnissen?

DMYV/DSV: Uns sind keine konkreten Überlegungen des Bundesverkehrsministeriums bekannt, die anderen amtlichen Befähigungszeugnisse in der Sportschifffahrt abzuschaffen. Das bedeutet also, dass z.B. der Führerschein für den Geltungsbereich Seeschifffahrtsstraßen zukünftig kein amtliches Befähigungszeugnis mehr wäre, das Short Range Certificate aber schon. Das erscheint uns unsystematisch und nicht überzeugend.

Kann man heute schon etwas zu den Kosten sagen?

DMYV/DSV: Dazu ist es noch zu früh. Wir gehen aber davon aus, dass es jedenfalls in der Anfangsphase einen Unterbietungswettbewerb zu Lasten der Qualität der Prüfungen geben könnte. Die bestehenden Gebühren für die Prüfung sind aber im Regelfall nicht das Problem. Wer z.B. den Sportbootführerschein für ein Boot mit Antriebsmaschine und dem Geltungsbereich Binnenschifffahrtsstraßen erlangen möchte, entrichtet Gebühren in Höhe von knapp 130 Euro. Der Führerschein gilt unbefristet.

Ab wann ist mit einer möglichen Einführung zu rechnen?

DMYV/DSV: Ob überhaupt und zu wann mit einer Einführung zu rechnen ist, können wir nur schwer abschätzen, denn der Fahrplan für das gesamte Projekt ist bereits mehrfach ins Stocken geraten.



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