Brief aus Antibes – Jubiläums-Special

Marcus Krall

 · 28.06.2013

Brief aus Antibes – Jubiläums-SpecialFoto: boote exclusiv
Brief aus Antibes – Jubiläums-Special | al

Genervte Wertchefs, abgesagte Termine, rudimentäre Informationen und schlechte Fotos: Bis eine Geschichte in BOOTE EXCLUSIV steht, kann viel passieren. Ein Blick hinter die Kulissen unserer Arbeit aus 25 Jahren.


Eine auf Karbon-Leichtbauten spezialisierte finnische Werft lud eine begrenzte Anzahl von Yacht-Journalisten in ihre Hallen, um über den Baufortschritt einer der außergewöhnlichsten Hightech-Segelyacht der letzten Jahre zu schreiben. Der Tag war anständig getaktet, die Gespräche mit den Projekt-Managern höchst interessant und das Abendessen mit Werftführung und dem Kapitän unterhaltsam. Eines der Gesprächsthemen: Der isländische Vulkan Eyjafjallajökull spuckte schon seit Tagen seine Asche weit in den Himmel, wodurch schon der Hinflug in den Norden Skandinaviens zum Glücksspiel wurde. In der Zwischenzeit hatten alle Flughäfen in Großbritannien und Norwegen sämtliche Flüge eingestellt, die Hoffnung dass mein Flug nach Helsinki und von dort nach Hamburg am nächsten Morgen regulär starten würden, schwand von Minute zu Minute.

Am nächsten Morgen die Gewissheit. In ganz Skandinavien würde mindestens für 48 Stunden kein Flugzeug abheben. Die einzige sinnvolle Alternative: Per Zug nach Helsinki, mit der Finnlines-Fähre nach Travemünde und von dort auf Schienen nach Hause. Für drei meiner Kollegen und mich die einzige Chance möglichst schnell wieder am Schreibtisch zu sitzen. Guter Plan, doch offensichtlich waren wir nicht die einzigen, die mit der Fähre einen Weg aus Finnland suchten. Nach fünf Stunden Zugfahrt plus Taxifahrt eine frustrierende Ankunft am Finnlines-Terminal, aus dem sich eine Kilometer lange Menschen-Reihe heraus schlängelte. Hoffnungslos. Unsere Rettung stand glücklicherweise vor uns: ein deutscher Geschäftsmann, der für einen horrenden Preis die letzte und für vier Personen ausgelegte VIP-Kabine auf der nächsten Cargo-Fähre ergattert hatte. Er hatte nichts dagegen, die Kabine mit drei von unserer Gruppe zu teilen, um so seine Kosten zu minimieren. Ein Glückstreffer. Unser englischer Kollege verzichtete, da er auch von Deutschland aus keine Anschlussflüge nach Großbritannien bekommen hätte. Als bunt zusammengewürfelte Truppe verbrachten wir die 28 Stunden dauernde Überfahrt in der recht komfortablen Kabine oder im Bordrestaurant. Zwei Stunden Bahnfahrt folgten, bevor ich nach fast 40 Stunden erlebnisreicher Rückreise glücklich zu Hause ankam.


Die Taufe einer Yacht ist der Tag der Tage, Zitterpartie für Werft, Zulieferer, Stylisten und Eventmanager. Oft fliegt die Fachpresse zu solch einem Ereignis aus aller Welt ein, nicht ohne Aufwand. Bei der Taufe einer 50-Meter-Motoryacht in Italien, die von Hunderten eleganten Gästen in festlich geschmückten Werfthallen mit Fingerfood, Band und Feuerwerk zelebriert wurde, war die Reise umsonst. Die Besichtigung der Yacht wurde von Stunde zu Stunde verschoben und fiel schließlich komplett aus. Heftige Wortwechsel zwischen Eigner- und Werftvertreter an der Gangway des beflaggten Täuflings führten zu keiner Lösung, die nagelneue Yacht durfte nicht betreten werden. Zwei Tage verloren, für die Kollegen aus Übersee mehr....


Ein Flug, diesmal nicht ans Mittelmeer, sondern nach Bergen. Der Neubau einer holländischen Werft wird sich vor der Kulisse der norwegischen Hafenstadt malerisch präsentieren. Nach einem ausgiebigen Foto-Shooting im Sognefjord soll die Yacht morgens vor unserem Hotel liegen. Sie ist jedoch nicht da, dafür steht ein Bus bereit. Sie ist mit Motorschaden irgendwo im Fjord liegen geblieben. Die viele Seemeilen lange Anreise von Holland hatte sie noch bestens absolviert. Die Busfahrt zur Yacht durch die norwegische Felslandschaft auf engen Strassen, durch Tunnel und über Brücken dauert lange, die Rückfahrt nach Bergen noch länger. Die Kollegen kennen sich, es wird erzählt und gelacht. Und wieder in Bergen sind alle über alles, was so läuft, bestens informiert. Erst als beim Abendessen, als Walfleisch auf der Karte steht, bekommt die Stimmung einen Dämpfer....


Eine holländische Werft hatte mit ihrem umtriebigen deutschen Generalvertreter zur Yacht-Rallye der Eigner nach Menorca eingeladen. Mahon war der Ausgangshafen, die Bucht von Fornells im Osten der Insel das Ziel. Als "Rallye" bezeichnet der Duden eine "Autosternfahrt im Motorsport", doch im Sprachgebrauch wird das aus dem Französischen stammende Wort auch allgemein als "Zusammenkunft" bezeichnet. Nun ging es auf dieser Rally ausschließlich um Segelyachten. Tatsächlich fanden ein Dutzend der großen Zweimaster den Hafen von Mahon, wo sie gleich neben dem Fährterminal einen gemeinsamen Liegeplatz einnahmen. Die Veranstalter meinten, eine Rallye ohne Autos sei tatsächlich nur eine halbe Rallye, und sie wollten ihrer betuchten Klientel daher etwas mehr als eine Segelregatta entlang der Küste bieten. Am Tag des Starts, wunderbares Wetter, Wind und Sonnenschein, legte die Festlandfähre an. Die Klappe ging auf und ein, zwei, drei…und schließlich zehn funkelnagelneue Bentley rollten auf den Kai. Der elfte Wagen war ein Rolls-Royce. Kaum lag die Flotte in Fornells zu Anker, schifften sich die Besatzungen aus und enterten die Bentley-Rolls-Royce-Flotte zu einer Rallye über die Insel. Es gibt Werften, die denken wirklich an alles.


Eine schöne Einladung: "Kommen sie mal vorbei, dann drehen wir eine Runde. Sie werden sich wundern." Das klingt spannend und gefährlich zugleich. Die Rede ist von der Sunseeker XS 2000: knapp zwölf Meter lang bei einer Breite von gut zwei Metern und mit reichlich Leistung gut für über 60 Knoten. Wir verabreden uns in einer Marina im Süden Mallorcas. Der Zeitrahmen scheint eng gestrickt, dennoch verspricht uns der Broker eine spannende Stunde. Am Steg sehen wir vor uns ein endloses Vorschiff, ein Cockpit mit aggressiven Armaturen, Fahrer- und Beifahrersitz und eine Heckbank für Gäste. Achtern über dem Motor hat die Werft mit drei Polstern für eine Liegefläche gesorgt. Wir steigen ein, brummeln mit Schleichfahrt aus der Marina, und ich nehme die Brille ab, als die SOG-Anzeige über 20 Knoten steigt. Bei 40 Knoten wird aus dem Gehoppel über die leichte Welle eine veritable Geländeveranstaltung mit klappernden Zähnen, und als das Speed-Instrument der XS 2000 die 60-Knoten-Marke hinter sich lässt, sind wir mehr als die Hälfte der Zeit in der Luft unterwegs. Ein Blick auf die Uhr. Wir müssen zurück. In der Marina bemerken wir, dass sich die drei Polster selbständig gemacht haben. Der leichte Seegang bei zwei Beaufort zeigt keine Schaumkronen. Darum sind kurz unter dem Horizont drei weiße Punkte klar auszumachen. Rein ins Boot. Die Zeit drängt. Hebel nach vorn. Nach wenigen Minuten haben wir die Polster im Vorschiff verstaut und machen nach kurzer Flugzeit endgültig fest. Speed matters.


Wer dabei war, wird diese Präsentation von Wally und Hermès wohl nie vergessen. In einer Werfthalle von Ancona sitzen versammelt: potentielle Eigner, das komplette Management des Hermès-Konzerns und Journalisten aus aller Welt. Nach einer kurzen Einführung in das sogenannte "WHY"-Konzept, fällt ein riesiger Vorhang seitlich des Auditoriums und die beiden Partner enthüllen ein 1:1-Mock-up der "WHY", 58 Meter lang und 38 Meter breit. So etwas hat noch niemand gesehen! Jeder darf das Modell erkunden, jegliche Räume sind in Originalgröße aufgebaut. Dem entsprechend aufgeputscht besteigen die Gäste den Charterflieger nach Nizza, am kommenden Tag wird die Monaco Yacht Show beginnen. Neben dem Reporter nimmt ein freundlicher, älterer Herr Platz, der sich genau erkundigt, was der Reporter vom Projekt denken würde, welche Yachten ihm sonst so gefallen würden und welche Chancen der Gebrauchtyacht-Markt gerade bieten würde. Kurz vor der Landung tauscht man Karten aus – neben dem Reporter saß damals Monsieur Hermès.

Viele weitere Erlebnisse der BOOTE EXCLUSIV-Redakteure und -Reporter finden Sie in Ausgabe 4/13, die seit dem 3. Juli am Kiosk liegt.