YachtdesignEin Besuch im Studio von Horacio Bozzo

Clare Mahon

, Uske Berndt

 · 31.08.2023

Studio Bozzo: Der Chef und sein Team aus Designern und Konstrukteuren arbeiten nahe Viareggio in  Pietrasanta. Hier  kommen fast alle  Leistungen aus einer Hand.
Als Konstrukteur und Designer in einer Person geht Horacio Bozzo viele Projekte anders an. Um vorab ein Bild vom Geschmack der Eigner zu bekommen, fragt der gebürtige Argentinier gern, welchen Autotyp sie bevorzugen. Zu Besuch in seinem Studio nahe der toskanischen Küste.

Der Weg, den Horacio Bozzo von seinem Geburtsort Buenos Aires zu seinem neuen Studio im italienischen Pietrasanta brachte, war lang und kurvenreich, führte am Ende aber direkt zum Ziel. Als Sohn eines italienischen Vaters und einer deutsch-schweizerischen Mutter entschied Bozzo schon mit sechzehn, dass er Yachtdesigner werden möchte. Was er zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht wusste: Dafür hätte er nicht unbedingt Ingenieurwissenschaften studieren müssen.

„Ich dachte, der logische Weg zum Ziel wäre, Schiffbauingenieur zu werden. Also ging ich in die USA, um bei meinem Mentor zu studieren, dem legendären italienischen Architekten und Yachtdesigner Paolo Caliari“, erzählt Bozzo seine Geschichte. „Erst später fand ich heraus, dass viele meiner Kollegen einfach Designer sind – ohne Ingenieurshintergrund.“

Der Wille für ein eigenes Unternehmen

Während Bozzo feststellte, dass die Zeit, die er mit dem Wälzen von Fachbüchern verbrachte, nicht zwingend notwendig gewesen wäre, kam ihm und seinen Kunden genau das zugute. Seine Karriere begann in Rom, von 1996 bis 2001 arbeitete er in den USA. Anschließend zog Bozzo wieder nach Italien, wo er ein Studio in Viareggio eröffnete. In der toskanischen Küstenstadt sind Werften wie Codecasa, Perini Navi, Picchiotti, Benetti und Rossinavi zu Hause. „In den ersten zehn Jahren im Geschäft arbeitete ich nur an Konstruktionsprojekten mit meiner Firma Axis Group Yacht Design“, erzählt er weiter. „Dann startete ich mit einem separaten Unternehmen: Horacio Bozzo Design.“

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Mittlerweile hat der ehrgeizige Geschäftsmann die beiden Firmen unter einem Dach in Pietrasanta vereint. Die schöne mittelalterliche Stadt liegt ein Stück landeinwärts von Viareggio. „Wir haben hier eine gute Kombination von Fähigkeiten. Denn die Kunden haben viele Fragen, und wir können sie hier alle beantworten“, sagt Bozzo selbstbewusst.

Horacio Bozzo geht nach der Analogie aus der Autowelt

Tatsächlich, den Fragen zuzuhören und Antworten zu finden, ist ein großer Teil seines vorläufigen Arbeitsprozesses. „Wenn ich entwerfe, ist das nicht meine Yacht, sondern die meines Kunden. Ich versuche, ihre Gedanken zu lesen, ihre Bedürfnisse zu verstehen und dann innerhalb dieser Parameter zu designen, aber nach meinen Standards“, führt er aus und liefert gleich ein Beispiel: „Die 54-Meter-ISA ‚Forever One‘ war für einen Kunden, der gerne gesehen werden wollte, und so zeichnete ich für ihn, obwohl meine Linien im Allgemeinen klarer und einfacher sind.“

Manchmal ist es Bozzo selbst, der die Fragen stellt: „Ich gehe immer nach einer Analogie aus der Autowelt. Bist du mehr Porsche 911 oder mehr Lamborghini? Lambo ist hart und aggressiv, 911 ist zeitlos.“ Der Wahlitaliener mag es, verschiedene Anforderungen auf den Tisch zu bekommen und dann den besten Weg zu finden, diese zu erfüllen.

Die Probleme von Anfang an lösen

Obwohl Bozzo eine Yacht von unterhalb der Wasserlinie bis nach ganz oben konstruieren und designen kann, macht er keine Innenausstattung. „Wir können alles, inklusive der Außenmöbel wie an Bord von Rossinavis ‚Piacere‘. Wir machen auch Interieur-Layouts, aber nicht das Dekor“, erklärt Bozzo. „Wenn du eine ganze Yacht zeichnest, ist es interessant zu sehen, wie die Dinge anders laufen. Der Prozess beschleunigt sich, weil du verantwortlich bist, und so löst du auch die Probleme von Anfang an.“ Wenn man hingegen verschiedene Player habe, mache jeder einzelne sein Ding und die Problemlösungen gehen ab einem bestimmten Punkt „den Bach runter“.

Eigner von Bozzo-Yachten wissen, dass der Kommunikationsstrom auch in Zukunft weiter fließt. „Man könnte sagen, dass ich eine Art lebenslange Garantie bin“, witzelt er, „ich mag es dranzubleiben, Feedback zu bekommen. Und ich halte Kontakt mit Kapitänen und Crew, weil ich wissen möchte, ob und wie unsere Entwürfe ihr Leben leichter oder schwerer gemacht haben.“

Für Bozzo hat jedes Custom-Projekt zwei Seiten: „Wir müssen die Kundenbedürfnisse zufriedenstellen. Aber ebenso wichtig ist es, die operativen Anforderungen zu erfüllen.“ Nur so könne die Crew eine Yacht gut bedienen, mit schnellem Zugriff auf bestimmte Bereiche und wenig Aufwand für den Unterhalt.

Feedback ist für Horacio Bozzo

„Piaceres“ Konzept einer geschützten Flybridge und der ungewöhnlichen Bug-Garage sind beide das Ergebnis von Feedback. „Als die Beachclubs populär wurden, zogen wir die Garagen nach vorne, zwischen Beachclub und Motorraum“, berichtet Bozzo, „aber die Kapitäne sagten immer, dass es auf Yachten bis 50 Meter gefährlich und chaotisch sein kann, die Garage dort zu haben.“ Mit den Wellen- und Strömungsbewegungen riskiere man, dass Wasser in die Garage gelangt.

Horacio Bozzo nimmt so etwas nicht einfach hin: „Ich bin im Vergleich zu vielen Yachtdesignern ein anderer Typ, mein Ansatz ist immer erst der eines Ingenieurs.“ Sein Studio könne auch nach ungewöhnlichen Lösungen suchen. „Wir haben das Know-how, etwas neu anzugehen und die Erfahrung, Dinge anders zu machen“, führt er aus. Wenn eine Werft nicht sicher sei, ob sie etwas bauen könne, versorge sie sein Team mit dem passenden Design und den Konstruktionsplänen, damit sie weitermachen können: „Wir möchten sichergehen, dass das, was auf dem Papier gut aussieht, auch tatsächlich gut auf dem Wasser funktioniert.“ Seine Leute geben nichts heraus, bevor jedes Detail entwickelt, konstruiert, gezeichnet und gerendert wurde. Denn: Wenn es keine Überraschungen gibt, könne die Werft schneller und effizienter bauen.

Hinter verschlossenen Türen

Zu „Piacere“ kommen weitere frisch gelaunchte Bozzo-Designs wie der 43-Meter-Explorer „Acala“ von Cantiere delle Marche, die 40-Meter-Baglietto „Club M“, die 54-Meter-ISA „Forever One“ sowie die 49-Meter-Benetti „Elaldrea+“. Weitere Projekte sind in Planung, liegen aber noch hinter verschlossenen Türen. Zum Beispiel eine 86-Meter-Yacht, die in vier Jahren ins Wasser kommen soll. „Über die werden die Leute reden“, verspricht Bozzo.

Das Gesamtpaket aus Konstruktion, Design und Feedback-Einholen, das seine zwei Studios den Kunden anbieten, ist umfassend und komplex. Dabei ist die größte Belohnung für den Chef sehr simpel: „Unsere Würdigung besteht darin, wenn am Ende der Saison ein Kunde anruft und sagt: ,Horacio, die Yacht hat uns wirklich Spaß gemacht!‘“


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