Georgia Tindale
, Uske Berndt
· 18.05.2023
Autos waren seine Leidenschaft, zu schwimmenden Objekten kam Jonny Horsfield eher zufällig. Gepackt hat es den britischen Designer trotzdem sofort. Sein Studio „H2 Yacht Design“ führt mehr als 25 Namen jenseits der 50 Meter auf der Referenzliste.
Jonny Horsfield, Gründer des Londoner Designstudios H2 hatte nie Bedenken, seinen eigenen Weg zu gehen. Der Mann steht hinter so bemerkenswerten Namen wie der 123-Meter-Lürssen „Al Lusail“ (2017), des 80 Meter langen Bilgin-Baus „Tatiana“ (2020), der 77-Meter-„Go“ von Turquoise Yachts (2018) sowie dem 63,72 Meter langen Hakvoort Explorer „Scout“ (2019). Horsfield ist ein bekanntes und respektiertes Gesicht in der Branche. Mehr als 25 Superyachten ab 50 Meter, die derzeit im Wasser schwimmen, tragen den H2-Design-Stempel.
Nachdem er ein „sehr traditionelles Internat“ im Vereinigten Königreich besucht hatte, umgeben von zukünftigen Ärzten, Juristen und diversen anderen soliden Karriereoptionen, wusste Jonny schon früh, dass seine Interessen woanders lagen. „Ich traf die Entscheidungen über meine Zukunft entgegen vieler Ratschläge“, sagt er. „Ich war schon als kleiner Junge von Autos fasziniert, deren Design war meine Leidenschaft.“ Und so besuchte er die Fachhochschule von Coventry und studierte Transportation Design.
Was brachte ihn dazu, Fahrzeuge für das Wasser statt für die Straße zu designen? Pragmatismus. „Als ich meinen Abschluss hatte, suchte ich einen Job“, legt Horsfield dar. „Um es kurz zu machen: Ein Freund von mir bekam eine Stelle bei dem Konstrukteur Martin Francis, der in Südfrankreich ein neues Team aufbauen wollte. Ich bewarb mich und konnte dazustoßen.“ Die Truppe arbeitete zu der Zeit an der 74,50 Meter langen Blohm & Voss „Eco“ (jetzt „Zeus“), und Horsfield übernahm den Mast. „Wir bekamen sofort viel Verantwortung, ich lernte sehr viel und arbeitete in dem Jahr an ziemlich erstaunlichen Refitprojekten mit.“ Dabei entstanden große Freundschaften und Kontakte, auch zu Stars wie Espen Øino.
Nach diesem intensiven Eintauchen in die Welt der Yachten war Jonny nach zwölf Monaten bereit, zurück nach London zu gehen, wo er bei Don Starkey als Exteriordesigner einstieg. „Ich hatte großartige vier oder fünf Jahre bei ihm in den frühen 1990er-Jahren, und dort lernte ich auch Interiordesign“, erklärt Horsfield. „Davor war ich ja ziemlich auf das Styling von Außenlinien fokussiert.“
An diesem Punkt warfen das Leben und genauer gesagt die globale Wirtschaft einen entscheidenden Ball in Jonnys Richtung.
Es gab keinen speziellen Moment, der uns dazu brachte, H2 Yacht Design zu gründen, sondern es war eher ein Anstoß von außen.“
„Es gab 1993/94 eine Rezession, was uns bei Don Starkeys Unternehmen überflüssig machte. Ich war damals noch ziemlich jung, gerade 28, und es war ein Schock, als es passierte.“ Daraufhin entschieden er und ein Kollege 1994 H2 Yacht Design zu gründen: „Mein Nachname ist Horsfield und er hieß Steve Howard, also entschieden wir, uns „H2“ zu nennen.“ 2007 zahlte Jonny ihn aus, also gibt es seitdem nur noch ihn. Und so ist die Auswahl der zukünftigen Partner für sein Unternehmen streng begrenzt auf den Pool an Menschen, deren Nachname mit H beginnt.
Für die frischgebackene Firma gab es ein offensichtliches Ziel, wo sie durchstarten konnten: Türkei. „Als wir für Don arbeiteten, hatten wir bereits viele Projekte in der Türkei, und so war es die erste Anlaufstelle. Wir starteten mit einigen kleineren Projekten, nichts Besonderes, dann kamen wir zu Refits, und wir verbrachten die ersten sechs, sieben Jahre damit.“ Der Markt für Neubauten war dort noch nicht so weit, es gab nicht ansatzweise so viele Projekte wie heute. Refits hingegen waren üblich und bekamen regelmäßig neue Interiors. „Das war die Quelle für viel Arbeit für uns, und wir waren sehr erfolgreich damit.“
Obwohl die Türkei und der Refit-Markt anfangs ein sehr wichtiger Teil von H2 Yacht Design darstellten, hatte Jonny Mitte der 2000er-Jahre ein Schlüsselerlebnis. Er erkannte, dass ein Richtungswechsel für die Firma notwendig war. „Ich hatte eine Art Erleuchtung, als ich einsah, dass wir auf die Refits reduziert wurden“, erklärt Horsfield. „Ein bestimmter Broker übersah uns für ein Projekt und begann hinter unserem Rücken mit anderen Designern zu arbeiten. Er sagte: „Ihr macht keine Neubauten, oder?“ Und ich antwortete: „Doch, natürlich machen wir das!“ Es war dieser Moment, an dem Horsfield wusste, dass er seine ganze Haltung ändern und dem Neubaumarkt hinterherjagen musste.
Im Jahr 2005 ergatterte H2 ein Projekt mit dem Namen „Talisman C“, das heute „Talisman Maiton“ heißt. Ihr erstes richtiges 50-Meter-Plus-Projekt. „Wir machten das Interior und das Styling der Exteriors, eine Turquoise“, erzählt Horsfield weiter. „Wir hatten bereits für die Werft gearbeitet, und dieses Projekt half uns wirklich, unseren Ruf zu etablieren und auf dem Neubaumarkt den Durchbruch zu erzielen.“ Die Istanbuler Turquoise-Werft ist heute noch einer der zuverlässigsten Kunden des Designstudios.
Seit diesem Wendepunkt sind der Ruf und die Fähigkeiten von H2 Yacht Design weiter gewachsen. Das Studio arbeitet mit diversen Werften auf der ganzen Welt zusammen, an einigen sehr aufsehenerregenden Projekten wie der 75-Meter-Feadship „Arrow“ (2020), der 82-Meter-„Kosatka“ von Blohm & Voss (Ex-Graceful, 2014), der 107,40 Meter langen „Andromeda“ von Kleven Maritime AS (2016) sowie der 85-Meter-„Victorious“ von AKYACHT (2021). Und so könnte die Liste ewig weitergehen.
Dank der globalen Reichweite des Studios und dank mehr als 30 Jahren Erfahrung ist Jonny in der exzellenten Position darzulegen, wie sich die Superyachtindustrie in den vergangenen Jahren verändert hat: „Die Computer haben das Geschäft radikal umgekrempelt, nicht nur für die Designer, auch für die Werften in Bezug auf die Raffinesse der Formen, die sie heute realisieren können. Das ist Lichtjahre von dem entfernt, was möglich gewesen wäre, selbst vor 20 Jahren. Als Konsequenz hat es auch dem Exteriordesign geholfen, ziemlich komplexe Oberflächen in die Entwürfe einzubauen, die wir vorher niemals hätten bauen können.“
Das bedeutet allerdings, wie Jonny klarstellt, dass diese Technologie auch eine Kehrseite hat: „Computer sind aus der Sicht von Designern wie ein zweischneidiges Schwert. Um ganz ehrlich zu sein, sind sie echte Nervensägen. Jeder verlangt immer bessere Renderings von den Designern, was von uns viel Arbeit verlangt.“ H2 hat heute mehrere Angestellte im Studio, die ausschließlich für Renderings verantwortlich sind.
Er führt weiter aus: „Ich glaube, dass sich das auf die Kreativität der Designer auswirkt, da du dich bei all den Details zu sehr auf den Computer verlässt und du nicht das gleiche Gefühl hast wie früher, um das Ambiente eines Raumes zu kreieren.“ „Nennen Sie mich ,oldschool‘“, betont Horsfield weiter, „aber ich mag es immer noch, per Hand zu skizzieren. Ich bin nicht da Vinci, aber ich zeichne gerne diese Miniaturbilder. Darüber kann ich meine Ideen zu den Interiors schnell anderen Designern mitteilen.“
„Andromedas“ Interior zog neue Aufträge nach sichIn naher Zukunft dreht sich bei H2 Yacht Design alles um Explorer-Formate. „Wir haben gerade zwei Yachten im Explorer-Stil unterzeichnet, kleinere Versionen der 107-Meter-Andromeda (Ex-„Ulysses“), für die wir das Interior mit der norwegischen Kleven Werft erstellt haben.“ Der Kunde sah, was Horsfield und sein Team bei „Andromeda“ geschafft hatte, und sagte: „Das sind genau die funktionalen Innenräume, nach denen ich gesucht habe, nur ein wenig moderner.“
„Andromeda“ war für H2 ein sehr interessantes Projekt, da der Innenausbau von einem auf Kreuzfahrer spezialisierten Unternehmen erledigt wurde und so viel kostengünstiger sein musste als bei einer typischen Superyacht. Dieses Projekt zog in den vergangenen Jahren eine Reihe neuer Arbeitsaufträge nach sich, da die Leute verstanden und bewunderten, was H2 auf die Beine gestellt hatte. „Sie mochten besonders dieses universale, funktionale Interior, in dem man überall in Schuhen herumlaufen und seinen Neoprenanzug anbehalten kann, ohne sich ständig um die Sauberkeit zu kümmern.“ Horsfield und sein Team arbeiten darüber hinaus auch weiter zusammen mit der norwegischen Vard-Werft an der Innengestaltung der 181 Meter langen „REV Ocean“ (Research Expedition Vessel). „Ein unglaublich aufregendes Projekt“, wie er sagt.
Schließlich hat Jonny für alle jungen Designer noch ein paar weise Wort parat – für alle, die wie er vor 30 Jahren, nervös zum ersten Mal in die Superyacht-Sphären eindringen: „Ich glaube fest daran: Wenn du ein guter Designer bist, kannst du alles designen. Es ist egal, ob es das Exterior einer Superyacht ist oder ein paar Sportschuhe, du musst in der Lage sein, dir etwas in 3-D vorzustellen. Entweder es existiert ein Teil deines Gehirns, der das kann, oder eben nicht. Ich wäre ein lausiger Buchhalter, weil ich nicht mit Zahlen umgehen kann – jeder hat seine Stärken. Du musst eben herauszufinden, worin diese liegen und sie ausspielen.“