Außenborder-Test3 kompakte E-Motoren fürs Beiboot im Vergleich

Hauke Schmidt

 · 09.08.2023

Von sehr handlich bis sehr kräftig. Die drei Antriebe verfolgen unterschiedliche Konzepte
Foto: YACHT/J. Kubica
Die drei Kandidaten und ihre Besonderheiten in der Übersicht
Am Dingi sind Elektroaußenborder mit integriertem Akku praktisch und schon lange keine Seltenheit mehr. Zwei innovative Modelle fordern den Vorreiter Torqeedo heraus: drei kompakte E-Motoren im Test

Allenthalben spricht man von E-Mobilität – mag es für größere Yachten noch ein weiter Weg sein, im Beiboot ist der Elektroantrieb längst auf dem Vormarsch. Bis vor einigen Jahren waren Benzin-Außenborder mit 2 bis 4 PS das Mittel der Wahl. Doch die kleinen Zweitakt-Stinker gibt es nicht mehr. Und als modernere Viertakter haben die Motörchen ordentlich zugelegt. Schon die schwächsten Ausführungen wie der Honda BF2.3 bringen satte 14 Kilogramm auf die Waage. Dank Luftkühlung und rasenmäherartigem Laufgeräusch ist er im Wortsinne meilenweit zu bemerken.

Kultiviertere Modelle mit Wasserkühlung liegen schnell bei 20 Kilo und darüber. Damit wird die Übergabe ins Dingi mühsam. Dagegen können die E-Motoren ihre Vorteile im Schlauchboot voll ausspielen. Sie sind leicht und leise und bewegen das Beiboot gänzlich ohne Gestank, Gepansche und Geschmiere.

Torqeedo brachte bereits 2006 den Vorreiter auf den Markt

Pionierarbeit hat der bayerische Hersteller Torqeedo geleistet. Sein 2006 vorgestellter Travel 800 kombinierte als Erster einen bürstenlosen E-Motor mit einer effizienten Schraube und einem Lithium-Ionen-Akku. Damit setzte sich der Travel deutlich von den Angel-Motörchen mit bleischweren Autobatterien ab.

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Inzwischen gibt es eine ganze Reihe moderner Elektroaußenborder. Unseres Schwester-Magazin YACHT testete 2020 eine Auswahl. Damals wurden Antriebe mit einer Eingangsleistung von 1.000 Watt und mehr untersucht. Fürs Dingi sind diese Außenborder bereits überdimensioniert. Denn auch wenn die Motoren leistungsstark sind, sie sind nicht auf Geschwindigkeit, sondern auf Schub abgestimmt. Gleitfahrt wie bei einem Benziner ist daher auch mit einem großen Antrieb nicht möglich.

Wenn die Rumpfgeschwindigkeit die Grenze setzt, genügt ein Motor, der das Boot so weit beschleunigt. Am 2,40 Meter langen Dingi sind das bescheidene 3,5 Knoten. Dafür sind bei glattem Wasser rund 300 Watt effektive Antriebsleistung nötig. Je nach Wirkungsgrad entspricht das einer Eingangsleistung von etwa 450 Watt. In dieser Klasse gibt es aktuell zwei interessante Neuentwicklungen: den Temo aus Frankreich und den Kicker des norwegischen Herstellers Thrustme.

Alle drei E-Motoren haben Stärken und Schwächen

Beide Motoren sind explizit für kleine Wasserfahrzeuge gedacht und erheben den Anspruch, besonders leicht und komfortabel zu sein. Im Test mussten sie sich gegen den Travel 603 behaupten. Dabei handelt es sich um die neueste Generation des Einstiegsmodells von Torqeedo.

Für den direkten Vergleich haben wir die Antriebe an ein 2,40 Meter langes Schlauchboot von Seatec montiert. Zudem haben wir die Außenborder für den Beiboot-Test genutzt und an diversen Modellen erprobt. Um Vergleichswerte für raueres Wasser zu bekommen, musste der Kicker zudem ein Wochenende als Strand-Shuttle ran und ein mit zwei Erwachsen und zwei Kindern besetztes Dingi bei rund 15 Knoten Wind durch die Ankerbucht von Lyø kutschieren.

Elektro-Außenborder: Bauform ist entscheidend

So viel vorweg: Spaß hatten wir mit allen drei E-Antrieben, wobei jede Konstruktion Stärken und Schwächen zeigte. Einen großen Einfluss auf die Handhabung hat die Bauform. Während Kicker und Travel klassische Außenborder für die Spiegelmontage sind, geht Temo einen anderen Weg. Das Langschaft-Design wird mit einem Ruderdollenbeschlag montiert oder einfach schräg ins Wasser gehalten. Damit lässt sich der Motor an fast jedem Gefährt nutzen. Die Schraube muss dabei nur gerade so unter Wasser liegen. So lässt sich der Antrieb in sehr flachem Wasser nutzen und ist ideal, um zu beachen. Kommt der Grund doch zu nahe, verhindert ein Schutzring Schlimmeres und der Motor schwenkt einfach nach oben.

So praktisch die Konstruktion auch am Strand ist, so gewöhnungsbedürftig ist das Manövrieren mit dem rund 1,2 Meter nach hinten ragenden Antrieb. Um auf engem Raum zu drehen, muss der E-Motor von Temo unter den Schlauch geschwenkt werden. Ein Tipp dazu: den Griff dabei nicht komplett ausziehen, dann bleibt der Motor hecklastiger, er taucht besser ab und die beim Schwenken erforderlichen Wege sind kleiner. Probleme kann es bei Schlauchbooten geben, bei denen der Boden über den Spiegel nach achtern ragt. Diese Konstruktion sorgt für zusätzlichen Auftrieb, um schwere Viertakter zu tragen, verhindert jedoch, dass man den Temo voll einschlagen kann.

Temo 450: Durchdachtes Design bei guter Verarbeitung

Gewöhnungsbedürftig ist auch das Rückwärtsfahren. Der schräg stehende Propeller des an einen überdimensionierten Pürierstab erinnernden Motors schaufelt viel Wasser gegen das Boot, daher ist der Schub deutlich geringer als beim Vorwärtsfahren.

Punkten kann der französische E-Motor beim Design und der Verarbeitung. Alles wirkt sehr durchdacht. Einziger Kritikpunkt ist der Gasabzug. Er lässt sich mittels Zeigefinger oder Daumen bedienen, die stufenlose Regelung ist aber empfindlich und muss dauerhaft gehalten werden. Das führt dazu, dass man auf längeren Strecken automatisch bis zum Anschlag durchzieht und Vollgas fährt.

Das wiederum verbraucht unnötig viel Strom und geht auf Kosten der Reichweite. Bei Volllast ist der integrierte Akku nach rund 35 Minuten leer, was einer Reichweite von etwa zwei Seemeilen entspricht. Mit der einfachen Stufenregelung des Kickers oder der Drehgaspinne von Torqeedo ist es wesentlich entspannter, nur die für Marschfahrt benötigte Leistung abzurufen und entsprechend Energie zu sparen.

Beide Herausforderer des Marktführers haben Probleme mit der Kapazitätsanzeige

Stromsparen ist vor allem beim Kicker wichtig. Sein Propeller misst nur zehn Zentimeter. Damit die kleine Mantelschraube genügend Schub erzeugt, ist er mit einem sehr kräftigen 1.000-Watt-Motor bestückt. Gleichzeitig ist die Akkukapazität die kleinste im Test.

Das hat Folgen: Begnügt man sich mit der halben Leistung und cruised mit 2,5 Knoten, kommt man locker drei Seemeilen weit. Mit maximaler Fahrt von 3,1 Knoten ist der Saft schon nach 1,5 Seemeilen alle.

Die Kapazitätsanzeige hilft beim Abschätzen der Restreichweite nur bedingt. Sie wertet die Akkuspannung aus und reagiert deutlich auf die Belastung. Fährt man den E-Motor mit Vollstrom, schrumpft die Restladung rapide. Nach einer kurzen Pause stehen dann plötzlich wieder bis zu 20 Prozent mehr Kapazität auf der Anzeige. Ein ganz ähnliches Verhalten war beim Temo zu beobachten, die Franzosen weisen aber darauf hin, dass die Anzeige in Fahrt nicht den korrekten Ladezustand angibt.

Torqueedo Travel 603: E-Motor dank Reichweite unschlagbar?

In Sachen Reichweite schlägt der Klassiker Travel 603 die beiden anderen Kandidaten um Meilen. Dank der effizienten Schraube und des 500-Wattstunden-Akkus hält der E-Motor selbst bei Vollstrom 45 Minuten durch und kommt fast drei Meilen weit. Halbiert man die Leistung, läuft der Schlaucher immer noch drei Knoten, und die Reichweite steigt auf 4,5 Seemeilen.

Dank des integrierten GPS-Empfängers weiß der Außenborder, wie schnell er fährt, und berechnet mit Hilfe des aktuellen Stromverbrauchs die reale Reichweite. Das ist deut- lich genauer als die lastabhängigen Kapazitätsanzeigen von Temo und Kicker. Außerdem lässt sich damit einfach die beste Reisegeschwindigkeit finden.

Wer sehr lange Touren machen will, kann zudem auf den Akku des Travel 1103 wechseln, dann steht die 1,8-fache Kapazität zur Verfügung. Nachteile des großen Energiespeichers sind die Zusatzkosten von 950 Euro und das er im Gegensatz zum kleinen Akku nicht schwimmt.

Die verschiedenen Akku- und Ladeoptionen der Elektroaußenborder

Die Ausdauer des Kickers lässt sich ebenfalls verbessern, der Motor kann über die Ladebuchse auch extern mit Strom versorgt werden, damit ist der Betrieb an 12- oder 24-Volt-Akkus möglich. Importeur TFB bietet unter dem Namen Outdoorbox einen passenden Energiespeicher in einer wasserdichten Kiste an. Mit diesen zusätzlichen 673 Wattstunden soll der Kicker rund viermal so lange laufen. Unser Testbeiboot käme also satte zwölf Seemeilen weit. Das Gespann aus E-Motor und Akku wiegt 9,5 Kilo und ist damit immer noch leichter als der Travel. Box und 230-Volt-Lader kosten 988 Euro extra.

Apropos Laden, serienmäßig lassen sich die Akkus aller drei Außenborder nur an einer 230-Volt-Steckdose nachfüllen. Wer aus dem Bordnetz laden will, benötigt also einen kleinen Inverter oder das passende 12-Volt-Ladegerät. Die Kosten dafür liegen zwischen 85 und 119 Euro. Einen Sonderweg geht der Travel. Er lässt sich sowohl über ein Solarpaneel als auch mit einem Adapterkabel direkt an neun bis 50 Volt Gleichspannung laden.

Die Energiespeicher von Temo und Kicker sind nach 3,5 beziehungsweise vier Stunden wieder voll. Torqeedo lädt etwa mit gleicher Leistung. Der größere Akku braucht aber rund 5,5 Stunden.

Die 12-Volt-Varianten der Ladegeräte sind etwas schwächer ausgelegt, daher benötigt der Temo eine halbe Stunde länger, beim Kicker dauert es nach Herstellerangabe zwei Stunden länger, den Akku komplett zu füllen. Lediglich der Torqeedo lädt unabhängig von der Spannungsquelle immer gleich schnell.

Außenborder-Test: Welches Modell ist der Sieger?

Und wer ist nun der Testsieger? Im Grunde wünscht man sich für das Beiboot den handlichen Kicker mit der Kapazität des Travel und dessen Reichweitenanzeige, und all das im Design von Temo. Welcher E-Motor der beste ist, hängt also von den persönlichen Anforderungen ab. Der Temo ist vor allem für Boote ohne Motorspiegel und den Einsatz am Strand prädestiniert.

Der Kicker überzeugt durch das unkomplizierte Handling, braucht dafür aber öfter eine Pause am Ladegerät. Beim Travel stimmen Leistung, Ausdauer und Ausstattung, verglichen mit den anderen ist er allerdings etwas unhandlich. Trotzdem bietet er das beste Gesamtpaket – und ist somit unser Testsieger.


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