FrankreichVon Cahors nach Caïx – mit dem Charterboot auf dem Lot

Bodo Müller

 · 21.09.2025

Alte Pracht: Die mittelalterliche Pont Valentré ist eine der beherrschenden Landmarken im Verlauf des Lot und gleichzeitig Wahrzeichen der Stadt Cahors.
Foto: Bodo Müller
​Spektakuläre Wasserbauten schmücken den Lot im Südwesten Frankreichs. Seit Jahrzehnten wird daran gearbeitet, sie wieder instand zu setzen und die historische Wasserstraße erneut durchgängig schiffbar zu machen. Ein besonderer Chartertörn.

​An einem sonnigen Vormittag übernehmen wir unser Charterboot, eine Pénichette 1020, in der Kleinstadt Cahors bei der Bootswerft Babou Marine. Der Ort liegt, grob gesagt, in der Mitte des Lot. Mancher wird den Namen noch nie gehört haben. Doch der 491 Kilometer lange Fluss zählt zu den sieben längsten Flüssen Frankreichs. Unter deutschen Charterern ist er, von Ost nach West fließend und in die Garonne mündend, noch immer ein Geheimtipp.

Unsere Penichette 1020 ist unter Binnen-Charterern ein bekanntes Modell, das seit 25 Jahren auf nahezu allen Hausboot-Revieren Europas zu finden ist. Unserem Boot sieht man bei genauer Betrachtung seine Dienstjahre auch an, dennoch ist innen alles aufgeräumt und sauber. Die technische Ausstattung ist simpel und ohne jede Elektronik oder modernen Schnickschnack. Somit dauert die Übergabe nur wenige Minuten.

Alice und ihr Bruder Sylvain Baboulène betreiben die Werft in dritter Generation. Alice erklärt uns anhand des Revierführers, dem „Guide Fluvial“, dass wir zwölf Kilometer zu Berg fahren können, und zwar bis zur Ortschaft Arcambal. Genau hier beginnt die spektakuläre Bergstrecke zwischen den steilen Felswänden. Nur sechs Kilometer weiter stromauf liegt der wunderschöne Ort Vers. Doch die zwei Schleusen auf dem Weg dorthin wurden vom Frühjahrshochwasser beschädigt und sind noch nicht wieder freigegeben. Alice sieht unsere Enttäuschung: „Ich gebe euch Fahrräder mit, dann seid ihr vom höchsten schiffbaren Punkt in einer halben Stunde in Vers.“

Meistgelesene Artikel

1

2

3

​Die Geschichte der Schifffahrt auf dem Lot

Zu Tal sind 27 Kilometer schiffbar. Es ist die Region der Schlösser und Winzereien. Das Tal des Lot zählt zu den ältesten Weinanbaugebieten Frankreichs. Angeblich sollen schon die Römer vor 2.000 Jahren den begehrten Roten aus dem Lot-Tal in Fässern talwärts zur Garonne und weiter nach Bordeaux verschifft haben. Doch die Schiffbarkeit des Lot war seit Generationen ein immerwährender Kampf gegen die Kräfte der Natur.

Damals war der Fluss reißend, unreguliert und eine immense Herausforderung. Einen Kahn samt Weinfässern über Hunderte Stromschnellen hinweg zu Tal zu befördern, war immer riskant. Geschichtsschreiber berichteten, dass manchmal nur noch die Fracht im Strom trieb, von Boot und Schiffern aber jede Spur fehlte. „Ich muss euch auch noch zeigen, wie man hier von Hand schleust“, ergänzt Sylvain. „Das ist noch immer Knochenarbeit.“

Erst im Spätmittelalter wurden die ersten Staustufen mit Schleusen gebaut. Allerdings war der Strom noch immer so reißend, dass es nur unter Mühen möglich war, ein Boot wieder bergauf zu ziehen. Zudem fehlten Treidelpfade oder andere Hilfsmittel. Im 17. Jahrhundert gab Sonnenkönig Ludwig XIV. seinem Wirtschaftsminister Colbert den Befehl, den Lot endgültig schiffbar zu machen. Der Monarch hatte jedoch weniger die Wirtschaft im Sinn. Er hatte sich in die schöne Tochter eines Schiffers verguckt. So traf er eine politische Entscheidung.

In Folge wurden 17 Kammerschleusen gebaut. Doch die Technik funktionierte oft nicht so zuverlässig wie in anderen Teilen Frankreichs. Die meiste Zeit des Jahres war der Strom zu reißend und der Druck auf die Tore zu hoch. Die hölzernen Schütze ließen sich kaum bedienen. Sollte ein Boot geschleust werden, musste die Kammer mühsam durch Eichenbalken, die in einer Nut geführt wurden, verschlossen werden. Eine Schleusung dauerte mindestens einen Tag.

​Die Schleusen und deren Bedienung

Skipperin Siegrun steuert das Schiff aus dem Werfthafen direkt zur Schleuse Valentré, die unter dem westlichsten Bogen der historischen Steinbrücke liegt. Werftchef Sylvain ist mit an Bord und will zeigen, wie man die alten Schleusen von Hand bedient. Wir legen am Wartekai im Unterwasser an. Sylvain belehrt mich, dass ich eine Schwimmweste tragen müsse, das sei Vorschrift. Ich hänge mir die sperrige Feststoffweste über und binde sie zu. Sylvain geht voraus zur Schleuse, trägt aber selbst keine Weste. Es wird gerade ein Boot nach unten geschleust. Vier Mann übernehmen die Handarbeit an den Toren. Niemand trägt eine Schwimmweste. War die Belehrung nur das Abhaken einer gesetzlich vorgeschriebenen Anweisung?

Als ich in dem schmalen Gang auf dem Schleusentor stehe und anfange, die Schütze hochzukurbeln, merke ich, dass das mit einer Feststoffweste eigentlich nicht geht. Das Kurbeln ist Knochenarbeit und fordert viel Bewegungsfreiheit. Der Gang auf dem Tor ist zwischen den Geländern so eng, dass ich ständig irgendwo hängen bleibe. Also lege ich sie auch ab.


Mehr zum Thema Reisen in Frankreich:


Mit dem Aufkurbeln der Schütze des unteren Tores leeren wir die Kammer. Du Fallhöhe beträgt 2,50 Meter. Danach müssen die schweren Stahltore per Kurbel geöffnet werden. Der Talfahrer fährt aus, Siegrun steuert hinein. Jetzt die Torflügel wieder zu, danach die Schütze wieder runter, damit das Tor dicht ist. Anschließend am oberen Tor die Schütze hochkurbeln. In großen Wirbeln stürzt Wasser in die Kammer und füllt sie allmählich. Sylvain verabschiedet sich und wünscht uns eine schöne Woche.

​Historische Wasserbauwerke auf dem Lot

Als unsere Pénichette auf dem Level des Oberwassers angekommen ist, muss ich allein die schweren Tore öffnen. Nach einer guten halben Stunde weiß ich, was ich getan habe und bekomme eine Vorahnung, welche Herausforderung in der nächsten Woche auf mich wartet. Okay, größere Crews als unser Zweierteam haben es da deutlich einfacher.

Spannend ist übrigens auch, in der Schleuse vom Boot an Land zu gelangen – oder umgekehrt. Sicherheitsleitern, wie wir sie in Deutschland kennen, gibt es nicht. Dafür sind an einer Kammerwand Löcher in den Stein eingelassen, in die etwa der halbe Fuß eines Erwachsenen passt. Diese Fußtritte folgen übereinander im Abstand von 40 Zentimetern. Sie sind nass und glitschig. Ein Geländer zum Festhalten gibt es nicht. Als ich diesen „Aufstieg“ zum ersten Mal sah, dachte ich, dass der deutsche TÜV seine helle Freude daran hätte. Selbst für eine kräftige und nicht unsportliche Person ist es eine Herausforderung, mithilfe der Fußtritte in der Schleusenkammer an der nassen Wand entlang nach oben oder unten zu klettern.

Ihre Blütezeit erreichte die Schifffahrt auf dem Lot erst im 19. Jahrhundert. In den Bergwerken von Decazeville wurde hochwertige Kohle abgebaut, die nach Bordeaux transportiert werden musste. Es gab weder Straßen noch Eisenbahnlinien – die Binnenschifffahrt auf dem Lot hatte ihre große Zeit. In schwindelerregendem Tempo entstanden neue Schleusen, Aquädukte, Schifffahrtstunnel und mehrere Hundert Kilometer Treidelpfade.

​Der Niedergang und die Wiederbelebung der Fluss-Schifffahrt

Doch die Freude hielt nicht lange an. Um 1900 wurden in der Region die ersten Eisenbahnlinien gebaut, wenige Jahre später ein Netz von Autostraßen. Die Binnenschiffer verloren ihre Aufträge. Sportschifffahrt gab es noch nicht. 1926 wurde der Lot von der Liste der schiffbaren Wasserwege Frankreichs gestrichen - und aufgegeben. Es folgten über 60 Jahre Stillstand. Die aufwendig aus Naturstein gebauten Wasserbauwerke verfielen.

Ungefähr 1989 änderte sich jedoch der Blick: Die Sportschifffahrt auf französischen Binnenwasserstraßen nahm zu. In mehreren Regionen wurden alte Kanäle oder kanalisierte Flüsse reaktiviert. Seit nunmehr 35 Jahren wird daran gearbeitet, den Lot wieder durchweg befahrbar zu machen. Inzwischen sind sieben Teilstrecken zumindest für die Sportschifffahrt wieder nutzbar. Bis das für gesamten Fluss gilt, werden aber noch Jahrzehnte vergehen.

Insbesondere im oberen Bereich, wo sich die spektakulärsten Wasserbauwerke befinden, ist es derzeit noch nicht möglich. Dort gibt es unter anderem drei Schiffstunnel mit Schleusen, die große Flussschleifen abkürzen. Wo einst Schleusen waren, stehen seit den 1930er-Jahren Elektrizitätswerke an den Staustufen.

Am ersten Tag schaffen wir noch eine weitere Schleuse bergauf und legen uns dann an den Anleger des Sportparks der Stadt Cahors. Am soliden Schwimmponton gibt es Strom, Wasser und eine Abpumpstation für Schmutzwasser. Kaum zu glauben: Alles ist kostenlos!

​Das charmante Cahors

Das vom Lot umschlossene Cahors entdecken wir am Vormittag. Rund um die Kathedrale gibt es einen sehr schönen Altstadtkern mit vielen kleinen Cafés und Einkaufsläden. Wir stauen den Proviant an Bord und legen nachmittags wieder ab. Weiter geht es gegen die Strömung bergauf. In Lacombe und Arcambal passieren wir die nächsten Schleusen. An beiden Orten fahren wir im Oberwasser mit Gashebel am Anschlag, um nicht seitlich zum Wehr hin abzudriften. In solchen Situationen wäre ich dankbar, wenn die Penichette etwas stärker motorisiert wäre.

Beim Dorf Arcambal ist dann Schluss für uns, da die beiden folgenden Schleusen ja noch vom letzten Hochwasser beschädigt sind. Vom Anleger sind es 600 Meter in den Ort. Es gibt eine Gaststätte und einen Brot-Automaten. Sonst nichts. Morgens radeln wir die verbleibenden sechs Kilometer bis nach Vers. Dazu muss man gut eine Stunde einplanen, denn es geht teilweise auf einer ehemaligen Eisenbahnstrecke durch Brombeergestrüpp und über die Ruine einer alten Eisenbahnbrücke über den Lot. Vers ist eine zauberhaft schöne alte Stadt, die sich an einem Berghang zwischen dem Lot und dem Nebenfluss Vers erstreckt. Die schönste Entdeckung ist das hoch über dem Fluss liegende Restaurant La Truite Dorée. Auf der schattigen Terrasse genießen wir großartigen Entenbraten mit hauseigenem Wein - wider Erwarten für kleines Geld.

Unsere Fahrt zu Tal in Richtung Cahors geht aufgrund der Strömung nun unerwartet schnell. Kurz vor Cahors legen wir am zauberhaften Dorf Laroque-des-Arcs an. Hoch über dem Ort thront die Kapelle Saint-Roch auf einem Felsen unmittelbar am Strom. Das Dorf besteht aus schönen alten Steinhäusern. Leider gibt es weder einen Laden noch ein Lokal.

Wieder machen wir das Schiff am Sportpark von Cahors fest und bunkern gratis Strom und Wasser. Nach Passieren der Schleuse Coty halten wir uns am rechten Ufer. Unmittelbar vor der schönen alten Steinbogenbrücke Pont Valentré entdecken wir das Restaurant Les Terrasses Valentré mit eigenem Bootsanleger.

Wein in Caïx probieren

Wir lassen Cahors achteraus und kommen nun in die Gegend der Weinberge und Schlösser. Gut 27 Kilometer fahren wir zu Tal und passieren dabei drei Schleusen mit atemberaubend schönen Wasserbauwerken. Über den Flussbiegungen thronen alte Landsitze, in denen heute üblicherweise der sonnengereifte Traubensaft gekeltert wird. Besonders eindrucksvoll fanden wir das Schloss Mercuès im gleichnamigen Ort, wo man allerdings nicht gut anlegen kann. Sehr gut geht das dafür im Dorf Caïx, wo in der Domaine Lafon bester Rebensaft produziert wird, der verkostet und gekauft werden kann. Etwa einen Kilometer östlich von Caïx liegt das berühmte Weingut Château de Cayx. Früher konnte man dort direkt festmachen, doch der Anleger ist marode und soll demontiert werden. Von Caïx läuft man etwa zehn Minuten durch Weinberge zum Château. Das aus dem 15. Jahrhundert stammende Anwesen wurde 1974 von Königin Margarethe von Dänemark erworben. Seitdem wird hier der Wein für das nordische Königshaus produziert. Gäste können das Schloss der Monarchin besuchen, ihre Weine probieren und natürlich auch mit an Bord nehmen.

Einen Kilometer unterhalb von Caïx endet die Reise vor dem Dorf Luzech. Ab der Barrage de Luzech ist der Lot nicht mehr schiffbar. Wir haben fünf Tage bis hierher gebraucht. Ein Tag bleibt uns noch für die Rückreise bergauf zur Charterbasis in Cahors. Eine Charterwoche passt also perfekt für das von uns besuchte Revier. Etwas Wehmut schwingt schon mit, als wir den Bug stromaufwärts richten und von den Weinbergen und Schlössern des Lot Abschied nehmen.


Infos​ zum Törn

Unser Boot

Die von uns gecharterte Pénichette 1020 FB (10,20 m x 3,55 m x 0,85 m) verfügt über zwei Doppelkabinen, zwei Nasszellen, einen großen Salon und eine voll ausgestattete Pantry. Es gibt einen Innen- und einen Außensteuerstand sowie ein Bugstrahlruder. Das Schiff kostet in Frankreich ab 2.205 Euro pro Woche, die Kaution beträgt 2.000 Euro. Der Dieselverbrauch liegt bei 3,8 l/h und wird über die Betriebsstundenpauschale in Höhe von 11,50 Euro/Stunde abgerechnet.

​Charterfirma

Locaboat Holidays vermietet europaweit Hausboote. Die Firma ist in allen Regionen Frankreichs vertreten, ebenso in Irland, Holland, Italien sowie in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. locaboat.com

​Revierführer

Das mit Abstand beste nautische Kartenwerk ist der „Guide Fluvial / Waterways Guide / Kanalführer“, Band 5 „Le Lot“, Éditions du Breil, 25,00 Euro. Zu den Karten gibt es eine Revierbeschreibung auf Französisch, Englisch und Deutsch. Das Werk liegt an Bord und kann an der Charterbasis bzw. vorab im Internet gekauft werden. carte-fluviale.com

​Die Anreise

Zur Charterbasis in Cahors kommt man am schnellsten, wenn man nach Toulouse fliegt. Mit Lufthansa ab Hamburg kostet es ab 390 Euro. Den Mietwagen am Airport Toulouse gibt es ab 295 Euro für eine Woche. Die Fahrt nach Cahors dauert etwa anderthalb Stunden. Aus dem Südwesten Deutschlands oder der Schweiz kann man alternativ auch mit dem Auto oder der Bahn nach Cahors reisen.

​Die Etappen

  • Cahors (Basis) > Cahors: 4 km
  • Cahors > Arcambal: 8 km
  • Arcambal > Laroque-des-Arcs: 5 km
  • Laroque-des-Arcs > Cahors: 4 km
  • Cahors > Caïx: 29 km
  • Caïx > Cahors (Basis): 25 km
  • Gesamtstrecke: 75 km

​Fazit zum Törn auf dem Lot

Der Lot ist kein Charterrevier wie die meisten anderen, das Erlebnis ist weitaus ursprünglicher. Das liegt zum einen an den noch immer handbetriebenen Schleusen, zum anderen an den vielen alten Wasserbauwerken. Die Strecke ist dafür überschaubar und selbst bei längeren Landausflügen – etwa zu einem der vielen Weingüter der Region – in einer Reisewoche gut zu meistern.


Meistgelesen in der Rubrik Reisen