Ostsee-SturmflutSchäden an der Infrastruktur - ist die Saison 2024 in Gefahr?

Damp
Foto: Pantaenius/Christian Beeck
Die Schäden in den Häfen nach der Sturmflut sind immens. Können diese bis zum Saisonstart 2024 repariert werden? Oder werden Liegeplätze fehlen, Törnziele wegfallen?

Die Bergungs- und Aufräumarbeiten sind noch in vollem Gange. Von rund 2000 Schäden an Yachten gehen Experten mittlerweile aus, 10 bis 15 Prozent davon seien Totalschäden. Eigner, deren Yachten in der Sturmnacht zu einem solchen wurden, werden sich nun fragen, ob sie ihr Hobby überhaupt noch weiterführen können oder wollen.

Selbst wenn sie diese Frage bejahen, wird es nicht unbedingt leichter, eine neue Yacht zu finden. Die Auftragsbücher einiger Werften leeren sich zwar allmählich, doch ein Neubau dauert seine Zeit und will finanziert sein. Auch auf dem ohnehin erst leicht entspannten Gebrauchtbootmarkt wird das Finden eines passenden Angebotes bei gestiegener Nachfrage aufgrund der Zahl der Totalverluste nicht unbedingt einfacher.

Selbst wenn die eigene Yacht nur leicht oder zumindest reparabel beschädigt wurde, bleibt die Frage, ob die Bootsbaubetriebe des zu erwartenden Ansturms bis zum Saisonbeginn Herr werden können. "Wir haben die letzten drei freien Lagerböcke an Schiffe vergeben, die nun repariert werden müssen, damit sind wir voll", sagt Hauke Steckmest von der Werft Henningsen und Steckmest an der Schlei.

Absehbar wird sich also für viele direkt betroffene Eigner die Saison 2024 verzögern oder ganz ausfallen.

Doch auch für andere, vermeintlich nicht direkt Betroffene, die ihre Yacht rechtzeitig aus dem Wasser hatten oder bei denen ihr Boot den Sturm im Wasser überstand, könnte es ein böses Erwachen geben.

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Enorme Infrastruktur-Schäden

Während der Sturmflut war die Lage eines Hafens der entscheidende Faktor, wie schwer es Molen, Stege, Hafengebäude und weitere Infrastruktur getroffen hat. Ungeschützte und nach Osten hin exponierte Anlagen wie Schilksee, Damp oder Maasholm wurden durch den extrem hohen Wasserstand in Kombination mit vom Wind aufgepeitschter See überrannt. Doch selbst in einem vermeintlich geschützten Hafen wie dem Wiking Yachthafen in Schleswig im hintersten Winkel der Schlei genügte die Anlauffläche von Wind und Wasser, um enormen Schaden anzurichten. Mitunter wird von Totalschäden ganzer Häfen gesprochen.

Das genaue Ausmaß ist noch nicht bekannt, die Bestandsaufnahme der Hafenbetreiber dauert aktuell noch an. Über das Ausmaß der Zerstörung müsse man sich einen Überblick verschaffen, wenn die darauf und darunter liegenden Yachten geborgen seien, berichtet etwa der Manager des Ostseeressorts Damp, Poulios Polynikis, der auch den Hafen betreibt. Die von See aus kommend rechte Seite der Marina habe es schlimmer getroffen, die Stege links hinter der Einfahrt wurden ein wenig durch das Hafenmeistergebäude geschützt. Gebäude und Sanitäranlagen hätten keine großen Schäden davongetragen, wohl aber die Promenade. Das Hochwasser erreichte auch hier einen Stand von etwa 2,25 Meter über normal.

Molen und Wellenbrecher überspült und abgetragen

Wie unerbittlich der Sturm gegen die Küsten angerannt ist, zeigen vor allem zerstörte Schutzanlagen wie Molen und Wellenbrecher. In Kühlungsborn fehlt etwa der Übergang zur Westmole. Vielerorts wurden schwere Betonklötze und Steine abgetragen.

Selbst in Schleswig in der Schlei wurde der Wellenbrecher überspült und konnte starke Beschädigung an der Infrastruktur und den Booten nicht verhindern. „Von der Hafenanlage ist zwar 80 Prozent noch da, aber die sind Schrott“, berichtet Betriebsleiter Björn Hansen.

Stromanlagen fast überall beschädigt

Die Elektrik an den Anlagen ist selbst in Häfen betroffen, die nicht durch Seegang verwüstet wurden, etwa in Orth und Grömitz. Hier reichte das außergewöhnlich hohe Hochwasser, um Säulen, Stromkästen oder die Elektromotoren von Kränen zu beschädigen.

Auch Wege und Straßen blieben nicht verschont: In Burgtiefe auf Fehmarn ist der Bohlenweg nach Meeschendorf verschwunden, in Lauterbach auf Rügen sackte das Pflaster ab. Kupplungen zum Land von schwimmenden Häusern brachen.

Schwimmstege erwiesen sich als großes Plus

Glück hatten Häfen, die mit Schwimmstegen ausgerüstet sind wie der Eckernförder Stadthafen oder die Marina Baltic Bay in Laboe. Andernorts, wie in Burgtiefe auf Fehmarn, fehlen seit dem Sturm Elemente im Steg, in Großenbrode verschwand einer komplett. Dalben brachen ab, Klampen rissen aus Stegen. In Lindaunis ist der Dampfer-Steg weg, Elektrokästen wurden abgerissen, Geländer durchgebogen. Über die Schäden etwa in Schilksee oder Damp sprechen die Bilder Bände.

Zudem sind einige Hafengebäude entlang der Küste aktuell nicht nutzbar. In der schwer getroffenen Marina Wassersleben wurde sogar das ganze Jugendhaus zerstört.

Das Ausmaß des Gesamtschadens stellt sich in den Häfen erst allmählich heraus. Fest steht jedoch schon jetzt, dass ein finanzieller und personeller Kraftakt nötig sein wird, um die zerstörte Infrastruktur bis zum Beginn der Saison wieder instand zu setzen.

Liegeplätze könnten 2024 fehlen

Viele fragen sich deshalb jetzt zu Recht, ob sie zum Saisonbeginn überhaupt einen Liegeplatz haben werden, ob ihr Hafen, ihr Steg repariert sein wird. So wird etwa die Hafenanlage in Schilksee zur Kieler Woche im Juni voraussichtlich nicht komplett nutzbar sein, so Sporthafen-Chef Philipp Mühlenhardt. Außer den Schäden an Stegen, Wellenbrechern und Hafenvorfeld sei die Südzufahrt des Hafens versandet, sie müsse aufwendig freigebaggert werden. Dabei liegt die Kieler Woche, zeitlich gesehen, schon mitten in der Saison.

Finanzierung schwierig

Erschwerend für die Hafenbetreiber sind vor allem zwei Faktoren. Geld und Kapazitäten. Die allermeisten Häfen sind nicht für solche Schäden versichert, die Prämien von bis zu fünfstelligen Beträgen im Jahr sind einfach zu teuer. Zumindest für die Kieler Häfen hat Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer Hilfen zugesagt. In welcher Höhe ist noch unklar. In Anbetracht von Schäden in Millionenhöhe ist es nicht undenkbar, dass auch auf Liegeplatzinhaber, die keinen Schaden erlitten haben, Zusatzkosten in Form von Liegegelderhöhungen zukommen.

Wenig Fachleute

Doch selbst wenn die Finanzierung für eine Hafeninstandsetzung stehen sollte, sind die Kapazitäten bei geeigneten Hafenbaufirmen rar. Laut Statistischem Bundesamt gibt es in ganz Deutschland nur 115 Betriebe im Wasserbau mit rund 1850 Beschäftigten.

Normalerweise sind diese ohnehin bis zum Frühjahr ausgelastet. Und ob die nötigen Materialien, wie Schwimmstege etwa, schnell genug geliefert werden können, ist auch eine offene Frage. Zumal ja nicht nur Stege, sondern teils die komplette Energie und Wasserversorgung ersetzt werden muss.

Instandsetzung oder Neubau?

Zudem wird vielfach gefordert, die nach Osten hin ungeschützten Häfen, die jetzt schwer betroffen waren, künftig besser zu schützen. Sturmfluten würden schließlich, da sind sich die Klimaexperten einig, an Intensität zunehmen. Welchen Sinn mache es dann, die zerstörten Häfen in den Urzustand zurückzuversetzen, nur damit bei der nächsten Sturmflut dasselbe passiert?

Sollen jedoch neue Befestigungs- oder Schutzanlagen angegangen oder Steganlagen umgeplant werden, bedeutete das zusätzliche Zeit und Kosten.

Was tun?

Liegeplatzinhabern in schwer betroffenen Häfen bleibt derzeit nur, am Geschehen zu bleiben, Prognosen abzuwarten und sich vielleicht nach einem neuen Saisonliegeplatz umzuhören. An die Streitigkeiten, die abzusehen sind, wenn der bezahlte Liegeplatz nicht zur Verfügung gestellt werden kann, weil es die entsprechende Steganlage nicht mehr oder noch nicht wieder gibt, mag man gar nicht denken.

Törnziele könnten wegfallen

Ein ganz anderer Aspekt könnte auch bisher völlig Unbetroffene zu Leidtragenden machen. Denn auch viele Häfen in Dänemark waren zum Teil schwer betroffen. Damit könnten einige Törnziele für die kommende Saison wegfallen, in anderen, ohnehin vollen Häfen würde es noch enger. Wobei dies aus derzeitiger Sicht wohl das kleinste der Probleme darstellt.

Viele offene Frage also, auf die erst die kommenden Wochen und Monate Antworten geben werden.


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