Schon zuvor hatte es immer wieder Streit darum gegeben, wer für das Ausbaggern der Fahrrinne vor dem Ostsee-Hafen zuständig war. Das Problem: Etwa 20 Meter vor der Hafeneinfahrt des Hafens liegt eine Sandbank, die regelmäßig freigebaggert werden muss. 2022 einigte man sich darauf, Lippe als Nothafen zu deklarieren. Demnach sollten die Kosten von rund 60.000€ für das Ausbaggern durch das Land Schleswig-Holstein getragen werden.
Die Angelegenheit wurde allerdings zur Hängepartie: Im Innenministerium Schleswig-Holsteins verschoben sich die Verantwortlichkeiten, künftig sollte nicht mehr das Referat Katastrophenschutz, sondern das Referat Feuerwehrwesen verantwortlich sein. Aber auch diese Hürde wurde überwunden, sodass der Hafen weiter betrieben werden können sollte.
Im Dezember 2024 dann der Schock für die Liegeplatzinhaber: Nach dem das Problem der Finanzierung des Ausbaggern gelöst schien, kündigte die Verwaltung des Guts Waldersee ihnen zum März diesen Jahres. Als Grund nannte der Besitzer des Hafens, Graf Franz von Waldersee, dass die Konstruktion der Holzmohle an der Hafeneinfahrt so stark von der Bohrmuschel „Teredo Navalis“ befallen sei, dass diese einsturzgefährdet und ein sicherer Betrieb des Hafens nicht mehr möglich sei. Die Verwaltung des Guts bestätigte gegenüber BOOTE, dass der Hafen in diesem Frühling nicht mehr eröffnet werde.
„Ich kann mir das mit der Bohrmuschel beim besten Willen nicht vorstellen“, meint Andreas Medelin. Der erste Vorsitzende des im Hafen zwischen Kiel und Fehmarn ansässigen Vereins „Segelklub Lippe/Ostsee“ geht davon aus, dass die Bohrmuschel eine neue Erfindung des Grafens sei, um sie loszuwerden. Hintergrund ist ein Gerichtsstreit zwischen der Gutsverwaltung und dem Segelverein.
„Mein Stand vom Sonntagmorgen ist, dass noch mindestens 50% der Schiffe, die im Winterlager vom Hafen gestanden haben, noch auf dem Gelände sind“, so Alexander Medelin, „das sind ungefähr 40, 50 Schiffe, die da mit Sicherheit noch liegen“. Wie es mit diesen weitergehen soll, ist bislang unklar. Eigentlich wollte Graf von Waldersee das Grundstück bis zum 31. März von den Bootsbesitzern geräumt wissen. „Viele haben aber das Problem, dass sie die Schiffe schlicht nicht wegbekommen“, erklärt Medelin. Ihm zufolge würde ein erheblicher Anteil auf Hafentrailern lagern, die nicht zum Straßenverkehr zugelassen sind. „Das sind irgendwelche zusammengeschusterten LKW-Anhänger. Die sind wirklich nur für den Hafenbetrieb geeignet, um zehn Meter zur Slipanlage und wieder zurück zu fahren“, ergänzt der Vorsitzende des Vereins.
Medelin selbst wurde bereits vor Jahren der Liegeplatz ohne Angabe von Gründen gekündigt. „Ich glaube das ist eine Strategie, den Vorsitzenden vor mir hat er ebenfalls gekündigt. Er denkt wohl, er treffe die Mitglieder am ehesten, wenn er die Spitze des Eisbergs ankratzt“, berichtet er. Medelin hat sein Boot mittlerweile in der Marina Wendtorf liegen, will aber trotzdem weiter für „seine“ Mitglieder da sein. Er sagt: „Mir ist es egal, ich bin jetzt in Wendtorf mit meinem Schiff, bleibe aber erster Vorsitzender und unsere Veranstaltungsräume bleiben auch an der Lippe.“ Das eine habe ja mit dem anderen nichts zu tun, meint er, nur weil sein Boot nicht mehr an der Lippe läge, könne er ja trotzdem weiter als erster Vorsitzender des Segelvereins fungieren. Der Verein betreibt derweil noch Räumlichkeiten im sonst nahezu verlassenen Hafen.
„Wir als Yachtclub haben vom Grafen bislang keine Kündigung erhalten, er kann uns auch nicht mal eben so kündigen“, kommentiert Medelin. Ihm zufolge haben die Eltern von Franz Graf von Waldersee, genauer sein Vater, per Handschlag mit dem Segelverein einen Vertrag geschlossen. „Ein alter Schleswig-Holsteinischer Handschlagsvertrag ist nach 30 Jahren kündbar, danach läuft er unbefristet weiter“, so Medelin. Eben dieser Handschlagvertrag ist auch Bestandteil eines Gerichtsverfahrens, in dem der Graf versucht, gegen den Segelverein vorzugehen. Nachdem anfangs eine gute Stimmung zwischen dem Grafen und den Seglern geherrscht und Franz von Waldersee sogar ihre Feierlichkeiten besucht haben soll, versuche er sie jetzt loszuwerden, so Andreas Medelin. Graf von Waldersee wollte auf unsere Fragen nicht antworten.
Die „Teredo Navalis“ war ursprünglich in tropischen und subtropischen Gewässern beheimatet. Sie wurde allerdings bereits im 18 Jahrhundert nach Europa eingeschleppt und hat sich seitdem in vielen Gewässern weltweit, einschließlich der Nord- und Ostsee, ausgebreitet. Der Seeschädling kann enorme Schäden an Holzstrukturen anrichten, da er sich von Holz ernährt und dabei Tunnel von etwa einem Zentimeter Durchmesser und bis zu 60 Zentimetern Länge bohrt. Aus diesem Grund werden die Bohrmuscheln auch „Termiten der Meere“ genannt.