Morten Strauch
· 18.04.2023
Die Seychellen sind berühmt für Traumstrände und maritime Lebensvielfalt. Mit einem Charter-Katamaran gingen wir auf Entdeckerkurs
Vor rund 500 Jahren ließ die portugiesische Seefahrer-Legende Vasco da Gama seinen Anker in der noch unbesiedelten Inselwelt im heutigen Staatsgebiet der Seychellen fallen. Mehr als 100 Korallen- und Granitinseln, die bis zu 900 Meter aus den Weiten des Indischen Ozeans ragen, gehören zu dem Archipel – ein Traum für die Schiffsbesatzungen der damaligen Zeit, die Monate der Entbehrung hinter sich hatten: Frischwasser, Kokosnüsse, Vögel und Schildkröten waren im Überfluss vorhanden. Zustände wie im Garten Eden, an denen sich glücklicherweise bis heute nicht allzuviel geändert hat – und die auch uns magisch angezogen haben. Nur, dass man inzwischen nicht mehr um die halbe Welt segeln muss, um das Paradies zu sehen. Man schwebt stattdessen mit dem Linienflieger ein, um erst vor Ort auf den eigenen Kiel umzusteigen. Genau genommen sind es sogar zwei Kiele – denn uns erwartet ein Powerkatamaran der Charterflotte von „The Moorings“. Eine ganze Woche liegt jetzt vor uns!
ERSTER TAG: Mit dem Taxi fahren wir nach der Landung direkt vom Flughafen nach Eden Island, einer künstlich aufgeschütteten Insel, die zwischen der Hauptstadt Victoria und dem internationalen Airport im Nordosten der Hauptinsel Mahé liegt. Neben attraktiven Luxusappartements und Anlegemöglichkeiten für Megayachten befindet sich hier auch eine Marina mit der Charterbasis von „The Moorings“. Kurze Zeit später werden wir und unser Gepäck auch schon mit einem Golfcart über den endlos scheinenden Steg zu unserem Boot gefahren.
„Wie viele seid ihr insgesamt?“ fragt uns der gut gelaunte Fahrer. „Nur wir zwei. Wieso?“ Sam lacht während wir zum Stehen kommen „Weil ihr ein Upgrade bekommen habt. Willkommen an Bord!“ Mit einem ungläubigen Grinsen verladen wir unsere Taschen auf den 51 Fuß langen Katamaran „Moxie“ und teilen die Rümpfe der für acht bis zehn Personen ausgelegten Yacht unter uns beiden auf. Nach der technischen und der nautischen Einweisung geht es zum Einkaufen im marinaeigenen Shoppingcenter. Da es schon um 18 Uhr dunkel wird und ab dann ein striktes Fahrverbot für die Charterboote gilt, beschließen wir heute nicht mehr auszulaufen und lassen den Abend mit einem Glas Takamaka-Rum auf der Flybridge ausklingen, während Dutzende von Flughunden mit schlagenden Schwingen kreuz und quer über den Himmel gleiten.
ZWEITER TAG: Um 08.45 Uhr springen die Maschinen an. Leinen los, unser Tropentörn kann beginnen! Durch die betonnte Ausfahrt verlassen wir Eden Island und nehmen einen nördlichen Kurs auf den „Sainte Anne Marine National Park“, eine kleine Inselgruppe, die der Hauptstadt Victoria vorgelagert ist. Hier begannen die Franzosen ab dem Jahr 1770 mit der Besiedelung der abgeschiedenen Inseln im Indischen Ozean, vornehmlich mit Sklaven aus Afrika, die fortan die Basis der kreolischen Mischkultur bildeten. Nach ersten Schnorchelgängen um das Boot lichten wir wieder den Anker und tasten uns vorsichtig in den flachen Sainte Anne Channel vor, und wiederholen das Ankermanöver schließlich vor Moyenne Island, gut geschützt vor Schwell und Monsunwinden.
Der größte Teil der Insel ist felsig und dicht bewachsen, sodass ich halb um sie herum wate, um sie zu erkunden, beäugt von unzähligen Krabben, die im ständigen Fluchtmodus flink über die Felsen kraxeln. An Land gibt es einen angelegten Rundweg, vorbei an Riesenschildkröten, knallroten Singvögeln und historischen Freibeutergräbern. Angeblich liegt hier auch ein Schatz vergraben, von Geistern gut behütet. Als es dunkel wird, sieht man die Lichter Victorias im Westen unter dem Sternenhimmel. Um uns herum springen die Fische, während in sicherer Entfernung die Brandung donnert. Wir sind angekommen im Paradies!
DRITTER TAG: Unser heutiges Etappenziel ist die Insel Curieuse, also genießen wir ein paar Stunden bei gemütlicher Marschfahrt von neun Knoten die Weite des Indischen Ozeans. Fliegende Fische kreuzen unseren Doppelbug, hier und da dümpelt ein Weißschwanz-Tropikvogel, und der Autopilot erweist sich mehr als nützlich.
Nach dem Passieren der Inseln Cousine und Cousin umfahren wir den Westen der zweitgrößten Insel Praslin und nehmen Kurs auf die tiefe Laraie Baie im Osten von Curieuse Island, wo wir unseren Anker fallen lassen.
Abgeschliffene Felsen flankieren einen Strand, auf dem mit dem Fernglas tatsächlich zwei Riesenschildkröten auszumachen sind. Voller Enthusiasmus springe ich mit wasserdichtem Fotorucksack ins Wasser und schwimme hinüber, ein Rendezvous mit diesen urtümlichen Tieren kann ich mir nicht entgehen lassen. Während die eine völlig teilnahmslos im Schatten döst, stillt die andere Schildkröte ihren Hunger eifrig mit Blättern. In vergangenen Tagen wurden die gutmütigen Tiere gerne als „lebende Konserven“ auf langen Seereisen mitgenommen, heute genießen sie glücklicherweise Artenschutz.
Beim Schnorcheln zeigen sich Rochen, kleine Riffhaie und unzählige bunte Fische. Schade nur, dass eine riesige Wolke den Glanz aus dem Wasser nimmt und die Farbenpracht etwas verblassen lässt. Anders als mein Rücken, der abends trotz viel Sonnencreme in purpurnem Rot erstrahlt.
VIERTER TAG: Bettflucht um 05.30 Uhr, die mit einem grandiosen Sonnenaufgang belohnt wird. Nach Kaffee und einem Toast geht es zur winzigen Île St. Pierre, dem Werbesinnbild der Seychellen: von Palmen überdachte Granitfelsen, umgeben von seichtem türkisgrünem Wasser. Die Insel wird ihrem Ruf vollends gerecht. Weiter zur nächsten Insel La Digue, wo „Moxie“ sich ans hintere Ende einiger bereits ankernder Schiffe legt. Wie auf zwei nebeneinander liegenden Perlenschnüren aufgezogen, schwojen so bald mehr als ein Dutzend Boote vor der Hafeneinfahrt von La Passe. Mit dem Dingi hätten wir fast die nicht betonnte Einfahrt genommen, die mit ihren Unterwasserfelsen garantiert den Propeller gekostet hätte. Auf La Digue scheint das „Rad der Zeit“ zwei Räder zu bedeuten: Einheimische wie Touristen fahren Fahrrad, und sei der Weg noch so kurz. Von hier ist es nicht weit zu den herausragenden Stränden Anse d’Argent im Süden, wie zum ebenso pittoresken Cap Barbi im Norden der Stadt.
Am Abend finden wir ein Restaurant mit Blick auf das rege Treiben am Hafen. Wir bestellen Oktopus-Curry, dessen scharfe Note sich perfekt mit dem lokalen Bier „Seybrews“ runterspülen lässt. Rückfahrt durch die Allee ankernder Schiffe, gut dass wir zur besseren Orientierung das Licht auf unserem Katamaran angelassen haben.
Mitten in der Nacht reißt uns der Monsun mit Starkregen und heftigen Windböen aus dem Schlaf. Nachdem erst nur ein paar Gegenstände durch das Cockpit geflogen sind, ergießt sich plötzlich ein Schwall Wasser durch eine nicht richtig geschlossene Decksluke mitten auf die Koje, auf der mein Laptop liegt. Kurz darauf schweigt die Natur wieder – und mein Computer wohl für immer.
FÜNFTER TAG: Vorbei an Ave Maria Rock steuert Bernd die „Moxie“ mit Kurs Nordost nach Coco Island, während ich Matratze, Bettwäsche und Laptop zum Trocknen in die Sonne lege. Hier, ganz im Osten der inneren Seychellen soll es eines der besten Schnorchel-Hotspots geben. Und tatsächlich tummelt sich hier einiges was Rang und Farben hat, wobei sich meine große Hoffnung, einer Meeresschildkröte unter Wasser zu begegnen, leider nicht erfüllt.
Gegen Mittag zieht es den Anker wieder nach oben, wir wollen an die Nordküste von Praslin, genauer gesagt zum Anse Lazio, einem weiteren Bilderbuchstrand. Unterwegs passieren wir die Untiefen von Roche Bouquet und Praslins Südspitze, den Pointe Cocos, bevor unser Powercat die Westküste der Insel hochfährt, immer im sicheren Abstand zu den Korallenriffen. Am Nachmittag erreichen wir die Baie Chevalier im Norden und ankern schließlich vor traumhafter Kulisse vor dem Anse Lazio. Während Skipper Bernd gleich wieder in die Flossen schlüpft, mache ich mich mit dem Dingi zum Strand auf. Zwei junge Französinnen posieren auf dem weißen Sand für Instagram. Dazu Palmen, türkises Wasser und Granitfelsen... Am Abend checken wir den Verschlusszustand aller Luken und Fenster doppelt. Der nächste Monsunüberfall kann kommen.
SECHSTER TAG: Um 06.00 Uhr springen unsere Maschinen an, ein längerer Schlag über das offene Meer mit dem Ziel Silhouette, steht an. Die Insel gilt als unerschlossen und genießt besonderen Schutz als Naturreservat. Auf halber Strecke erwischt uns ein kleiner Regenschauer, während die Böen jedoch an uns vorbeiziehen.
Der Anker fällt nach insgesamt vier Stunden Fahrt vor dem Anse Lascars. An Land führt ein Weg durch dichten tropischen Urwald, und es ist so heiß, dass ich schon nach kürzester Zeit bereue nicht mehr Wasser mitgenommen zu haben. Überall raschelt es im Unterholz, während aus den Baumwipfeln exotische Vogellaute zu vernehmen sind. Das Rauschen der Brandung ist ständiger Begleiter, auch wenn das Meer nicht zu sehen ist. Unten am wilden Strand, der mit scharfen Felsen und grobkörnigem Sand, im angenehmen Kontrast zu all den Bilderbuchstränden steht, tragen Einsiedlerkrebse ihre Schneckenhäuser spazieren. Zurück im Dickicht läuft Wasser einen Fels herunter, ein Freudenfest für jeden durstigen Schiffbrüchigen!
SIEBTER TAG: Der letzte Tag auf See führt uns zur Île Thérèse, in Sichtweite der Nordwestküste Mahés. Hier passen wieder alle so schönen Südsee-Klischees mit über den Strand hängenden Palmen, Korallenstücke im feinen weißen Sand und Wasser in seinen schönsten Farben. Noch einmal mit dem Schnorchel in die warmen Fluten, bevor es zum finalen Schlag zurück nach Eden Island geht. Nachdem Victoria Port Control über unser Einlaufen informiert ist, legen wir 20 Minuten später wieder sicher am Steg von der Charterbasis an. Ein strahlender Mitarbeiter von „The Moorings“ fragt, wie es uns gefallen hat, unsere ebenso strahlenden Gesichter sprechen für sich: Das war einer der schönsten Törns, die wir jemals erlebt haben!
Nach dem Checkout fahren wir noch gemeinsam zum Tanken ins Industriegebet: rund 630 Euro für zwei Maschinen und insgesamt zehn angesteuerte Inseln. Das passt! Da unser Rückflug erst am späten Abend terminiert ist, parken wir unsere Koffer in der Marina und statten Victoria noch einen Besuch mit dem Taxi ab. Obwohl sie mit 30 000 Einwohnern eine der kleinsten Hauptstädte weltweit ist, steht sie im markanten Kontrast zu unseren bisherigen Eindrücken. Der „Sir Selwyn Selwyn-Clarke Market“ ist mit seinem regen Treiben unbedingt einen Besuch wert. Neben Fisch, Obst und Gewürzen gibt es auch bunte Kleidung und andere Mitbringsel zu erwerben.
Vier Stunden später steigen wir in den nächtlichen Himmel auf und sehen noch einmal die Lichter Victorias, bevor der Flieger in der völligen Dunkelheit über dem Indischen Ozean eintaucht. Mit uns nehmen wir all die sonnig-warmen Eindrücke eines traumhaft schönen Motorboot-Reviers, welches uns mit seinen Naturschätzen und der Herzlichkeit der Menschen mehr als begeistert hat.
Charter: Der Vercharterer „The Moorings“ bietet an seiner Basis in der Eden Island Marina auf der Hauptinsel Mahé Powerkatamarane der Typen 434 PC und 514 PC an. Der von uns gefahrene Moorings 514 PC verfügt über vier komfortable Doppelkabinen mit jeweils eigenem Bad (Dusche, WC). Salon und Cockpit bieten sehr viel Platz für das gesellige Miteinander und auch die Pantry ist großzügig ausgestattet. Für Kühlung sorgen Klimaanlagen in allen Bereichen sowie Kühlschränke auf der Flybridge und im Salon. Das urlaubsklar ausgerüstete Schiff kostet zwischen 7875 und 13 405 Euro für 7 Tage. Die Buchungsdauer ist nicht an komplette Wochen gebunden, sondern kann individuell belegt werden. Die Kaution beträgt 4350 Euro; Diesel wird nach Verbrauch abgerechnet. Kontakt: The Moorings, c/o Mariner Travel GmbH, Theodor-Heuss-Str. 53-63, Eingang B, D-61118 Bad Vilbel, Tel. 06101-55 79 15 30. www.moorings.de
Revier: Die über 100 Inseln, die zusammen die Republik der Seychellen bilden, liegen etwa 1000 Seemeilen vor der afrikanischen Ostküste im Indischen Ozean. Die Yachtcharter konzentriert sich auf die Inner Islands, die alle dicht beisammen liegen und somit einfach zu erreichen sind. Die Temperaturen liegen das ganze Jahr über stabil zwischen 28–30 Grad. Der meiste Niederschlag fällt zwischen November und März, meist sind es aber nur kurze heftige Schauer. Auf einigen Inseln, die unter Naturschutz stehen, wird eine Gebühr erhoben, die in der Regel auf dem Wasser abkassiert wird. Die Sicherheit vor Ort ist hoch, nur an vereinzelten Orten sollte man die Yacht verschließen und Wertgegenstände nicht offen zur Schau legen. Nennenswerte Marinas gibt es kaum, dafür unzählige Ankerbuchten mit meist gutem Ankergrund und vereinzelt Mooringbojen. Da die Sonne immer zwischen 18:00–18:30 Uhr untergeht, und ein striktes Nachtfahrverbot für Charterboote gilt, lohnt sich das frühe Aufstehen nicht nur wegen der prächtigen Sonnenaufgänge.