Aufregender ArbeitstagAuf Streife mit der Wasserschutzpolizei

Nils Leiterholt

 · 30.07.2025

Enno Cassens und sein Kollege Lars Cziszkus sind regelmäßig mit ihrem Streifenboot „Seestern“ auf der Flensburger Förde im Einsatz unterwegs.
Foto: Nils Leiterholt
Enno Cassens und seine Kollegen bei der Flensburger Wasserschutzpolizei sorgen für die Sicherheit in ihrem Revier. BOOTE hat sie an einem Tag begleitet.

“Ihr Schein ist nicht gültig!“ Die Stimme von Enno Cassens füllt den Salon der Charteryacht „Thetis“ bis in den letzten Winkel. Der Wasserschützer erntet ungläubige und leicht verzweifelte Blicke von deren Crew – Familie Gsteu aus Regensburg traut ihren Ohren kaum, und Mutter Gsteu sucht nach etwas, woran sie sich festhalten kann. Nach kurzem Hin und Her fragt Kommissar Cassens schmunzelnd, ob ihr Sohnemann seinen SRC-Funkschein (Short Range Certificate) nicht unterschreiben und damit gültig machen wolle. Erleichterung macht sich breit und zurückhaltendes Lachen der Beteiligten wird hörbar, als sie den Schreck endlich verdaut haben.

Wir befinden uns auf der Flensburger Förde, dem Revier von Enno Cassens und seinen Kollegen von der Wasserschutzpolizei. Sie verrichten hier täglich ihren Dienst und kennen sich aus wie kaum jemand sonst in dieser Gegend. Tag und Nacht sind die Polizisten hier unterwegs, um zu gewährleisten, dass sich alle auf dem Wasser an die geltenden Vorschriften halten, damit alle sicher unterwegs sein können.

Auf Patrouille mit der “Seestern”


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Heute findet der Einsatz mit der „Seestern“ statt, einem Motorboot der Firma Hatecke. Es hat zwei 900 PS starke Volvo-Motoren mit Jetstrahl-Antrieb. Der beschleunigt das knapp 12 Meter lange Boot auf bis zu 45 Knoten. Bei Probefahrten soll das Behördenfahrzeug sogar schon über 50 Knoten schnell gewesen sein.

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Am Steuer des Bootes, mit dem die Beamten routinemäßig auf der Förde patrouillieren, sitzt Polizeihauptmeister Lars Cziszkus. Spielend beschleunigt der 54-Jährige das Festrumpfschlauchboot auf 40 Knoten Geschwindigkeit. Der mitfedernde Sitz, von dem aus Cziszkus die „Seestern“ dirigiert, ist mit einem Vierpunktgurt ausgestattet. „Wir könnten theoretisch innerhalb einer Bootslänge von 45 Knoten auf null abbremsen und zum Stehen kommen“, so Cassens. „Man kann sich ja vorstellen, was dann für Kräfte herrschen.“ Das abrupte Aufstoppen des Bootes ist möglich, indem der Jet-Antrieb umgekehrt wird. „Im regulären Dienstalltag kommt das normalerweise aber nicht zur Anwendung“, so Cziszkus.

Bei der Kontrolle der Bavaria 46 „Thetis“ mit Heimathafen Breege findet Cassens keine Auffälligkeiten. Rettungswesten, Rettungsinsel und Schiffspapiere: Alles ist auf dem aktuellen Wartungsstand. Nach gut 15 Minuten und einem Erinnerungsfoto für Familie Gsteu verlässt er das Charterschiff wieder – als Andenken an ihre erste Kontrolle durch die Wasserschutzpolizei nehmen es die Urlauber mit den beiden Wasserschutzpolizisten auf.

Viele Wege führen zur Wasserschutzpolizei

Enno Cassens ist selber eingefleischter Segler. In seiner Freizeit bewegt der 57-Jährige einen Dragonfly 32. Den Trimaran nutzt er gemeinsam mit seiner Frau vor allem als Fahrtenschiff. Im Sommer führen ihre Touren sie über die ganze Ostsee. Sein Heimathafen ist Fahrensodde und dort die Segler-Vereinigung Flensburg, deren Schriftwart Cassens heute ist. Zuvor hatte er sich schon viele Jahre lang in der Jugendausbildung seines Vereins engagiert.

Wenn sich Lars Cziszkus umdreht, während er die „Seestern“ steuert, blickt er zwischen der Sitzreihe hinter ihm hindurch auf eine schwarze Aufbauwand. Aus diesem Grund sind die Hatecke-Motorboote mit einer Rückfahrkamera ausgestattet, die permanent auf ein Display am Steuerstand überträgt, was hinter dem Boot geschieht. So kann Cziszkus das Geschehen achteraus genau verfolgen.

In ihrer Station an Land hält derweil der 33-jährige Oberkommissar Justus Manthey die Stellung. Manthey gehört zu einer neuen Generation bei der Wasserschutzpolizei (WSP). Er wusste schon lange vor der Ausbildung, dass er einmal dort arbeiten wollte. „Ich komme aus NRW, und für mich war schon früh klar, dass ich auf dem Wasser für Sicherheit sorgen möchte“, so der gebürtige Herforder. Erst kürzlich wurde er befördert und zum stellvertretenden Stationsleiter ernannt. Als Wasserschutzpolizist auf dem Rhein oder anderen Binnengewässern im Einsatz zu sein war für Manthey aber keine Option: „Ich wollte unbedingt Wasserschutzpolizist auf See werden. Etwas anderes kam für mich nicht wirklich infrage.“ Weil die Wartefrist nach einer Augenoperation in Schleswig-Holstein kürzer war als bei der Bundespolizei, entschied er sich für diesen Karriereweg.

Zur Ausbildung ein Segellehrgang und Zusatzqualifikationen

Manthey genießt vor allem den freundlichen Umgang auf See: „Auf dem Wasser haben wir es natürlich mit einer anderen Klientel zu tun. Da grüßt man uns noch“, sagt er mit Blick auf seine Ausbildung, während der er auch auf Polizeiwachen an Land seinen Dienst verrichtete, wo der Ton rauer war.

Enno Cassens ist seit 1994 bei der Polizei. Zuvor machte er eine Ausbildung als Schiffsmechaniker und fuhr in dieser Zeit zur See. „Ich weiß noch, dass meine Mutter mich damals unter Tränen in den Hamburger Freihafen gefahren hat“, erinnert sich Cassens. Danach war der heutige Kommissar vier Jahre lang bei der Bundeswehr und legte sein Fachabitur ab, bevor er sich „zum Spaß“ bei der Polizei bewarb. Aus diesem Spaß wurde dann Ernst. „Aufgrund meiner Ausbildung fragte man mich, ob ich nicht zur Wasserschutz wollte. Da habe ich gesagt: ‚Klar, das mache ich.‘ Gelernte Schiffsmechaniker waren bei der Wasserschutz natürlich gerne gesehen“, blickt Cassens zurück auf seine Anfänge bei der schleswig-holsteinischen Landespolizei.

Zur Ausbildung gehörte auch ein 14-tägiger Segellehrgang. Die wichtigsten nautischen Kenntnisse erwarb der angehende Wasserschutzpolizist in einem Zusatzlehrgang in Hamburg. Dort bekam er unter anderem eine Funkausbildung, lernte Radarkunde und was auf See im Hinblick auf den Polizeidienst sonst noch wichtig ist.

Enno Cassens ist gebürtiger Flensburger, seine Mutter war Lehrerin, sein Vater Soldat. Jemand, der noch nie aus seiner Heimatstadt herausgekommen ist, ist er aber keineswegs. „In den Jahren, als ich noch zur See gefahren bin, da habe ich die Welt gesehen“, denkt er zurück. Deshalb würden ihn heute große Kreuzfahrten, beispielsweise nach Südamerika, nicht wirklich reizen. „Ich glaube, da sind wir Segler einfach verwöhnt, dass wir so unabhängig und frei von allen sind“, so Cassens.

Eigensicherung geht vor

Wenn die Wasserschutzpolizei losfährt, um Segelyachten zu kontrollieren, sind sie immer mindestens zu zweit unterwegs. Denn auch wenn die zu kontrollierende Klientel fast immer noch eine freundlichere ist als an Land, können sie nie wissen, was sie auf den Schiffen erwartet. Bei ihren Einsätzen auf dem Wasser tragen die Polizisten, wie ihre Kollegen an Land auch, ihre Schutzwesten und Dienstwaffen. Zum Übersteigen und auf dem Schlauchboot schützen Cassens und seine Kollegen zudem immer ihre automatischen Rettungswesten.

„Auch auf dem Wasser geht unsere Eigensicherung natürlich vor“, so Justus Manthey. Er schätzt an der Arbeit bei derWasserschutzpolizei auch, dass sie hier noch selber ermitteln dürfen. „Während die Polizisten in anderen Dienststellen die Fälle in einem gewissen Moment an einen Ermittlungsdienst abgeben, führen wir alle nötigen Untersuchungen des jeweiligen Falls selber durch“, so Manthey.

Nach der Kontrolle von Familie Gsteu legen sich die Wasserschutzpolizisten auf der „Seestern“ wieder auf die Lauer. Mit dem Fernglas halten sie Ausschau nach potenziellen neuen Zielen ihrer Kontrolle. Im Visier haben sie jetzt eine privat genutzte Hanse. Doch als Cassens klar wird, um welches Schiff es sich handelt, bittet er seinen Kollegen, abzudrehen. „Auf dem Schiff bin ich vor ein paar Wochen erst gewesen“, sagt der Experte für Segelyachten unter den Flensburger Wasserschutzpolizisten.

„Enno hat, weil er sich auch in seiner Freizeit mit der Segelei auseinandersetzt, ein außerordentliches Wissen, wovon die WSP an sich, aber auch wir Kollegen natürlich profitieren“, sagt sein junger Vorgesetzter, der stellvertretende Stationsleiter Justus Manthey.

Wasserschutzpolizei auch bei Nacht unterwegs

Das nächste Schiff, dessen Skipper von Cassens gebeten wird, am Polizeiboot längsseits zu kommen, ist eine Bavaria 37. Die Besatzung der „Uschi“ ist unterwegs zum Charterstützpunkt, wo sie das Boot wieder abgeben möchte. „Wir haben an Bord eine goldene Hochzeit gefeiert“, erzählt der Skipper von seiner Reise. Und auch an Bord dieses Boots findet Cassens an den Papieren keinerlei Auffälligkeiten.

Auf die Frage, ob er das Dasein als Wasserschutzpolizist in seiner Freizeit gänzlich ablegen kann, antwortet Enno Cassens mit nachdenklichem Unterton: „Es hat tatsächlich seine Zeit gedauert, bis meine Segelfreunde akzeptiert haben, dass sie mir gewisse Geschichten auch trotz meines Berufes erzählen können.“ Er habe seinen Segelkameraden allerdings stets klargemacht, dass er, wenn Alkohol im Spiel sei oder Öl verschüttet werde, „keine Verwandten kenne“, so Cassens.

Wenn die Situation es erfordert, rückt die Wasserschutzpolizei bei Wochenenddiensten wie diesem auch in der Nacht mit ihrem Boot aus. Aber auch ohne einen nächtlichen Einsatz sammeln sie an solchen Wochenenden, an denen sie Dienst haben, zahlreiche Überstunden. „Heute am Freitag machen wir zum Beispiel Dienst von 11 bis 21 Uhr und gehen danach bis morgen um 10 Uhr von zu Hause aus in Rufbereitschaft. Dann kommen wir wieder aufs Revier und machen bis 22 Uhr Dienst, es sei denn, dass wir nachts im Einsatz gewesen sind. Sonntag sind wir wieder bis 10 Uhr in Rufbereitschaft, bis 22 Uhr im Dienst und ab dann bis Montag Morgen wieder in Bereitschaft“, erklärt Cassens.

Wochenendbereitschaft im Wechsel mit Kollegen aus Kappeln

Die Beamten verbringen an einem Bereitschaftswochenende also allein in der Zeit von Freitag bis Sonntag mindestens 34 Stunden auf dem Revier oder dem Wasser. Ein kurzer Arbeitsweg ist da von Vorteil. Enno Cassens wohnt glücklicherweise unweit des Reviers. Mit dem Fahrrad braucht er nur sechs bis sieben Minuten dorthin.

Wenn Enno Cassens und seine Kollegen rausfahren, um Segelyachten zu kontrollieren, nehmen sie für gewöhnlich ihr Schlauchboot. Das mit einem 150 PS starken Motor ausgestattete Schiff ist heute allerdings auf der Kieler Woche im Einsatz. Ihre Wochenendbereitschaften teilen sich die Flensburger Wasserschutzpolizisten mit den Kollegen in Kappeln auf. „Deshalb kann es uns um diese Tageszeit bis nach Schleswig verschlagen, denn wir sind gerade für die komplette Schlei mitverantwortlich“, so Cassens, „und natürlich für die ganze Flensburger Förde bis draußen nach Gelting.“

Den Bürodienst verrichtet die Wasserschutzpolizei in ihrer Station. Die der Flensburger Wasserschutzpolizei liegt auf der Westseite der Hafenspitze an der Schiffbrücke, direkt am Rand der Innenstadt. Um zu ihrem Polizeischiff zu gelangen, müssen sie lediglich einmal die Straße überqueren. Dort befindet sich dann der Liegeplatz, wo das Motorboot von Hatecke dauerhaft im Wasser liegt.

Nach dem Ablegen geht es routinemäßig auf einer Runde durch das gesamte Hafenbecken. Viele Eigner der an den zahlreichen Stegen liegenden Sportboote sind mit den Polizisten gut bekannt. Viele von ihnen winken den patrouillierenden Beamten zu. Es scheint, als freuten sie sich über die Anwesenheit der Wasserschutzpolizisten auf ihrem Motorboot.

Wasserschutzpolizei will Präsenz zeigen

Für Cassens und Cziszkus geht es bei den Fahrten über die Flensburger Förde vor allem auch genau darum: dass sie von den Sportbootfahrern gesehen werden. Denn dadurch vermitteln sie einerseits ein Gefühl der Sicherheit, zum anderen erfüllen sie aber auch eine Warnfunktion, weil ihre Sichtbarkeit daran erinnert, sich an die geltenden Regeln zu halten.

Auch die Vorbereitung auf den Einsatz ist für die Männer Routine. Sich mit Sonnenschutz einzucremen gehört ebenso dazu wie Proviant und vor allem reichlich Wasser im Gepäck. Ihre Sonnenbrillen, die sie selbst dann nicht absetzen, wenn sie ein fremdes Schiff zur Kontrolle betreten, sollen ihre Augen vor der UV-Strahlung schützen. Eine Notwendigkeit bei so viel Zeit auf dem Wasser.

Unterwegs beobachten die Wasserschutzpolizisten zwei auffallend grüne Kajaks. „Die gehören zu dem Projekt #GreenKayak. Das funktioniert so, dass sich die Nutzer kostenlos Kajaks ausleihen können“, erklärt Cassens. Und sein Kollege Cziszkus ergänzt: „Sie sind als Gegenleistung aber dazu angehalten, Müll aus dem Wasser zu fischen, wenn sie unterwegs welchen sehen.“ Unterstützt wird das Projekt von den Stadtwerken und dem technischen Betriebszentrum Flensburg.

Leider haben es die Wasserschutzpolizisten, wie in allen anderen „Blaulicht-Berufen“, auch immer wieder mit Notrufen zu tun, bei denen sie nicht die richtigen Ansprechpartner sind. Auch nach der Streifenfahrt über die Flensburger Förde klingelt das Telefon in der Wasserschutzpolizei-Station. Es ist Freitag Abend, 17:30 Uhr. „Cassens, Wasserschutzpolizei Flensburg, was kann ich für Sie tun?“, meldet sich der Kommissar. Der Anrufer meldet den Wasserschutzpolizisten eine Möwe an der Sonwik, die augenscheinlich einen gebrochenen Flügel hat. „Da kann ich Ihnen leider auch nicht weiterhelfen“, sagt Cassens dem Anrufer knapp und beendet das Gespräch.

Es ist seine letzte Amtshandlung für heute. Morgen ist er mit den Kollegen wieder im Einsatz. Dann werden sie weiter für Sicherheit sorgen und überwachen, dass sich Sportbootfahrer und Berufsseeleute auf dem Wasser an Recht und Gesetz halten und die Schiffe, insbesondere im Rahmen der sicherheitstechnischen Ausrüstung, alle den neusten Standards entsprechen. Denn es sollen ja alle wieder gesund von See nach Hause kommen.


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