Tobias Frauen
· 04.08.2022
„Trocknet jetzt der Bodensee aus?“, fragt die „Bild“-Zeitung, das ZDF berichtet von einem Pegel nahe dem Rekordtief: Der Bodensee macht derzeit Schlagzeilen. Was ist dran?
In Konstanz liegt der Pegel am 4. August laut Angaben der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg nur noch bei 3,20 Meter. Der bisherige Negativ-Rekord aus den Jahren 1949 und 1876 von 3,17 Meter laut dem ZDF wird nach den Prognosen der Behörde wahrscheinlich noch in dieser Woche unterschritten, denn größere Regenmengen sind nicht in Sicht.
Bereits jetzt sorgt der niedrige Wasserstand in vielen Häfen für Probleme. Vor allem am Untersee liegen zahlreiche Marinas bereits trocken. In den verbliebenen Häfen werden die Liegeplätze knapp, da viele Eigner ihre Boote in tiefere Bereiche umlegen möchten.
Der niedrige Wasserstand ist für den Bodensee grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, problematisch ist aber die Jahreszeit. Normalerweise ist der See im Sommer durch die Schneeschmelze und den Regen im Frühjahr gut gefüllt. Da zum einen im Winter wenig Schnee lag, zum anderen der Frühling verhältnismäßig trocken war, fehlt nun das Wasser.
Besonders dramatisch ist die Lage am Untersee, dem westlichen Teil des Bodensees zwischen Konstanz, Radolfzell und dem Abfluss des Rheins. Der Hafenmeister des Yachthafens Reichenau, Franz Egenhofer, berichtet: „Wir mussten bereits 50 Boote aus dem Wasser holen, vor allem die mit einem Tiefgang über 1,20 Meter. In ein bis zwei Wochen sind dann die mit mehr als einem Meter Tiefgang dran, die haben gerade noch eine Gnadenfrist.“ Dennoch finden in Reichenau derzeit auch immer wieder Motorboote aus den noch stärker betroffenen Häfen in Moos, Iznang oder Horn Unterschlupf. 20 Liegeplätze mussten aber bereits ganz stillgelegt werden.
Derzeit habe der Untersee einen um 58 Zentimeter niedrigeren Pegel als der Obersee, so Egenhofer. Eine der Ursachen sieht er in der Versandung des Seerheins, der den östlich gelegenen Obersee mit dem Untersee verbindet und ein Nadelöhr für den Wasserfluss bildet. Vor 20 Jahren habe der Unterschied nur 20 Zentimeter betragen. Und auch vor Ort in Reichenau macht ihm der Sand zu schaffen und sorgt für eine immer geringere Wassertiefe im Hafen. Gleichzeitig fließen über den Rheinfall beständig große Wassermengen ab, die dann im Untersee fehlen. „Der Untersee blutet aus“, so Egenhofer.
Besser sieht es derzeit noch an der Ultramarin Marina in Kressbronn am Obersee aus, dem größeren östlichen Teil des Bodensees. „Da wir eine ehemalige Kiesgrube sind, ist die Tiefe an den meisten Stellen noch unproblematisch“, so Patricia Reuthe, Assistenz der Geschäftsleitung. Nur an den Randplätzen in Landnähe werde es langsam kritisch. Viele Eigner aus anderen Häfen am Bodensee fragen derzeit an, die Marina ist jedoch momentan in der Urlaubszeit voll ausgelastet. Eine Entspannung ist erst in Sicht, wenn die Ferien enden.
Die kritischste Stelle in Kressbronn ist die Ein- und Ausfahrt des Hafens, hier ist die Wassertiefe in etwa identisch mit dem Pegel Konstanz. Und die Aussichten? „Wenn es einen verregneten September gibt, wie wir ihn schon häufiger hatten, dann entspannt sich die Lage. Aber ein kurzer Schauer alle zwei Tage wie im Moment reicht dafür nicht aus.“
Auch Hafenmeister Egenhofer hofft auf Regen. Derzeit könne man beinahe eine „Wattwanderung“ machen. Die Zukunft gehöre Jollen und anderen Booten mit wenig Tiefgang, zumindest im Untersee.