BodenseeRund um die romantische Reichenau

Boote Redaktion

 · 04.09.2025

Kurze Wege auf der Insel: Mit dem Bug auf den Kies und trockenen Fußes zum Sundowner.
Foto: Heinz Klausmann
​Sie ist die größte Insel im Bodensee und UNESCO-Weltkulturerbe. Vom Klima begünstigt gedeihen auf der „reichen Au“ Gemüsegärten und Rebhänge. Mit einer traditionellen Fischergondel geht es einmal rund um die berühmte Klosterinsel Reichenau im Untersee.

Text von Heinz Klausmann

​Zugegeben, es war schon etwas spät. Und es war natürlich eher ein Scherz, als beim Klassentreffen am Niederrhein die Sprache auf das Motorboot mit Hybridantrieb kam. Aber die Neugier war geweckt. Nun staunt der Gast auf der Insel Reichenau beim Anblick des Bootes auf dem Strand vorm Haus. Es ist keine Yacht im klassischen Sinn, die dort friedlich im Wasser liegt. Es ist eine traditionelle Fischergondel aus der Reichenauer Bootswerft Beck & Söhne. Sie verfügt neben dem tatkräftigen 25 PS starken Außenborder über zwei handfeste Ruderblätter aus massiver Fichte. „Dualer Antrieb 1.0“. Passend für ein Boot mit 5,75 Meter Länge und 1,50 Meter Breite.

Rundumblick auf der Reichenau

Die Umrundung der Insel steht auf dem Plan. Aber zunächst verschaffen wir uns einen Überblick. Von der Aussichtsterrasse auf der Hochwart, der höchsten Erhebung der Insel, überblickt man gut die unterschiedlichen Anteile des 62 Quadratkilometer großen, stark gegliederten Sees. Im Norden liegt der Gnadensee mit dem auch bei starken Winden aus West sehr gut geschützten Yachthafen Reichenau. Am nördlichen Seeufer erkennt man Allensbach mit seinen für den Untersee typischen Bojenfeldern.

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Richtung Nordwesten erstreckt sich der Zeller See bis hin nach Radolfzell, der drittgrößten Stadt am Bodensee. Die Halbinsel Mettnau trennt den Zeller See vom nördlich davon gelegenen Markelfinger Winkel, einem beschaulichen Naturschutzgebiet. In südwestlicher Richtung schaut man von der Hochwart auf den Rheinsee. Zwischen der hoch aufragenden Halbinsel Höri im Norden und dem südlich gelegenen Schweizer Ufer mit dem Seerücken im Hintergrund verjüngt er sich bis kurz vor Stein am Rhein. Von dort macht sich sein Wasser im Hochrhein auf den langen Weg Richtung Nordsee. Den Ausblick nach Süden auf den schweizerischen Kanton Thurgau mit den Orten Berlingen, Mannenbach und Ermatingen genießen wir von der Terrasse der Werkgalerie Hochwart. Seit 1833 überragt das als Teehaus und „Belvedere“ erbaute Gebäude die Anhöhe. Die Kunsthandwerkerin Juliane Epp serviert bei schönem Wetter ihren Gästen neben Tee und Kaffee selbst gebackenen Kuchen. Ein Ort zum Verweilen.

Blick von der Hochwart auf den Untersee.Foto: Heinz KlausmannBlick von der Hochwart auf den Untersee.

Inselwein vom Feinsten

Nach Osten reicht der Blick über ausgedehnte Weinberge bis zum Naturschutzgebiet Wollmatinger Ried. In der Ferne erkennt man mit bloßem Auge gerade noch Gottlieben. Der erste Ort am Untersee liegt an der Grenze zum Seerhein. Durch diesen vier Kilometer langen flussartigen Seeteil presst der fast achtmal größere Obersee ab Konstanz sein Nass, bevor es sich in den wesentlich flacheren Untersee ergießt. Gute Idee, auf dem Rückweg von der Hochwart im Weingut Moser am Südufer die neuen Rebsorten Solaris und Muscaris zu verkosten. Der junge Winzer strebt mit einem nachhaltigen Anbau dieser pilzresistenten Rebsorten eine optimale Anpassung an die lokalen Klima- und Bodenbedingungen an. Die Resultate überzeugen.

Zum Glück ist das Wasser auf normalem Niveau. Im Juni 2024 waren bei Ständen von 505 Zentimetern am Pegel Konstanz Feuerwehren und Katastrophenschutz im Dauereinsatz. In der Schweiz standen Teile der seenahen Ortschaften unter Wasser. Auf der Insel Reichenau waren Abschnitte des Uferwegs gesperrt. Am Sportboothafen Herrenbrücke am Nordufer der Insel schaute der See über seine Ränder. Holzkonstruktionen ermöglichten den Zugang zu den Bootsstegen.


Lesen Sie hier mehr zum Hochwasser am Bodensee 2024:

In diesem Jahr sah es hingegen ganz anders aus:


Gleiche Regeln für alle

Persenning und Persenninghalter versorgen, Heckstaukasten entriegeln und Hauptschalter betätigen. Außenborder absenken. So einfach ist bei der Gondel das „Klarmachen zum Törn“. Leinen los. Aber Achtung, die Bodenseeschifffahrtsordnung (BSO) gilt für Fischergondeln genauso wie für große Yachten! Auf dem gesamten Bodensee ist von motorgetriebenen Schiffen ein Mindestabstand von 300 Metern zum Ufer bzw. dem Ufer vorgelagerten Schilfgürteln einzuhalten. Um Wellenschlag zu minimieren, ist beim An- und Ablegen und Ankern das Ziel auf dem kürzesten Weg und nicht schneller als mit 10 km/h anzusteuern. Naturschutz wird hier großgeschrieben.


Mehr Infos zu Vorfahrtsregeln auf dem Bodensee finden Sie in diesem Artikel:


Karibikfeeling am Bodensee

Noch lange ist der karibisch hell schimmernde Grund des Hangs unter uns durch das glasklare Wasser sichtbar. Dort, wo er in die Wysse übergeht, ist genügend Abstand zum Ufer erreicht. Bei ruhigem Wasser ist Zeit für die notwendige Sicherheitseinweisung. Die Schwimmwesten liegen im Heckstaukasten, ebenso die Pütz. Sie dient bei fehlender Lenzeinrichtung zum Ausbringen von Wasser aus dem Innenraum des Bootes. Aber keine Sorge: „Durch die Bauweise mit drei getrennten wasserdichten Luftkammern (zwei Seetanks und ein Doppelboden vorne) ist das Boot mit intakten Luftkammern und vorgegebenem Beladezustand unsinkbar“, garantiert die Werft. Das schafft Vertrauen. Die Staukästen in Bug und Heck werden zu makellosen Sitz- und der Bootsboden zu Eins-a-Liegeflächen beim Sonnenbad. Das variabel verstellbare Sitzbrett dient als „privilegierter Aussichtsplatz“ zum Sonnenuntergang und bei Picknicks an Bord.

Vom Geheimtipp zur Boom-Gastronomie

Es geht weiter – erst einmal ohne Motor und nur von Hand. „Dualer Antrieb 1.0“! Ökologisch wertvoll. Bei Flaute nä­hert sich die Gondel auch so rasch dem Nordufer der Reichenau. Aus dem Schilf ragt bald ein flacher Steg hervor. Kleinere Boote landen dort an. Wenige Meter entfernt drängen sich „Bei Riebels“ Touristen vor dem Fischbistro. TikTok und Instagram bahnten den Weg vom Geheimtipp zur Boom-Gastronomie. Ein Besuch in der traditionellen Fischhandlung lohnt allerdings nach wie vor. Im Angebot sind vor allem lokale Spezialitäten wie Felchen, Saibling und Kretzer. Täglich legen die Berufsfischer ihre Netze auf dem See aus. Hohe Wasserqualität und die damit verbundene Nährstoffarmut sowie die starke Vermehrung des unter Schutz stehenden Kormorans beeinträchtigen allerdings seit Jahren die Fangquoten. Hinter dem Steg erstrahlt über einem breiten Schilfgürtel die Basilika St. Georg mit ihren berühmten Wandmalereien im Ortsteil Oberzell. Rot-weiß-rote Bojen kennzeichnen den westlichen Rand des Naturschutzgebietes Wollmatinger Ried. Durchfahrt verboten!

Beliebt bei Kanufahrern: die Einfahrt zum kanalartigen Inseldammdurchbruch Bruckgraben vom Gnadensee aus.Foto: Heinz KlausmannBeliebt bei Kanufahrern: die Einfahrt zum kanalartigen Inseldammdurchbruch Bruckgraben vom Gnadensee aus.

Südlich davon erkennen wir den Bruckgraben, auf dessen von rot-weißen Schildern gekennzeichnete Einfahrt wir nun mit langsamer Fahrt zuhalten. Vom Festland führt ein 1838 auf Initiative von Napoleon III. gebauter Damm zur Insel. Kurz davor begrüßt eine Statue des Schutzheiligen Pirmin die Besucher des Eilands. Die nur zehn Meter breite Engstelle passieren nur Wasserfahrzeuge mit geringem Tiefgang und niedrigem Aufbau. Bei hohem Wasserstand heißt es die Köpfe einziehen! Die weißen Dreiecke der rot-weißen Tafeln an der Kanalausfahrt reflektieren bei Dunkelheit und weisen Gnadensee-Anrainern nachts sicher den Weg.

Villen und Werftbesuch am Südufer der Reichenau

Die Sicht wird frei auf das Schweizer Ufer. Höckerschwäne beleben die ausgedehnte Fläche zwischen dem Wollmatinger Ried zur Linken und dem Ort Ermatingen recht voraus. Gemächlich gleitet das Boot entlang villenartiger Anwesen mit zum See abfallenden Gärten am Reichenauer Südufer Richtung Westen. In der Bootswerft Beck treffen wir Rolf Winterhalter. In vierter Generation führt er den 1897 gegründeten Betrieb. Alle Bootsrümpfe können in Holz oder mit Glasfaser-Polyester im Handauflegeverfahren gefertigt. Spannend zu sehen, wie hier aus rohen Fichtenbohlen in Handarbeit hochwertige Riemen für künftige Fischergondeln entstehen.

Die besten Spots zum Verweilen

Weiter geht es zur Schiffsanlegestelle Reichenau. Hier legen die Schiffe der „Weißen Flotte“ der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) auf ihrem Weg von Kreuzlingen nach Schaffhausen und zurück an. Die Solarfähre Insel Reichenau verbindet in den Sommermonaten die Reichenau und das gegenüberliegende Mannenbach mit seinem Napoleonmuseum. Im benachbarten Motorboothafen finden sich einige Gästeplätze. Bei hohem Wasserstand finden Yachten auch einen Tagesplatz am nur einen Steinwurf entfernten Steg des traditionsreichen „Strandhotel Löchnerhaus“.

Zur Übernachtung ist er nur bei absolut stabilem Wetter geeignet. Solche Überlegungen lassen eine Gondel kalt. Mühelos lässt sich das Flachbodenboot auf den Kieselstrand außerhalb des Badebereichs ziehen. Eine Leine zum Land beugt ungewollter Wasserung durch den Wellenschlag der Kursschiffe vor. Schon finden wir uns auf der noblen Hotelterrasse bei einer Schale Erdbeeren mit Vanilleeis wieder. Von hier überblickt man Richtung Südwesten den sich zwischen Halbinsel Höri und dem schweizerischen Ufer verjüngenden Untersee. Welche Aussicht!

Das „Hotel Löchnerhaus“ auf der Insel Reichenau.Foto: Heinz KlausmannDas „Hotel Löchnerhaus“ auf der Insel Reichenau.

Zurück auf dem See ist die Südwestspitze der Insel bald gerundet. Bei auffrischendem Wind beleben einige Surfer und Kiter die Wasserfläche vor dem Campingplatz Sandseele. Bei stürmischer Wetterlage einer der Szenetreffs am Untersee. An ruhigen Tagen ankern etliche Yachten unmittelbar vor dem Restaurant am Strand mit seinem herrlichen Ausblick auf den Zeller See. Spektakulär sind hier die Sonnenuntergänge. Wir suchen Ruhe in der kleinen Bucht vor dem Ortsteil Niederzell im Nordwesten. Rasch ist der klappbare Stockanker aus dem Bugstaukasten mit zehn Meter Leine belegt und auf etwa drei Meter Wassertiefe ausgebracht. Wieder schimmert der sandige Grund durch von Kieselalgen und hochstehender Sonne karibisch türkis gefärbtes Wasser. Dessen warme 26 Grad laden zum Bad. Was für ein Tag.

Untiefen und Ungeziefer

Vor Einbruch der Dunkelheit verholen wir uns um das Bürglehorn an der Westspitze der Insel Richtung Strandbadbucht. Hier steht einer der weit sichtbaren Signalmasten mit orangefarbenem Blinklicht, die rund um den See mit 40 bzw. 90 Blitzen pro Minute vor Starkwind und Sturm warnen. Heute ist alles ruhig. Ein ausgedehnter Flachwasserbereich verläuft von der Reichenau zur Spitze der Halbinsel Mettnau. Mit unserem Boot kein Problem. Für revierunkundige Skipper von Yachten mit großem Tiefgang bergen die Untiefen Stuhlrain und Straßenrain allerdings Risiken. Grün-weiße Seezeichen markieren eine sichere Passage vom Zeller See in den Gnadensee. Die Sonne geht über den Hegaubergen unter, als die Bucht vor dem Strandbad Reichenau näher kommt. Gut geschützt vor den vorherrschenden Winden aus Westsüdwest, ist sie ein idealer Ankerplatz. Auf der Heimfahrt führen wir Licht. Die Einfahrt zum Yachthafen Herrenbrücke im Inselnorden ist rot-grün befeuert. Hafenmeisterin Milena Mager findet bei telefonischer Anmeldung fast immer ein Plätzchen für Gäste. Wir tuckern ein wenig müde, aber glücklich zurück zum heimischen Slip. Beim Anlanden und Auflegen der Persenning ist zügiges Handeln geboten. Denn die Mücken, in lokaler Sprechart „Schnaken“ genannt, kennen kein Pardon. Zum Glück das einzige Problem des Tages.


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