Unbekannt
· 11.04.2013
Zum dritten Mal im Ruhrgebiet: Wo einst Kohle und Stahl regierten, findet der Skipper heute Landschaftsparks mit Kunst, Kultur und Industriemuseen.
Das waren noch Zeiten: Kohlestaub, der von den Halden am anderen Ufer des Rhein-Herne-Kanals unentwegt in den Hafen des AMC Castrop-Rauxel herüberwehte, legte sich als schwarzer Schmierfilm auf die weißen Decks der Boote. Die "Bordfrauen" befanden sich mit Schrubber und Eimer im Dauereinsatz, um der "schwarzen Pest" Herr zu werden. Das war 1989. – Bei meinem zweiten Törn im Pott – im Jahr 2000 – waren die Halden weg, und eine Brache wartete auf weitere Entwicklung.
Und 2012? Ein klinisch reines Gewerbegebiet lässt nicht mehr den geringsten Gedanken daran aufkommen, dass hier mal Berge "schwarzen Goldes" staubend in den Himmel ragten. Und so ist der Wandel nicht nur in Castrop-Rauxel sichtbar: Im einstigen "Kohlenpott", der "Stahlschmiede der Nation", sind aus unwirtlichen In-dustriebrachen, Halden und Deponien Industrie- und Landschaftsparks geworden, die Millionen von Menschen Wohnen, Arbeiten, Kultur, Freizeit und Erholung in einem völlig veränderten Umfeld bieten.
Vom Münsterland ins Ruhrgebiet
Kernstück dieses "grünen Wandels" ist der "Emscher Landschaftspark", der sich vom Rhein bei Duisburg bis nach Dortmund erstreckt, und dessen Adern das Flüsschen Emscher und der Rhein-Herne-Kanal sind. Aber bevor wir dort ankommen, liegt der Dortmund-Ems-Kanal vor uns. Ein perfekt ausgebauter, aber durchweg langweiliger Kanal. Abwechslung bieten nur die gastlichen Häfen.
Einer davon ist der Yachthafen "Alte Fahrt Fuestrup" (DEK-km 80,0 RU) nördlich von Münster. Toll, wie Eigentümer und Hafenmeister Klaus Nowacki einen eigentlich toten Stichkanal in einen lebendigen Hafen verwandelt hat. Die Boote liegen an beiden Ufern des Kanals längsseits oder an Fingerstegen. Für den Trans-port von Ufer zu Ufer zwischen "Dover" und "Calais" sorgt eine handbetriebene Seilfähre. Der Hafen bietet alle wichtigen Versorgungseinrichtungen einschließlich Reparaturservice und 16-t-Kran. Fürs Überleben sorgt ein Brötchenservice, der täglich (außer Samstag und Sonntag) anrollende Lebensmittelwagen und die sehr begehrte Hafengaststätte "Zum Fährhaus".
Münster: Die Stadt ist ein Highlight am Dortmund-Ems-Kanal! Vor allem das nach weitgehender Kriegszerstörung restaurierte Zentrum rund um den Prinzipalmarkt mit Lambertikirche und dem historischen Rathaus mit dem originalen "Friedenssaal" verdient einen Besuch.
St.-Paulus-Dom, St.-Mauritz-Kirche und das fürstbischöfliche Schloss sind weitere Hingucker. Und wo liegt beim Landgang das Boot? Der kleine, aber feine Hafen des Monastaria Yachtchtclubs (DEK-km 70,7 LU) mit Wasser, Strom, Clubhaus und sehr schöner Sanitäranlage mit Waschmaschine und Trockner hat nur wenige Gastliegeplätze. "Boxen, die frei sind, dürfen genommen werden", sagt der Hafenmeister. Bushaltestelle zur Innenstadt 300 m vom Hafen entfernt.
Eine Alternative zum Clubhafen ist der Stadthafen II (DEK-km 68,1 LU). Am Nordufer des einstigen Umschlagplatzes ist ein Szeneviertel entstanden, das in einer Mischung aus umgebauten Speicherhäusern und moderner Architektur Bürohäuser, Kunst, Kultur, Restaurants und Szeneclubs beheimatet. Hier ist rund um die Uhr was los. Es wird ein Geheimnis der Stadtväter Münsters bleiben, warum man, außer der schlichten Kaimauer, keinerlei Service für Sportboote bietet. Dabei schreit der Hafen mit seinem "Kreativkai" geradezu nach Ausbau für Wassersportler!
Kanalknoten "Dattelner Meer"
Mittagspause am Gaststeg des MYC Kanalstadt Datteln in der alten Fahrt Lüdinghausen (DEK-km 39,0 RU). Ein ruhiges Plätzchen im Grünen, südlichstes Münsterland: "Das ist genau das, was die Gäste aus dem Ruhrgebiet suchen", erzählt der Hafenmeister, "zu Pfingsten sind wir ausgebucht, da kommen sie gern zu uns runter."
Knapp 20 Kanalkilometer weiter südlich, am "Dattelner Meer", haben wir die nördliche Grenze des Ruhrgebiets erreicht. Im vermeintlich "größten Kanalknotenpunkt Europas" triftt sich das westdeutsche Kanalnetz: Dortmund-Ems-, Wesel-Datteln-, Datteln-Hamm- und Rhein-Herne-Kanal.
Nur fünf Kilometer südlich vom Dattelner Meer, am Übergang zwischen Dortmund-Ems- und Rhein-Herne-Kanal (DEK-km 15,5 LU bzw. RHK-km 45,5 LU), stoßen wir mit dem "Schleusenpark Waltrop" auf ein erstes Highlight des Emscher-Landschaftparks und der "Route der Industriekultur".
Beim MBC Lüdenscheid (Clubhaus mit WC und Duschen, Wasser und Strom am Steg) liegen wir im Unterwasser des Schiffshebewerks Henrichenburg nur wenige Meter von diesem technischen Wunderwerk entfernt, das am 11. August 1899 von Kaiser Wilhelm II. eröffnet wurde, bis 1969 seinen Dienst versah und heute als Teil eines Industrie- und Schifffahrtsmuseums besichtigt werden kann. Knapp 400 m vom Hafen des MBC entfernt gibt es in der Provinzialstraße mit "Papachristos" einen guten "Griechen".
Nun also sind wir drin im Ruhrgebiet. Tankstopp beim AMC Castrop-Rauxel (RHK-km 38,0 LU), der uns nicht nur Diesel beschert, sondern auch einen prächtigen, fangfrischen Zander, den wir einem Angler abkaufen können. Mein erster Fisch aus der "Kumpel-Riviera", wie der Rhein-Herne-Kanal im Volksmund gern genannt wird. Und an diesem heißen Tag passt der Name: Die Kanalufer wer-den zum "Frikadellenstrand", und der Sportboot-Wartesteg im Oberwasser der Schleuse Herne-Ost wird zum perfekten "Teenager-Grill". Die "längste Badewanne der Welt" ist eben nicht nur für Fische und Schiffe gemacht.
Keine Kohle für den Wassersport
Kühn überspannen die roten Stahlröhren der "Doppelbogenbrücke Nordsternpark" in Gelsenkirchen den Kanal. Ein Projekt, das zur Bundesgartenschau 1997 realisiert wurde. Am Ufer unterhalb der spektakulären Brücke das Amphitheater Gelsenkirchen, das ebenfalls zu dem Landschaftspark gehört. Mitte der 90er-Jahre auf dem Gelände der ehemaligen Zeche "Nordstern" entstanden, ist der Park ein weiteres Highlight der "Route der Industriekultur".
Drei Schleusen haben wir bisher auf dem Rhein-Herne-Kanal passiert: Herne-Ost, Wanne-Eickel und Gelsenkirchen. Jede Schleuse hat im Ober- und Unterwasser eine solide Sportboot-Wartestelle. Auch das war nicht immer so: 1998 startete die Landesregierung das Förderprogramm "Sportboottourismus", investierte insgesamt rund 10 Millionen Euro und sorgte so beispielsweise für Sportboot-Warteplätze an Schleusen und sportbootgerechte Haltesysteme in Schleusenkammern. Die Eigenmarke "Sportbootrevier Ruhrgebiet" sorgte für Furore, führt aber heute nur noch ein Schattendasein. Mit schwindendem Geld ging auch die Förderung des Wassertourismus baden.
Marina Oberhausens Lage ist bemerkenswert: eingebettet zwischen "Sealife Center", "Aquapark" und dem "CentrO", einem in Europa einzigartigen Einkaufs-und Freizeitparadies mit rund 220 (Klamotten-)Läden und 20 Gaststätten. Schade nur, dass es in dem riesigen Komplex keinen Supermarkt oder Lebensmittel-
laden gibt, den der Skipper ja häufiger braucht als neue Kleidung von irgendeiner Edelmarke. Schade auch, dass der nur 200 m entfernte Ruhrschnellweg seinen reichlich markanten Lärm rund um die Uhr über die Marina ergießt.
Von Oberhausen an die Ruhr
Und dann ist da noch das unübersehbare Wahrzeichen der Stadt: Der "Gasometer Oberhausen", 1929 als Kokereigasspeicher erbaut und heute eine mehr als exotische Ausstellungshalle. Dem außergewöhnlichen Raumerlebnis verdankt der Gasometer den treffenden Beinamen "Kathedrale der Industrie".
Gut 90 Minuten brauchen wir von Oberhausen bis zur Einfahrt in die Mündung der Ruhr in Duisburg-Ruhrort. Ab Mülheim ist die Ruhr Landesgewässer, und jetzt kosten auch die Schleusungen Geld. Jeweils 2,50 Euro. Der Schönheit des Ruhrtals tut das keinen Abbruch. Sanfte Hügel, Wiesen und Felder prägen das Landschaftsbild. Ein paar große Campingplätze am linken Ufer. Weithin sichtbar schwingt sich majestätisch die Mintarder Ruhrtalbrücke über den Fluss. Es ist "nur" eine Autobahnbrücke (A 52), und doch wird sie gern als "Golden Gate des Ruhrgebiets" bezeichnet.
Entsetzen an der Steganlage des MBC Kettwig (Ruhr-km 22,2 RU): Nur noch vier Bötchen dümpeln an den Fingerstegen dieser einst so belebten und beliebten Anlage. Hafenmeister Dahlmann berichtet von "internen Konflikten und einer großen Krise", die über den Verein gekommen sei. Entsprechend heruntergekommen wirkt die Anlage. Sanitäreinrichtungen gibt es nur noch beim benachbarten Kettwiger Ruderclub.
Für den trübseligen Anblick des "Hafens" entschädigen die hübschen Fachwerkhäuser in den Gassen der Kettwiger Altstadt und ein Abendessen im "Bonner Hof", (Kringsgat 14). Hinter dem deutschen Namen verbirgt sich ein urgemütliches spanisch-mediterranes Restaurant mit einer ungewöhnlich kreativen Küche. Tischreservierung ist Pflicht. Tel.: 02054-53 86.
Noch eine Schleuse, noch einmal 2,50 Euro, und der Baldeneysee ist erreicht. Zweifelhaft, ob sich für Motorboote diese Fahrt überhaupt lohnt: Auf dem Baldeneysee dürfen motorisierte Fahrzeuge die betonnte Fahrrinne nicht verlassen. Heißt: Abgesehen vom "Fernblick" auf die Krupp’sche "Villa Hügel" ist die Fahrt auf dem See nicht besonders erhebend.
Pfingstsamstag, die Ruhr zu Tal. Beim YC Mülheim-Ruhr (Ruhr-km 8,4 LU) ist der Teufel los: Der Club feiert seinen 40. Geburtstag. Und er feiert nicht allein, son-dern mit zahllosen Gästen und Gastbooten. Hätten wir’s gewusst, hätten wir uns angemeldet. So bleibt es bei einer Stippvisite.
Da die Ruhrschleuse Duisburg am Wochenende nicht in Betrieb ist, geht es über die Schleuse Duisburg-Meiderich und den Hafenkanal Duisburg dem Rhein entgegen (Rhein-km 780,8 RU). Nur knapp vier Rheinkilometer zu Berg, die es wie immer in sich haben, und wir erreichen die Einfahrt zum Duisburger Außen- und Innenhafen (Rhein-km 776,6 RU). Bis zur Marina Duisburg sind es von hier knapp drei Kanal- bzw. Hafenkilometer.
Die Marina liegt vor dem imposanten Bürokomplex "Five Boats" des britischen Architekten Sir Nicholas Grimshaw und dem "Hitachi Power Office". Moderne Architektur, umgebaute Speicherhäuser, eine ehemalige Mühle als Museum, alte Verladekräne, mediterran anmutende Gastronomiezeilen: Wieder erleben wir ein Musterbeispiel für den strukturellen Wandel des Ruhrgebiets, und natürlich ist der Innenhafen Teil der "Route der Industriekultur".
Gut 130 Boote bis 20 m Länge finden an den acht Schwimmstegen der Marina Platz. Es gibt Wasser und Strom am Steg, einen Sanitärtrakt im Hafenmeistergebäude, eine Fäkalienabsaugstation und eine Bootstankstelle mit Benzin und Diesel.
Karibischer Strand in Flaesheim
Unser Plan, auf dem Rhein bis Wesel zu fahren und von dort dem Wesel-Datteln-Kanal von West nach Ost zu folgen, scheitert an der Schleuse Friedrichsfeld: Eine Kammer ist gesperrt, und der nautische Informationsfunk meldet Wartezeiten bis zu sechs Stunden. Das wollen wir uns nicht antun. Also über den Rhein-Herne-Kanal zurück Richtung Datteln mit Übernachtungsstopp beim AMC Castrop-Rauxel. Ein gastfreundlicher Hafen mit Rundumversorgung (auch Boots- und Motorenservice, 20-t-Kran und neuer Kinderspielplatz!). Die Gaststätte "Zum Yachthafen" ist nicht nur für Bootscrews ein beliebtes Ausflugsziel.
Am Dattelner Meer biegen wir in den Wesel-Datteln-Kanal ein und erreichen über die Schleusen Datteln und Ahsen die Marina Flaesheim (WDK-km 50,7 LU). Auf den ersten Blick nur eine rund 250 m lange Schwimmsteganlage. Aber was für eine Lage in der Zufahrt zu einem ehemaligen Baggersee vor karibisch weißem Strand und glasklarem, silbrig-grünem Wasser! "Für mich die schönste Marina im Ruhrgebiet", hatte uns schon ein Skipper in Oberhausen erzählt. Am Steg Wasser und Strom. Oberhalb vom Strand der "Freizeitpark Flaesheim" mit Bistro und Kiosk.
Kurs auf Dorsten, 30 km westlich von Flaesheim. Wir liegen sehr ruhig am Fingersteg des Dorstener MYC (WDK-km 28,5 RU), obwohl die kleine Hafenbucht zum Kanal hin offen ist. Wasser und Strom am Steg, Sanitäranlage im Clubhaus. Rund 1,5 km sind es vom Hafen bis zum Stadtzentrum. Die Sportbootliegestelle unterhalb der Hochstadenbrücke (WDK-km 27,6 LU) liegt direkt am Einkaufszentrum, das wegen Sanierung geschlossen ist. Außerdem ist der Hinweis "Achten Sie auf Ihr Eigentum. Schiffe nicht unbewacht lassen" nicht gerade vertrauenerweckend. Die ebenfalls stadtnahe Marina Dorsten (WDK-km 27,1 LU) ist pickepackevoll, und wir können in mehrfacher Vorbeifahrt kein freies Plätzchen entdecken.
Raus aus dem Wesel-Datteln-Kanal, rein in den Datteln-Hamm-Kanal. Der bietet wenig fürs Auge, bis wir nach 23 km die Marina Rünthe (DHK-km 23,3 LU) erreichen. Wie sich diese seit meinem letzten Aufenthalt (2000) entwickelt hat, macht mich sprachlos: die Erweiterung des Hafens in nordöstlicher Richtung, die attraktive, postmoderne Bebauung des Südufers, der schöne Rundumblick von der Terrasse des Café "Achterdeck" auf der Außenmole. Da gerät man ins Schwärmen und könnte über diesen Hafen Seiten füllen.
Fakt ist: Inhaber Thorsten Nustede hat diese Marina mit ihren knapp 300 Liegeplätzen zur absoluten Nummer 1 im Ruhrgebiet gemacht. Da fehlt es an nichts: ob Kran (16 t), Bootstankstelle (Benzin und Diesel), Bootsreparaturen oder Sommer- und Winterlager. Drei Restaurants, ein Café und ein Bistro sind da nur noch schmückendes Beiwerk. Ein grandioses Finale meiner dritten "Tour de Ruhr"!
REVIERINFORMATIONEN
Revier
Die hier dargestellten Kanäle gehören als Bundeswasserstraßen zum Norddeutschen Kanalnetz, auf dem für das Führen von Booten mit mehr als 11,06 kW (15 PS) der Sportbootführerschein Binnen erforderlich ist. Dies gilt auch für die Ruhr, die oberhalb von Mülheim Landesgewässer ist. Auf dem Rhein gilt die Führerscheinpflicht bereits für Boote ab 3,68 kW (5 PS). Da der Rhein und die Kanäle von der Berufsschifffahrt stark frequentiert werden, sollte das Revier nur von erfahrenen Skippern bereist werden. Die wenig befahrene Ruhr eignet sich hingegen auch für Skipper mit wenig Erfahrung. Erfreulich: An allen Schleusen im Ruhrgebiet gibt es im Ober-Und Unter-wasser solide Wartestellen für Sportboote, mehrfach allerdings ohne Verbindung zum Land bzw. zum Ufer. Hier die wichtigsten Parameter der Wasserstraßen im Revier: