Peter Egloff
· 24.07.2011
In Brandenburg wurde eine neue Verbindung zwischen Finowkanal und Havel-Oder-Wasserstraße eröffnet – vor allem der Erfolg einer kommunalen Initiative.
Für die Freigabe des südlichen Teilstücks des Werbellinkanals wurde bewusst der 17. Juni 2011 gewählt: Exakt 97 Jahre nach der Inbetriebnahme des damaligen Hohenzollernkanals – der heutigen Havel-Oder-Wasserstraße (HOW) – durch Kaiser Wilhelm II hat die Gemeinde Marienwerder im Landkreis Barnim (Brandenburg) die Fertigstellung des Neubaus mit einem bunten Bootskorso gefeiert.
Der neue „Alte Werbellinkanal“ verbindet die HOW bei Kilometer 54,8 mit dem Finowkanal westlich der Schleuse Ruhlsdorf. Von diesem 3,1 km langen Abschnitt des Werbellinkanals wurden bisher nur noch etwa 400 m als sonstige Binnenwasserstraße des Bundes genutzt, die restlichen 2,7 km wurden in den 1920er- und 1930er-Jahren mit Abraum und Hausrat verfüllt und anschließend landwirtschaftlich genutzt.
Es ist das erste Kanalbauprojekt in der Bundesrepublik Deutschland, das von einer Kommune vorangetrieben und vollendet wurde. Der Wiederaufbau dieses Kanalstücks war in der Gemeinde und im Landkreis nicht unumstritten.
Nach der Planfeststellung im Mai 2008 erfolgte der erste Spatenstich im September desselben Jahres. Bereits ein Jahr später wurde der Kanal geflutet. Zwei notwendige Brückenneubauten verzögerten die Eröffnung und Freigabe bis in das Jahr 2011.
Das neue Kanalstück ist im Schnitt 14 m breit und 1,70 m tief. Die Durchfahrt an den Brücken ist 7,10 m breit,
die Durchfahrtshöhe beträgt 3,80 m. Der nördliche noch bestehende Abschnitt des bereits 1765 erbauten Werbellinkanals musste lediglich verbreitert werden.
Im mittleren Teil war der Bau von Dammteilen notwendig, da das Gelände tiefer liegt als der Wasserspiegel. Im südlichen am Finowkanal gelegenen Abschnitt musste die historische Trassenführung geändert werden, da es zu aufwendig gewesen wäre, das seinerzeit zur Verfüllung eingesetzte Material zu entfernen.
Insgesamt wurden rund sechs Millionen Euro für den Bau des Kanals und der Brücken sowie für Ausgleichsmaßnahmen, wie die Einrichtung zweier Amphibienteiche, aufgewendet. Gut 70 % dieser Summe hat die Europäische Union bereitgestellt, der Landkreis beteiligte sich mit 600 000 Euro und die Agentur für Arbeit mit 250 000 Euro. Die Gemeinde Marienwerder mit ihren 1800 Einwohnern hatte am Ende mehr als eine Million Euro zu tragen.
Die Fertigstellung und Freigabe des neuen Kanalstücks ist das erste Neubauprojekt, das im Rahmen der im Jahr 2004 gegründeten Wassertourismus Initiative Nordbrandenburg (WIN) realisiert wurde. Es besteht nun eine direkte Verbindung für Wassersportler zwischen dem historischen Finowkanal und den Werbelliner Gewässern.
Diese Verbindung ist Voraussetzung auch für die Ausweitung des führerscheinfreien Charterverkehrs im Nordosten Brandenburgs, der durch Eintragung dieses Gebietes in die Charterbootverordnung des Landes Brandenburg im September 2011 ermöglicht werden soll.
Eine Signalanlage soll dann den auf dem Werbellinkanal fahrenden Sportbooten am kleinen Wasserstraßenkreuz Marienwerder das Kreuzen der von der Berufsschifffahrt stark befahrenen Havel-Oder-Wasserstraße ermöglichen.
Zu diesem Zeitpunkt soll das neue Kanalstück auch durch das zuständige Ministerium als Landesgewässer 1. Ordnung eingestuft werden, sodass die Gemeinde Marienwerder zukünftig nicht auch noch die Unterhaltskosten tragen muss.