Unbekannt
· 03.03.2012
Edel Chartern und die Natur genießen: Auf historischen Wasserstraßen waren wir im Norden der Mark Brandenburg unterwegs. Ein Revier für Entdecker!
Über Toteis und den Untergang einer ganzen Stadt, wohin ein Goldschatz verschwand und was Straußenfedern in einer Marina zu suchen haben, von Maränen und Moränen, über einen Fahrstuhl für Schiffe, der in Rente geht, und alte Kanalsysteme, die zu neuem Leben erwachen – die Gegend nördlich und nordöstlich von Berlin hat einiges zu erzählen.
Glücklicherweise ist dieser Flecken Brandenburgs auch reich an Wasserstraßen. Werbelliner Gewässer und Finowkanal gehören dazu. Beide verheißen Beschaulichkeit. War der Werbellinsee nicht Fontanes „Märchenplatz“? Und ist der Finowkanal nicht schon seit erstaunlichen vier Jahrhunderten in Betrieb? Unser Chartertörn wird zeigen, was das Revier zu bieten hat.
Die Obere Havel-Wasserstraße
An der Oberen Havel-Wasserstraße geht es los. In der Marina Zehdenick, Sitz von 5 Sterne Yachtcharter, übernehmen wir eine makellose Linssen Grand Sturdy 40.9 AC. Die schöne Lady, die auf den Namen „Europa“ hört, soll uns über Obere Havel-Wasserstraße (OHW), Malzer Kanal (MzK) und Havel-Oder-Wasserstraße (HOW) zu den Werbelliner Gewässern (WbG) bringen.
Alsdann wollen wir den Finowkanal (FiK) talabwärts bis zur Havel-Oder-Wasserstraße befahren, um uns anschließend vom Schiffshebewerk Niederfinow wieder nach oben befördern zu lassen. Zurück nach Zehdenick bringen uns HOW und OHW. Eine Woche Zeit haben wir für diese Tour.
Unsere erste Etappe soll von Zehdenick zur Havel-Oder-Wasserstraße führen. Die OHW-Teilstrecke von Zehdenick bis Liebenwalde, der Voßkanal, ist etwa 16 km lang. Von Liebenwalde bis zur Havel-Oder-Wasserstraße führt der rund 3 km lange Malzer Kanal. Drei Schleusen sind zwischen Zehdenick und HOW zu passieren, jede ist automatisiert.
Die Bedienung der Schleuse Zehdenick und die Öffnung der nahe gelegenen Zehdenicker Zugbrücke sind gekoppelt. Gleich unterhalb der Schleuse Liebenwalde, der letzten Schleuse vor Einmündung des MzK in die HOW, soll es eine Liegemöglichkeit für Sportboote geben. Die peilen wir an.
Gut, dass das Wetter heute reichlich öde ist. Und wir uns, so anheimelnd die Route auch ist, vorzeitig nach einem ruhigen Plätzchen sehnen. Noch oberhalb der Schleuse Liebenwalde laufen wir die Marina Liebenwalde an. Eine gute Entscheidung, nicht nur weil im Unterwasser der Schleuse Liebenwalde gar keine ausgewiesene Sportbootliegestelle existiert, wie wir anderntags feststellen müssen. Der kleine Yachthafen Liebenwalde ist auch eine tolle Adresse. Marina-Inhaber Horst Helbig empfängt uns schon am Steg: „Ich möchte nur kurz guten Tag sagen. Und herzlich willkommen!“
Der schön gelegene Bootsanleger hat etwa 20 Gastplätze mit Wasser- und Stromanschluss. Das Sanitärgebäude ist proper und gepflegt – wie alles hier. Der Ortskern von Liebenwalde mit Versorgungs-möglichkeiten und Lokalen ist zu Fuß gut erreichbar. Kulturtipp: ein paar Stunden im örtlichen Knast. Dort, im früheren Stadtgefängnis, ist das Heimatmuseum Liebenwalde unter-gebracht (www.museum-im-knast.de). Es erzählt auch vom Finowkanal.
In Liebenwalde trifft der westlichste Abschnitt des Finowkanals, der „Lange Trödel“, auf Voßkanal, heute OHW, und Malzer Kanal. Genau an der Einmündung befindet sich die Marina Liebenwalde, was ihren Beinamen erklärt: Steganlage „Langer Trödel“. Seit Mitte der 1920er-Jahre liegt der „Lange Trödel“, der Liebenwalde mit der HOW südöstlich von Zerpenschleuse verbindet, im Dornröschenschlaf. Doch das wird sich wohl in naher Zukunft ändern. Im Rahmen der Wassertourismus Initiative Nordbrandenburg (WIN) ist geplant, die etwa 10 km lange Kanalstrecke wieder schiffbar zu machen. 2012/13 soll es soweit sein.
Die Werbelliner Gewässer
Für uns zu spät. Wir müssen den Malzer Kanal nehmen, um zur Havel-Oder-Wasserstraße zu gelangen. Nach gut 14 eintönigen HOW-Kilometern sichten wir an Backbord einen Abzweig – die Zufahrt zu den Werbelliner Gewässern, genauer gesagt zu Werbellinkanal (WbG-km 3,4-10,5) und Werbellinsee (WbG-km 10,5-20,0). Wir legen Ruder.
Eine berückend schöne Welt erwartet uns – scheinbar unberührte Natur. Wir fahren durch Wald. Die Luft ist frisch und würzig, es duftet nach feuchtem Laub. Eine kräftige Herbstsonne hat es zum Leuchten gebracht, und hier und da taumeln die ersten Blätter aufs Wasser, das so klar ist, dass wir den Grund des Kanals ausmachen können.
Bisweilen erscheint uns der Werbellinkanal sehr schmal, und klammheimlich denken wir: Jetzt bloß kein Gegenverkehr!
Dabei ist Platz genug. Bis zu 5,10 m breite Schiffe dürfen das Gewässer befahren, und unsere „Europa“ bleibt mit ihren 4,30 m in der Breite doch deutlich unter dem vorgegebenen Maß. Ihr Tiefgang liegt laut Datenblatt des Vercharterers bei 1,20 m, was exakt dem maximal zugelassenen Tiefgang auf den Werbelliner Gewässern entspricht. Trotzdem, immer wieder springt der Tiefen-alarm des Echolots an. Doch auch dann noch signalisiert uns das Display regelmäßig um die 0,40 m Wasser unter dem Kiel. Den Geber kitzelt womöglich nur Grünzeug, das sich von unten dem Licht entgegenreckt, vor allem dort, wo der Kanal einen Teich quert.
Auf dieser Reise wird sich das Echolot noch einige Male mit aufgeregtem Piepsen zu Wort melden. Untenrum „eng“ wurde es nie. Die beiden Selbstbedienungsschleusen im Werbellinkanal, Rosenbeck und Eichhorst, sind rasch passiert. Dann, nach insgesamt sieben verwunschenen Kanalkilometern, öffnet sich das Gewässer. Fast schlagartig haben wir 15 m Wasser unter dem Rumpf. Wir sind auf dem Werbellinsee.
Der Werbellinsee
Bis zu 60 m tief geht es im Werbellin hinab, einem „Rinnensee“, der in der letzten Eiszeit entstand. Schmelzwasser und Toteis – inaktive Gletscherreste, die durch Auflagerungen vor schnellem Abschmelzen geschützt sind – gaben ihm seine Form. Eismassen schufen nicht nur den Werbellinsee, sie modellierten die gesamte Gegend. So führt unser Chartertörn tatsächlich durch mächtige Urstromtäler. Und die Anhöhen ringsum sind faktisch Moränen, aufgeschoben von den Gletschern jener letzten Kaltzeit, die vor etwa 15 000 Jahren ihr Ende nahm.
Uns steht der Sinn nach Maränen. Die Kleine Maräne, wie sie eigentlich heißt, gilt als der bedeutendste Wirtschaftsfisch des Werbellin. Goldfarben geräuchert ist sie eine wahre Delikatesse. Nachdem wir die „Europa“ in der Marina Werbellinsee am Nordwestufer des Sees untergebracht haben, schwärmen wir auf der Suche nach den etwa 100 g leichten Leckerbissen aus. Dumm gelaufen: Die nahe Fischerei Werbellinsee mit Frischtheke und angeschlossenem Imbiss hat heute, Montag, geschlossen. Dann eben die „Seerandperle“ gleich gegenüber.
Schnitzel von kolossalen Ausmaßen kämen bei ihnen auf den Tisch, steckt uns die Bedienung schon beim Betreten des Lokals. Stimmt, die Schnitzel sind gigantisch. Und lecker obendrein. Von der Marina Werbellinsee im Ortsteil Elsenau sind es knapp 5 km bis Joachimsthal.
Wer auf die eigene Muskelkraft setzt: Anfangs geht es stramm bergauf. Nach etwa 1,5 km erreicht man den restaurierten und nach wie vor an das öffentliche Schienennetz angeschlossenen Kaiserbahnhof Schorfheide, zu dem ein Café gehört (www.kaiserbahn hof-schorf heide.de). In Joachimsthal gibt es auch ein paar Läden, außerdem befindet sich dort ein Infobüro des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin.
Über Jahrhunderte hinweg war sie ein Refugium der Mächtigen. Man pflegte das Jagdrecht und die hohe Politik, abgeschirmt und aristokratisch, ganz gleich, welche Herrschaft gerade rief – Kaiser oder König, brauner Parteigänger oder roter Genosse. Die Rede ist von der Schorfheide, einer Waldlandschaft, wie sie nur noch selten in Deutschland vorkommt. Als Bestandteil des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin steht sie heute unter der Obhut der UNESCO.
Hier, am Werbellin, sind wir im Herzen des Biosphärenreservates. Es ist Abend geworden, und eine eigentümliche Stimmung hat sich über den See gelegt. Dunkel steigen seine Ufer auf. Das Geschrei eines Nachtvogels weht herüber, dann ein Jagdsignal. An der Wasseroberfläche schnappen Fische schmatzend nach Mücken und tauchen alsbald wieder ab. Ob es wirklich da unten liegt, das sagenhafte Werbellow? Hochmut habe die Stadt einst auf geheimnisvolle Weise im See versinken lassen, raunt man sich seit alters her zu. „Es ist ein Märchenplatz, auf dem wir sitzen“, schrieb Theodor Fontane vor etwa 130 Jahren, „denn wir sitzen am Ufer des Werbellin.“ Ein Märchenplatz, ja, das ist er.
Früh am nächsten Morgen legen wir ab. Die Marina Werbellinsee war ein guter Platz für die „Europa“. Einen weiteren Hafen, der auf Boote dieser Größenordnung eingestellt ist, entdecken wir in Altenhof am Ostufer des Sees. Die hübsch gelegene, 2011 gebaute Marina verfügt ebenfalls über den üblichen Komfort. Zum Einkehren empfiehlt sich die „Alte Fischerei“ gleich am See. Zu diesem Lokal gehört eine Anlegemöglichkeit fürs Boot – und ein Fischverkauf, wenn es denn schnell gehen muss.
Werbellinsee (WbG-km 20,0-10,5) und Werbellinkanal (WbG-km 10,5-3,4) liegen hinter uns. Wir queren nur kurz die Havel-Oder-Wasserstraße und nehmen alsdann ein besonderes Stück Kanal unter den Kiel: den „neuen“ alten Wer-bellinkanal (WbG-km 3,0-0,0). Die Strecke ging im Juni 2011 ans Netz und bringt uns direkt zum Finowkanal (siehe BOOTE 8/11). Seit den Anfängen des Finowkanals im 17. Jahrhundert versuchte man, sich des scheinbar unerschöpflichen Wasserreservoirs Werbellinsee zu bedienen.
Der Werbellinkanal, im 18. Jahrhundert vom Werbellinsee zum Finowkanal bei Ruhlsdorf gegraben, sollte die Speisung des Finowkanals auf eine solide Basis stellen. Doch der Werbellinsee erwies sich als unzulänglicher Wasserspender. Und als der Finowkanal 1914 von einer neuen Havel-Oder-Verbindung, der HOW, beerbt wurde, traf es in der Folge auch den Werbellinkanal. Sein südlicher Verlauf zwischen HOW und Ruhlsdorf wurde weiträumig zugeschüttet. Dass nun wieder eine Anbindung an den Finowkanal besteht, ist – wie die geplante Reaktivierung des „Langen Trödels“ – ein Verdienst der Wassertourismus Initiative Nordbrandenburg (WIN).
Verständlicherweise zieht die gerade freigegebene südliche Strecke im Vergleich zum wildromantischen Nordabschnitt des Werbellinkanals optisch (noch) den Kürzeren. Die ansprechende Trasse, leicht mäandernd zwischen Feldern, gefällt aber bereits. Und den Rest richtet schon die Natur.
Der Finowkanal
Nun also der Finowkanal, die historische Verbindung von Havel und Oder. Deutschlands ältester noch betriebener Kanal zweigt bei HOW-km 57,4 und HOW-km 89,3 von der Havel-Oder-Wasserstraße ab. Die 12 handbetriebenen Schleusen des etwa 32 km langen Finowkanals überwinden gut 36 Höhenmeter. Wir stoßen, vom Werbellinkanal kommend, oberhalb der Schleuse Ruhlsdorf auf den Finowkanal.
Sofort fällt eine Besonderheit auf: Schleusenein- und -ausfahrt sind versetzt zueinander. Sämtliche Schleusen des Finowkanals haben dieses Baumerkmal, das auf eine preußische Order von 1817 zurückgeht und die Kapazität der Schleusen erhöhen sollte. Die größer werdenden Schiffsbauten erforderten Mitte des 19. Jahrhunderts eine weitere Anweisung: Auf bestimmten Wasserwegen, darunter dem Finowkanal, wurde eine maximale Schiffsgröße von 40,20 m x 4,60 m festgeschrieben.
Dieses „Finowmaß“ gilt als die erste derartige Norm in Deutschland. Ursprünglich konnten exakt zwei Finowmaßkähne, nebeneinander liegend, in den Schleusen des Finowkanals bedient werden. Maximales Schiffsmaß auf dem Finowkanal heute: 41,50 m x 5,10 m.
Nach der zweiten Schleuse – Leesenbrück – kommen wir am Bootsanleger Marienwerder vorbei, einem einfachen Holzsteg. Mehr als zu verweilen, reizt uns das Weiterfahren. Denn mit jedem Meter wird das Gewässer urwüchsiger. Viel ist nicht los, verständlich, in wenigen Tagen, zum 30. September, geht der Kanal in Winterpause. Und so bleiben wir auf diesem wundersamen Waldspaziergang zu Wasser ganz unter uns. Nach der dritten Schleuse, Grafenbrück, beschließen wir den Tag inmitten der Natur, am Steg der Marina „Eisvogel“.
Etwa sechs Gastliegeplätze hat die überschaubare Anlage. Geboten werden die gewohnten Versorgungsmöglichkeiten, dazu ordentliche Sanitäranlagen und weitere Annehmlichkeiten wie ein Brötchenservice. Dass wir in der Marina unterkommen, verdanken wir dem leicht erhöhten Wasserstand im Kanal. Gewöhnlich empfiehlt es sich nicht, den Hafen mit mehr als 1,10 m Tiefgang anzusteuern. Aber heute reicht das Nass auch für die „Europa“ aus. Zum Glück – die Marina „Eisvogel“ ist ein Platz zum Wohlfühlen.
„Wie wär’s mit Straußenleberwurst?“ fragt uns der Hafenmeister, als wir bei ihm vorstellig werden. Auf Biber, Nutrias und anderes seltene Getier sind wir in dieser brandenburgischen Wildnis eingestellt, aber Strauße, und dann noch als urteutonische Fleischware? „Oder soll es vielleicht ein Puschel sein?“ Der Beginn eines heiteren Gespräches ist getan. Die Sache ist die: Im Marina-Imbiss können auch die Produkte einer örtlichen Straußenfarm käuflich erworben werden, darunter Staubwedel aus Straußenfedern, besagte „Puschel“ eben.
Den Straußenschinken, den wir mitnehmen, gibt’s heute Abend an Bord. Denn nach Finowfurt sind es etwa drei unkomfortable Kilometer. Genauso weit entfernt vom Hafen liegt eine Sehenswürdigkeit: das Luftfahrtmuseum (www.luftfahrtmuseum-finowfurt.de).
Er hat den Kopf gehoben und beobachtet uns ohne Scheu. Wir können seine dunkel schimmernden Augen erkennen und das mächtige Geweih: ein Hirsch, nur wenige Meter von uns entfernt am Ufer. Dunst schwebt über dem Kanal, der sich wie ein dunkles Band vor uns erstreckt – der Morgensonne entgegen. Wir sind auf dem Weg nach Eberswalde.
Etwa zwei Kanalkilometer unterhalb der Marina „Eisvogel“ treffen wir auf den WSC Alte Mühle. Die kleine Hafenanlage (Durchfahrtshöhe 4 m, -breite 6 m, -tiefe 2 m) war gestern bereits gegen Mittag für die Nacht ausgebucht. Dort hätten wir ortsnah gelegen, allerdings ist Finowfurt auch recht unspektakulär.
Gegen 9 Uhr stehen wir wie vereinbart vor unserer ersten Schleuse heute, Schöpfurth. Alles ist vorbereitet. Und während die „Europa“ absinkt, werden wir wieder per Handy weitergemeldet. Auf dem Finowkanal klappt die Schleusenbedienung, jedenfalls bei unserem Besuch. Die Eingangsschleusen Ruhlsdorf und Liepe betätigen Beschäftigte des WSA Eberswalde, an den zehn übrigen Schleusen kurbeln Verwaltungshelfer. Für ein Schwätzchen ist immer Zeit und für gute Hinweise auch.
Eberswalde
1648, der Dreißigjährige Krieg ist endlich vorbei. Die Zerstörungen, die er hinterlassen hat, sind ungeheuer, auch der 1620 fertig gestellte Finowkanal ist verwüstet. Erst rund hundert Jahre später, 1746, geht der „zweite“ Finowkanal in Betrieb. Er rückt das Finowtal in den Fokus der brandenburgischen Industrialisierung und trägt den wirtschaftlichen Fortschritt der Region. Zeugnisse dieser Vergangenheit begegnen uns jetzt, im Raum Eberswalde, immer häufiger – so der Messingwerkhafen, in dem sich heute ein einfacher Wasserwanderrastplatz befindet. Der Wasserturm und die Messingwerksiedlung sind Ausflugsziele in der Nähe (www.wasserturm-finow.de).
Nach zwei weiteren Schleusen – Heegermühle und Wolfswinkel – dürfen wir uns über eine „Extrawurst“ freuen: Die Hubbrücke in Eberswalde wird außer der Reihe für das vor uns fahrende WSA-Schiff geöffnet, und wir dürfen mit. Sehr praktisch, die Brücke hat nämlich den Ruf eines Nadelöhrs, da sie nur im 2-Stunden-Takt gehoben wird.
Im Unterwasser der Schleuse Drahthammer liegt der Anleger Familiengarten. Von hier aus sind es etwa fünf Gehminuten bis zum gleichnamigen Park. Seine Themen: Gärten, Industriegeschichte und sonstige Kurzweil (www.familiengarten-eberswalde.de). Auf die Schleuse Kupferhammer folgt der Graffiti-verschmierte Bootsanleger Finowkanal-Park.
Der Wasserwanderrastplatz Eberswalde Stadtschleuse ist ebenfalls keine Augenweide. Fest machen wir schlussendlich, nach Rücksprache mit dem Schleusenwärter, im Unterwasser der Stadtschleuse Eberswalde. Hier lässt es sich, auch ohne Service, gut aushalten. Wir bummeln durch die City zur „Bierakademie“, einem Tradi-tionslokal mit stattlicher Bier-auswahl, die allerdings bei näherem Hinsehen keine großen Überraschungen birgt.
Das Szenerestaurant „Matisse“ im stilvoll restaurierten Altstadt Carrée ist wie das moderne Eberswalde: frisch und lebendig. Der Ort kann mit einigem aufwarten, zum Beispiel einem Zoo (www.zoo.eberswalde.de). Und er hat einen Goldschatz von unschätzbarem Wert. Das heißt, Eberswalde besitzt nur noch eine Kopie desselben, denn das Original – 1913 in der Messingwerksiedlung ausgegraben – kam erst nach Berlin und dann, 1945, abhanden. 81 Einzelstücke, zu 80 Prozent Feingold und insgesamt 2,59 kg schwer – alles weg.
Fast 60 Jahre blieb Deutschlands spektakulärster, bronzezeitlicher Goldschatz verschollen, inzwischen kennt man seinen Verbleib – Moskau, Puschkin-Museum. In Eberswalde kann eine Nachbildung des Goldschatzes bewundert werden, ausgestellt in der historischen Adler-Apotheke, die ihrerseits zu den wichtigsten brandenburgischen Baudenkmälern zählt (www.eberswalde.de).
Die Schleusen Ragöse (Rastplatz im Unterwasser) und Stecher haben wir passiert, auch die Klappbrücke Niederfinow. Fast unmerklich hat sich die Gegend in eine offene Hügellandschaft verwandelt. Mit einem Mal sehen wir in der Ferne eine Stahlkonstruktion – grau und kantig: das 1934 in Dienst gestellte Schiffshebewerk Niederfinow an der Havel-Oder-Wasserstraße. Dorthin wollen wir.
Schiffshebewerk Niederfinow
Unterhalb der Schleuse Liepe erreichen wir nach knapp 400 m die Einmündung des Finowkanals in die HOW.
800 m weiter sind wir am Ziel. 52 m hoch ragt das Schiffshebewerk vor uns auf. Ohne erst an der Sportbootwartestelle fest machen zu müssen, können wir gleich in den Trog einfahren. Während sich die Wanne rumpelnd in Bewegung setzt und Mann und Maus binnen fünf Minuten um 36 m anhebt, fällt unser Blick auf die angrenzende Großbaustelle.
Hier entsteht das neue Schiffshebewerk Niederfinow. Wenn es 2014 in Betrieb geht, wird das historische Hebewerk vorerst noch mitlaufen. Doch dann wird es stillgelegt und zum Denkmal. Bei dem Gedanken, den alten Schiffsaufzug eines Tages im Ruhestand vorzufinden, befällt uns leise Wehmut. Aber jetzt bringen wir erst einmal die „Europa“ über HOW und OHW zurück nach Zehdenick.