Das Hafenamt der Stadt Kiel hat eine Hafenbehördliche Anordnung für alle Sportboothäfen in Schleswig-Holstein herausgegeben, die zunächst als realitätsfern gelten müsste. Im Wortlaut heißt es darin:
„Alle beschädigten oder gesunkenen Wasserfahrzeuge (incl. deren gesunkener Bauteile/Zubehör) sind unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31.10.2023, durch eine Fachfirma bergen zu lassen. Nach der Bergung sind die Fahrzeuge so zu sichern, dass von ihnen keine weitere Gefahr (incl. Umweltgefährdung) ausgeht (Entsorgung, Instandsetzung, Lagerung etc.).“
Zu dieser Art Anordnungen ist die Hafenbehörde laut Landesverordnung aus Gründen der Gefahrenabwehr berechtigt.
Doch warum diese knappe Frist? Zwar sind die Bergungsfirmen wie etwa der Marine Claims Service (MCS) dabei, die Boote zu bergen, aber bei der Vielzahl der Fälle und den teils erschwerten Bedingungen ist eine vollständige Bergung in der gesetzten Frist sehr wahrscheinlich nicht möglich. Das bestätigt unter anderem Jonas Ball, Marketing-Leiter beim Versicherungsmakler Pantaenius.
Zur Fristsetzung sagt Amtsleiter und Hafenkapitän Michael Schmidt: „Die Anordnung haben wir am Montag herausgegeben. Zum einen wollten wir damit einen gewissen Druck aufbauen, da von einigen gesunkenen Yachten eine Gefahr für die Umwelt oder den Schiffsverkehr ausgeht. Allerdings gab es am Montag noch keinen umfänglichen Überblick über das Ausmaß der Schäden. Sollte es jetzt innerhalb der Frist nicht möglich sein, alle Boote zu bergen, werden wir die Frist verlängern.“
Ein anderer Aspekt der Anordnung betrifft die Versicherungen. Aus ihr könnte sich ein rettender Strohhalm für all jene ergeben, die ihr Boot nur haftpflicht-, aber nicht kaskoversichert haben. Das beträfe nach derzeitigem Stand zwar nur wenige Eigner, könne für diese allerdings empfindlich teuer werden, so Jonas Ball.
Die Kaskoversicherung für das Boot schließt in der Regel neben dem Schaden am Boot auch die Bergungskosten mit ein. Ist keine Kasko vorhanden, sondern nur eine Bootshaftpflicht, tritt diese normalerweise nicht ein. Betroffene Eigner müssten die teils hohen Bergungskosten somit aus eigener Tasche zahlen.
Wegen der behördlichen Anordnung könnte jetzt jedoch ein anderer Umstand eintreten was die Bergung betrifft. „Mit der Anordnung wird die Bergung zu einem öffentlich-rechtlichen Fall“, sagt Rechtsanwalt Benyamin H.K. Tanis von der auf Yachtsport spezialisierten Kieler Kanzlei Tanis von der Mosel. „Die Bergung wird somit erzwungen. Damit kann es ein Fall für die Bootshaftpflicht sein.“
Betroffene sollten prüfen, ob ihre Police den nachstehenden Passus oder etwas Vergleichbares enthalte:
Öffentlich-rechtliche Pflichten oder Ansprüche zur Sanierung von Umweltschäden gemäß Umweltschadengesetz (USchadG) sind mitversichert, soweit während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages die schadenverursachenden Emissionen plötzlich, unfallartig und bestimmungswidrig in die Umwelt gelangt sind oder die sonstige Schadensverursachung plötzlich, unfallartig und bestimmungswidrig erfolgt ist.
Gegenüber dem Versicherer solle man sich auf diese Klausel berufen und die Hafenbehördliche Anordnung gleich mitschicken.
Auch für jemanden, der eine sehr alte Privathaftpflicht habe, also keine Bootshaftpflicht, könne sich ein Blick in die Versicherungsbedingungen lohnen. Normalerweise seien in neueren Verträgen Schäden ausgenommen, die durch den Betrieb von Luft- oder Wassersportfahrzeugen entstünden, so Tanis. Das sei häufig etwa bei Jetski-Unfällen der Fall. Stehe in älteren Verträgen ein solcher Passus jedoch nicht, bestehe eine Chance, dass auch ein Privathaftpflicht-Versicherer einspringe.