Noch immer fällt es schwer, das, was vergangenen Freitag und Samstag passiert ist, zu begreifen. Das Jahrhunderthochwasser, das insbesondere die Ostseeküste Schleswig-Holsteins und Dänemarks heimgesucht hatte, hat mancherorts immense Schäden hervorgerufen. Wie hoch sie am Ende zu beziffern sein werden, ist noch nicht absehbar. Es werden aber sicherlich viele Millionen Euro nötig sein, um überflutete Häuser, gebrochene Deiche, unterspülte Straßen und zerstörte Hafenanlagen wieder instand zu setzen.
Getroffen hat es auch unzählige Bootsbesitzer. In mehreren Häfen hielten die Molen den anrollenden Wassermassen nicht stand. Stege wurden aus ihren Verankerungen gerissen, Heckpfähle waren schlicht nicht hoch genug, sodass sie bei Wasserständen von über zwei Meter über dem mittleren Wasserstand in den Fluten versanken. In der Folge lösten sich Festmacherleinen, Schiffe trieben ab, kollidierten mit Nachbarliegern, sanken am Liegeplatz oder wurden aufs Ufer geworfen.
Glück im Unglück hatte, wessen Schiff mit leichten Blessuren davonkam. Schrammen an der Bordwand, gerissene Segelpersenninge oder selbst ein zerfetztes Vorsegel, das sich im Sturm gelöst hatte, lassen sich mit überschaubarem Aufwand reparieren. Klafft hingegen ein Loch im Rumpf, hat sich der Bug am Steg aufgerieben, wurden Klampen aus dem Deck gerissen oder ist das Schiff gar auf Tiefe gegangen, erreicht die Schadenshöhe im Einzelfall schnell fünf-, wenn nicht sechsstellige Werte.
Jonas Ball, Sprecher vom Bootsversicherungsvermittler Pantaenius Yachtversicherungen, sagt: “In Anbetracht des Ausmaßes der Sturmflut sehen wir aktuell keinen Grund, die entstandenen Schäden auf eine mangelnde Sorgfalt bei der Vorbereitung zurückzuführen. Im Rahmen der Pantaenius Yacht-Kaskoversicherung sind die entstandenen Schäden also erstmal bedingungsgemäß gedeckt.”
Und auch Andreas Medicus, Geschäftsführer beim Bootspolicenmakler Hamburger Yachtversicherung Schomacker, sichert zu: “Im Rahmen unserer Versicherungsverträge werden alle Schäden beglichen.”
Gleichlautendes kommt auch von Thorsten Franz, dem Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen vom Assekuranzmakler Firmenich Yachtversicherungen: “Wer bei uns eine Bootskasko abgeschlossen hat, dessen Schäden sind gedeckt. Im Falle eines Totalverlusts fällt nicht einmal eine Selbstbeteiligung an.”
Das extreme Hochwasser wird als ein Fall von höherer Gewalt eingestuft. Dadurch hervorgerufene Schäden sind versichert. “Und auch die Kosten für eine gegebenenfalls erforderliche Bergung des Schiffs sowie die Beseitigung des Wracks sind von der Kaskoversicherung gedeckt”, ergänzt Andreas Medicus.
Aufatmen kann also, wer eine Bootskaskoversicherung über einen der namhaften Anbieter abgeschlossen hat. Die beinhaltet in der Regel eine Allgefahrendeckung. Das heißt, grundsätzlich sind alle Schadensereignisse versichert, die nicht ausdrücklich im Kleingedruckten ausgeschlossen sind, wie beispielsweise Kriegsereignisse.
Entgegen anderslautender Gerüchte, die seit dem Wochenende vor allem in den sozialen Netzwerken kursieren, braucht sich zunächst einmal ein solcherart Versicherter also keine Sorgen zu machen, dass man Zahlungen kürzt oder ganz verweigert, weil man nicht genügend getan hat, um sein Schiff zu schützen. Den Einwand der groben Fahrlässigkeit wollen die großen Versicherungsanbieter offenbar nicht ins Feld führen.
Das hieße im Klartext, auch wer beispielsweise vor oder während der Sturmflut nicht bei seinem Schiff war, um es in einen sichereren Hafen zu verlegen oder mit zusätzlichen Leinen zu sichern, behielte den vollständigen Versicherungsschutz.
“Wenn die großen Versicherer das so sagen, ist das wegweisend!”, erklärt dazu der auf Sportbootrecht spezialisierte Rechtsanwalt Heyko Wychodil. Als Kaskoversicherter habe man zwar einen Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Versicherungsleistung. “Aber”, so Wychodil, “die Versicherer könnten durchaus versuchen, Eignern vorzuwerfen, grob fahrlässig gehandelt zu haben. Etwa, weil sie Segel nicht abgeschlagen oder die Sprayhood nicht abmontiert oder weil sie zu wenige oder zu schwache Leinen ausgebracht haben.
Dass die führenden Anbieter nun bekunden, anstandslos zu zahlen, sei deshalb gut. Weniger im Bootsbereich etablierte Versicherer könnten allerdings sehr wohl versuchen, betroffenen Eignern eine Mitverschulden anzulasten. “Die rechtliche Lage gibt das her. Dann aber ist der Versicherer in der Beweislast. Er muss dem Eigner erst einmal nachweisen, seiner Sorgfaltspflicht nicht ausreichend nachgekommen zu sein”, so der Rechtsanwalt.
Auch Jochen-P. Kunze, ebenfalls auf Sportbootrecht spezialisierte Anwalt, betont, dass er hinsichtlich der anstehenden Schadensabwicklung kein grundsätzliches Problem sehe. “Eine solche Hochwasserkatastrophe sollte von den hierzulande inzwischen gängigen Kaskopolicen gedeckt sein”, so Kunze. Anders könnte es bei kleineren oder ausländischen Versicherungsanbietern aussehen. “Wenn in deren Verträgen statt der Allgefahren- eine Einzelgefahrendeckung steht, muss man schauen, ob Schäden infolge eines Hochwassers oder Sturms explizit versichert sind.”
Ärger mit der Versicherung befürchte er gar nicht so sehr hinsichtlich der Anerkennung des Schadensereignisses. “Streitigkeiten sind vielmehr bei der Bewertung vom am Schiff entstandenen Schäden zu befürchten”, so Kunze. “Insbesondere bei sehr hochwertigen Yachten rate ich, sich einen eigenen Gutachter zu nehmen, statt allein dem Urteil des Sachverständigen der Versicherung zu vertrauen.” Der solle wenn irgend möglich schon bei der Bergung oder Erstbegutachtung durch den Versicherungsgutachter dabei sein, um die Interessen des Eigners wirksam zu vertreten. “Im Zweifel, wenn kein professioneller Gutachter zur Verfügung steht, zumindest jemand mit ausgewiesenem Sachverstand hinzuziehen. Etwa einen Bootsbauer oder Segellehrer”, so der Tipp von Anwalt Kunze. Damit ließe sich erfahrungsgemäß viel Ärger von vornherein vermeiden.
Auf ihrem Schaden sitzen bleiben naturgemäß all jene, die ihr Boot nicht oder lediglich haftpflichtversichert haben. Das kann je nach Schiffswert und Schadensart richtig ins Geld gehen. Schlimmstenfalls ist ein unversichertes Boot gesunken und muss geborgen und entsorgt werden. Die Kosten dafür trägt dann im Zweifel der Eigner.
Wurde das eigene Boot hingegen beispielsweise von einem Nachbarschiff beschädigt, das sich losgerissen hat, besteht die Chance, sich den Schaden von dessen Eigner oder seiner Haftpflichtversicherung erstatten zu lassen. Dann aber müsste man dem Nachbarn vor Gericht nachweisen, schuldhaft gehandelt zu haben. Die Aussichten auf Erfolg schätzen Experten für solch einen Fall als eher gering ein.
Was kaskoversicherte Eigner nun aber auf jeden Fall tun müssen, so noch nicht geschehen: Kontakt mit der Versicherung beziehungsweise mit dem Versicherungsmakler aufnehmen. Gemeinsam werden dann die nächsten Schritte zur Schadensermittlung und -beseitigung besprochen. Im Alleingang sollte niemand gleich die nächste Werft mit einer Reparatur beauftragen.
“In der Regel müssen betroffene Eigner, deren Schiffe nicht irreparabel beschädigt sind, zunächst einen Kostenvoranschlag von einer Reparaturwerft einholen und uns vorlegen”, erklärt Jonas Ball von Pantaenius. Bei geringfügigen Schäden werde man sich aber flexibel zeigen. Beseitige ein Eigner beispielsweise kleinere Schrammen und Kratzer am Rumpf in Eigenregie, könne er nach vorheriger Absprache die Kosten dafür auch selber kalkulieren und gegen entsprechende Belege anschließend der Versicherung in Rechnung stellen.
In vielen Fällen wird aber wohl Geduld gefragt sein. In den am schwersten vom Hochwasser heimgesuchten Häfen dürften die ansässigen Bootsbauer absehbar über Wochen und Monate ausgelastet sein. Dennoch geht es bei größeren Schäden nicht ohne das Okay der Versicherung inklusive der Schadenseinschätzung seitens eines Gutachters. Auch wenn das bedeutet, dass mangels zügiger Reparaturmöglichkeiten für den einen oder anderen die kommende Saison ins Wasser zu fallen droht.