OstseeWie sieht es ein Jahr nach der Sturmflut aus?

Fabian Boerger

 · 20.10.2024

Vor einem Jahr wütete die Sturmflut an der Ostseeküste
Foto: Morten Strauch
Vor einem Jahr wütete eine Jahrhundert-Sturmflut über Teile der deutschen und dänischen Ostseeküste. Einiges hat sich bereits getan: Gesunkene Schiffe wurden geborgen, Deiche, Molen und Stege geflickt. Doch vielerorts sitzt der Schrecken noch tief - und es gibt noch reichlich zu tun.

20. Oktober 2023: Ein Tag, an dem die Ostsee zeigte, wozu sie fähig ist. Elf Windstärken aus östlicher Richtung und eine Sturmflut, die Rekordhöhen erreichte. In Flensburg stieg der Wasserstand auf über 2,27 Meter über Normalnull – ein neuer Höchstwert. Die Folgen: Deiche brachen, weite Gebiete wurden überschwemmt; Steinmolen und Hafenanlagen erlitten schwere Schäden. Die Verwüstungen waren enorm.

Vor allem Hafenbetreiber und Bootsbesitzer waren betroffen. An mehreren Orten in Schleswig-Holstein wurden Sportboote an Land gespült oder sanken. Im Olympiahafen Kiel-Schilksee gingen laut Angaben der Sporthafen GmbH 48 Schiffe unter. Im Hafen von Schleswig waren es 24. Auch in Grömitz und Damp sanken mehrere Schiffe.

Frühes Saisonende und reichlich Arbeit in Sicht

Das Ereignis hat offenbar noch immer Auswirkungen. Viele Segler sind weiterhin sehr verunsichert. Früher als in den vergangenen Jahren holen sie ihre Boote aus dem Wasser. Je näher das entscheidende Datum kommt, desto schneller leeren sich die Liegeplätze in den Häfen entlang der schleswig-holsteinischen Ostseeküste. Diesen Eindruck bestätigen auch Hafen- und Werftbetreiber auf Nachfrage.

Philipp Mühlenhardt, Geschäftsführer der Sporthafen Kiel GmbH, sagt im Gespräch mit der YACHT: „Es scheint allen noch in den Knochen zu stecken. Die Bootseigner sind alle ganz hektisch vor dem Datum.“ Deshalb hätten die Hafenmeister zurzeit alle Hände voll zu tun.

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Auch vor den Häfen steht noch Arbeit an. Vor Schilksee sollen in den kommenden Wochen die Überreste der beschädigten Steinmole repariert werden. Mit diesen Arbeiten hatte man bereits im Juli begonnen und 3,5 Tonnen Steine verbaut. Doch das war nicht ausreichend, sagt Mühlenhardt. Das werde nun nachgeholt. Ansonsten waren die Steganlagen sowie die Elektrik zu Beginn der Saison wieder vollständig instand gesetzt. "Der Scherbenhaufen ist so gut es geht beseitigt", sagt Mühlenhardt.


Mehr zur aktuellen Situation der Häfen:


Finanziell schwere Zeiten wegen Ostsee-Sturmflut

Es gibt jedoch ein Problem: Die Sturmflut hat vor allem private Betreiber in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. schätzt So schätzt Mühlenhardt den Schaden in den neun Häfen der Sporthafen Kiel GmbH auf insgesamt rund 2,5 Millionen Euro. „Wir müssen nun sehen, wie wir das Ganze im Rahmen unserer Möglichkeiten ausgleichen können.“

Ein Teil der Unterstützung kommt vom Land Schleswig-Holstein. Kaum war der Sturm vorüber und die erheblichen Schäden sichtbar, versprach das Land den Betroffenen umfangreiche Hilfen. Dafür wurde ein Sondervermögen eingerichtet, das dort eingesetzt wird, wo Schäden nicht durch Versicherungen abgedeckt sind. Vorrangig sollen damit Reparaturen in kommunalen Häfen und Anlegern gefördert werden. Zudem wird der Wiederaufbau von Deichen unterstützt.

Für Privatpersonen und Unternehmen, wie privat betriebene Häfen, gibt es das Programm „Überbrückungshilfe Sturmflut“. Betroffene können ein zinsgünstiges Darlehen erhalten, um den Wiederaufbau beschädigter Gebäude oder Betriebsstätten zu erleichtern (die Details: hier).


Die Sturmflut-Schäden in Zahlen:

  • 430 Schäden hat allein Pantaenius registriert. Die Versicherungsexperten schätzen die Gesamt­zahl betroffener Yachten auf 1.300 bis 1.700
  • 73 Schiffe hat Pantaenius als Totalverlust klassifiziert. Insgesamt könnten es bis zu 300 Yachten sein
  • 28 Tage waren Mitarbeiter des Bergeteams in den Häfen unterwegs, mit nur einer Nacht dabei
  • 90 Prozent Förderung soll es für Küstenschutzprojekte geben

Mehr vom Versicherungsexperten:

Im Podcast unseres Schwestermagazins YACHT spricht Dirk Hilcken von Pantaenius über die Auswirkungen der Ostsee-Sturmflut und warum Versicherungen für Yachten seitdem noch stärker nachgefragt werden:


Höhere Gebühren für Liegeplätze nach Ostsee-Sturmflut

Auch die Sporthafen Kiel GmbH hofft weiterhin auf Unterstützung vom Land. Bisher sei jedoch noch nichts eingegangen, so Mühlenhardt. "Wir verlassen uns darauf, dass es kommen wird." Doch er ist zuversichtlich: Die Ministerien seien darum bemüht, sagt er. Mit dem Geld vom Land sollen dann auch die regulären Instandsetzungsmaßnahmen ermöglicht werden.

Allerdings steht schon jetzt fest, dass die Gebühren für Liegeplatzinhaber steigen werden, so Mühlenhardt. Wie hoch diese Erhöhung ausfallen wird, könne er momentan noch nicht sagen. Er glaubt jedoch nicht, dass dies bei den Liegeplatzinhabern auf Unmut stoßen wird. Viele zeigten Verständnis und seien vor allem dankbar dafür, dass zum Saisonbeginn alles wiederhergestellt worden sei, so Mühlenhardt.


Gut zu wissen, in stürmischen Zeiten:


“Noch nicht alle Sturmflut-Schäden abgearbeitet”

In den Werft-Betrieben ist die Stimmung derweil gut, die Auftragsbücher sind ordentlich gefüllt. Ralf Petersen, Geschäftsführer der Bootsbauinnung Schleswig-Holstein, sagt im Gespräch mit der YACHT: Die meisten Werften hätten eine ohnehin gute Auftragslage durch das normale Geschäft - also durch Reparaturen, Aus- und Umbauten, Wintereinlagerungen und den Hafenbetrieb. „Und dann kam mit der Sturmflut eine Schadenswelle auf die Werften zu“, so Petersen.

Bis heute seien die Schäden noch nicht vollständig behoben. Konkrete Zahlen habe er nicht, aber er schätzt, dass etwa 20 Prozent der Sturmschäden noch bearbeitet werden. Zudem sei die Verteilung der Schadensfälle sehr unterschiedlich. In einigen Häfen, wie zum Beispiel in der Ancora Marina in Neustadt in Holstein, habe es keinen einzigen gegeben. In Damp oder Grömitz gebe es dafür umso mehr.


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Starker Zusammenhalt in Großenbrode nach Ostsee-Sturmflut

Oder in der privat geführten Marina von Großenbrode - auch dort war die Zerstörung enorm. Nachdem der Sturm mit voller Wucht den Hafen getroffen hatte, blieb ein Trümmerfeld zurück. Doch anstatt in Sorge zu verharren, begegnete man im Yachtclub Großenbrode dem Desaster von Anfang an mit einem Plan und tatkräftigem Einsatz. Viele Mitglieder kamen zusammen, sammelten Unrat und halfen bei der Bergung havarierter Boote. Der Wiederaufbau in Eigenregie hat die Mitglieder enger zusammengeschweißt.


Eine Reportage von vor Ort:


Mehr Sturmfluten erwartet

Doch auch hier hat die Sturmflut etwas verändert: Der Vorsitzende des Yacht-Clubs Großenbrode, Lars Kremp, sagt im gegenüber der Redaktion, dass der Blick in die Zukunft ein anderer geworden ist. Man rechnet nun damit, dass solche Wetterphänomene häufiger auftreten werden. Deshalb plane man im Sommer bessere Vorbereitungen, so Kremp – durch stabilere und höhere Stege sowie organisatorische Maßnahmen.

In Kiel sieht man es ähnlich. Dort ist geplant, feste Stege zeitnah durch Schwimmstege zu ersetzen. Zudem sollen die Wellenbrecher erhöht werden, erklärt Philipp Mühlenhardt, Geschäftsführer von Sporthafen Kiel. Dies sei jedoch nicht sofort umsetzbar. Aufgrund der finanziellen Größenordnung eines solchen Projekts müsse langfristig geplant werden. Mühlenhardt: “Diese Maßnahmen müssen jetzt angestoßen werden.”


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