ReiseMontenegro - von der Bucht von Kotor in den Süden

Thomas Kittel

 · 09.06.2023

Die "Azura" mit der Gastflagge Montenegros in Porto Montenegro
Foto: Thomas Kittel
Seit Jahren erkunden Thomas und Jutta Kittel Europas Reviere mit ihrer „Azura“ auf eigenem Kiel. Ihre Touren führten die Marlow 72 bereits zum Nordkap, um die britischen Inseln herum und über Biskaya und die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer. Zuletzt war die Adria an der Reihe, wo die Yacht in Tivat in Montenegro überwinterte. Nun geht die Reise des Trios weiter.

Endlich sind wir auf dem Wege nach Tivat in Montenegro, wo unsere „Azura“ den Winter verbracht hat. Wir sind gespannt, wie weit die Navar-Werft mit der Saisonvorbereitung gekommen ist. Denn endlich geht es weiter auf unserer Erkundung des Mittelmeers. Nach der kroatischen Adria in vergangenem Jahr wollen wir diesmal bis in die Ägäis kommen. Doch bevor wir Griechenland erreichen werden, liegen zwei andere Länder auf unserem Weg: zunächst Montenegro und dann Albanien – das für uns noch mit einigen Fragezeichen versehen ist.

Die Werft liegt ganz nahe am Flughafen von Tivat, den man von Berlin aus direkt anfliegen kann. Bei entsprechender Windrichtung erfolgt der Landeanflug über die Bucht von Kotor und man könnte fast aufs Schiff springen, bevor der Flieger aufsetzt. Aber heute herrscht leichter Westwind, sodass wir von der Bergseite her landen. Beim Aussteigen begrüßen uns praller Sonnenschein und 34,5°C – wohlgemerkt am 6. Juni. Die Werft hat ganze Arbeit geleistet, aber hier und da fehlt noch eine Kleinigkeit. Wie in jedem Jahr liegt die Fertigstellung bei 100 – X %, wobei X eine Variable ist, die selbst in Deutschland noch nie null war.

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Kleine Startschwierigkeiten in Tivat...

Unser beim Sturm im letzten Herbst zerrissenes Bimini ist neu angefertigt, am Rumpf wird noch poliert, Aufbauten und Teakdeck sehen super aus, Schwimmwesten, Feuerlöscher und die automatische Löschanlage im Schiff sind professionell gewartet worden. Nachdem das Schiff per Travellift zu Wasser gelassen ist, gehen wir an Bord und wollen die Maschinen starten. Die Motoren drehen beide ordentlich durch, springen aber nicht an. Die Generatoren machen dagegen überhaupt keinen Mucks. Nun geht die Sucherei los – erst zu dritt, am Ende zu acht. Alle Schalterstellungen richtig? Alle Verbindungen intakt? Wir finden trotz emsiger Suche nichts.

Hinter uns warten weitere Schiffe vor dem Travellift, den wir in der Box blockieren. Als wir nach einer Stunde intensiven Suchens immer noch nichts gefunden haben, ruft der Werftchef bei Caterpillar an und bestellt einen Techniker, der tatsächlich in Nullkommanichts vor Ort ist. Seine computergestützte Diagnose zeigt an, dass irgendwo eine Verbindung fehlt. Daher lassen sich die Maschinen aus Sicherheitsgründen nicht starten. Erneut wird gesucht – und wieder nichts gefunden, bis einer endlich die rettende Idee hat.

Ihr habt doch die Feuerlöschanlage warten lassen? Ist die Verbindung zum Gesamtsystem wiederhergestellt worden? Und schon haben wir die Ursache am Wickel: eine kleine Steckverbindung ist von der externen Servicefirma vergessen worden – das wars. In einer Sekunde ist die Verbindung hergestellt – und schon läuft alles wieder wie am Schnürchen. Die Mienen entspannen sich und der bereits eingetroffene Trawler, der uns aus der Box hätte ziehen sollen, kann wieder abrücken.

... und ein paar administrative Hürden

Nach den technischen Voraussetzungen kommen die administrativen Hürden dran. Wie im letzten Jahr in Kroatien erhebt auch Montenegro eine Gebühr in Form einer „Vignette“ für das Befahren der Gewässer. Vorher muss Navar uns schriftlich bestätigen, dass unsere „Azura“ von Oktober bis Juni in deren Obhut war. Außerdem müssen wir uns als Touristen kostenpflichtig registrieren lassen. Da wir auch volltanken wollen, ist eine Terminvereinbarung mit einer Hafentankstelle nötig. Der Preis für versteuerten Diesel liegt derzeit bei etwa 1,55 € - übrigens die Landeswährung in Montenegro. Unversteuerter Diesel ist ebenfalls erhältlich und kostet dann etwa 1,10 €. Allerdings muss man dann nach dem Tanken das Land sofort verlassen, was logistisch genau überlegt sein will. Außerdem braucht man für steuerfreien Diesel einen Bootsstempel, der kostenpflichtig angefertigt werden muss. Es gibt also genug zu laufen, zu reden, zu stempeln und zu bezahlen. Dann können wir endlich ablegen und die Werftatmosphäre mit piependen Fahrzeugen und geräuschvollen Maschinen verlassen. Auch wenn wir uns bei Navar sehr gut aufgehoben gefühlt haben, freuen wir uns nun auf das Neue.

Kotor und der Nationalpark Lovćen

Wir nehmen Kurs auf Kotor, dass der wunderschönen und ständig von Kreuzfahrern angelaufenen Bucht ihren Namen gegeben hat. Die Stadt mit ihren bedeutenden kulturhistorischen Bauwerken und ihrer Lage ist 1979 in das UNESCO-Weltkultur- und Naturerbe aufgenommen worden. Sie ist Sitz des katholischen Bistums Kotor und Zentrum der serbisch-orthodoxen Christen Montenegros. Die Stadt und die von bis zu 1894 Meter hohen Bergketten (Orjen und Lovćen) umrahmte tiefe Bucht sind die bekannteste und meistbesuchte Tourismusregion des Landes. Wenn man liest, wer in Kotor seit 300 v.Chr. alles gebaut, regiert, geherrscht, gewütet, zerstört und wieder aufgebaut hat, versteht man sofort, welch hohes Gut der Frieden ist, über den wir Deutsche uns bis jetzt fünfundsiebzig Jahre lang – und hoffentlich auch weiterhin - freuen durften.

Nach einem morgendlichen Gewitter reißt der Himmel auf und wir nehmen uns einen Mietwagen, mit dem wir in die vor unserer Kabinentür liegende Bergwelt fahren.

Zunächst geht es die 25 Serpentinen von Kotor hinauf mit zahlreichen atemberaubenden Blicken hinunter auf die Bucht. Man erzählt uns, dass diese auch „Leiter von Cattaro“ genannte Panoramastraße vor etwa zweihundert Jahren unter österreichisch-ungarischer Regie gebaut worden sein soll. Diese in reiner Handarbeit in die Felsen gekerbte Strecke stellt eine ungeheure menschliche Leistung dar und bedeutete damals den einzigen Zugang ins Landesinnere. Heute fahren Autos, Motorräder und selbst Busse dort hinauf, wobei man vor engen Begegnungen keine Angst haben sollte … irgendwie findet sich immer ein Weg.

Nach dem Aufstieg per Auto liegt der Nationalpark Lovćen vor uns und lockt mit dem spektakulär auf die Bergspitze des Jezerski Vrh gebauten Mausoleum von Peter dem Zweiten. Über 461 Stufen, die zum Teil durch einen in den Berg gehauenen Tunnel führen, erreicht man diese atemberaubend gelegene Gedenkstätte, von der aus man in einem letzten Schritt zum Panoramaaussichtpunkt gelangt. Oft ist dieser fantastische Blick auf die Bergwelt durch Wolken blockiert. Doch wir haben Glück: heute hängen die wenigen Wolken tiefer und lassen uns die umwerfende Perspektive ungestört genießen.

Die Insel Sveti Stefan

Über die frühere Hauptstadt Montenegros Cetinje geht es zurück an die Küste, wo die malerische Insel Sveti Stefan zum Verweilen einlädt. Ein kurzer Damm verbindet die kleine Insel, deren Fläche lediglich 1,46 Hektar umfasst, mit dem Festland. Sveti Stefan ist insbesondere bekannt für das malerische gleichnamige Fischerdorf mit Häusern aus dem 15. Jahrhundert. Auf der Insel befinden sich mehrere alte Kirchen, so auch die des Heiligen Stefan (Sveti Stefan), die der Insel ihren Namen gab. In den 1950er und 1960er Jahren wurde das ganze kleine Dorf zu einer Hotelinsel mit etwa 250 Betten umgebaut. Die Gassen, Dächer und Häuserfassaden haben ihren ursprünglichen Charakter bewahrt.

Die Insel wurde 2007 von der Firma Amanresorts für 30 Jahre vom Staat Montenegro geleast und danach renoviert. Im Sommer 2010 begann eine schrittweise Wiedereröffnung als Aman Sveti Stefan. Heute befindet sich Sveti Stefan zu 100 Prozent im Besitz des Unternehmens Amanresorts. Deshalb ist es inzwischen lediglich den Hotelgästen gestattet, sich auf dem Eiland aufzuhalten. Sonstige Besucher dürfen die Insel zwar auch betreten, müssen jedoch Eintritt bezahlen.

Eine andere Methode für eine Stippvisite auf Sveti Stefan ist es, einfach einen Platz in einem Restaurant zu reservieren. In jedem Falle lohnt es sich, dieses zauberhafte Urlaubsidyll aus direkter Nähe zu bewundern.

Der nächste Tag in Kotor fällt zunächst buchstäblich ins Wasser. Nach einem ohrenbetäubenden Morgengewitter beginnt es sintflutartig zu gießen und hört erst gegen 15 Uhr wieder auf. Wir nutzen die Pause, um ins nahegelegene Budva zu fahren und uns dort die Altstadt anzusehen. Wer allerdings vorher Kotor erlebt hat, wird eher etwas enttäuscht sein. Um die Altstadt herum sind zahlreiche Hotels gebaut worden, die dem historischen Kern einiges von seinem Charme nehmen. Außerdem wirkt der Ort touristisch etwas aufgebrezelt und verströmt für uns nicht die gleiche Anziehungskraft.

Nach Porto Montenegro

Bei wieder wunderbarem Wetter fahren wir zurück durch die Bucht von Kotor, vorbei am niedlichen Perast mit seinen vorgelagerten Inselchen „Sveti Dorde“ und „Gospa od Škrpjela“ (Maria vom Felsen). Dabei handelt es sich um eine künstliche Insel, die durch ein Bollwerk von Felsen und durch alte gesunkene Schiffe, die mit Steinen beladen waren, geschaffen wurde. Die beiden Inseln gehören seit 1979, ebenso wie die ganze Bucht von Kotor, zum Weltnatur- und Weltkulturerbe der UNESCO. Ziel ist Porto Montenegro, wo wir uns mit Chris und Doreen aus England treffen, die dort ihr Schiff liegen haben.

Noch kann man steuerfreien Diesel für 1,15 € tanken, aber da man danach sofort das Land verlassen muss, verzichten wir zunächst darauf – ein großer Fehler, wie sich bald herausstellen wird. Stattdessen ärgere ich mit der Marina herum, die mir weismachen will, dass der Landanschluss nicht funktioniert, weil unser Boot ein Problem hat. Es kostet mich einen ganzen Tag, mehrere Besuche der Hauselektriker und schließlich das Einschalten eines externen Elektrikers, um der Marina zu beweisen, dass ihre Ladesäule nicht richtig funktioniert. Schließlich erfahren wir sogar, dass die Ersatzteile bereits bestellt, nur noch nicht geliefert wurden. Man wusste es also schon die ganze Zeit und wollte uns trotzdem an der Nase herumführen – ganz schlechter Stil.

Weiter Richtung Süden: die Marina Bar

Am nächsten Tag legen wir ab in Richtung Marina Bar am südlichen Ende Montenegros. Das Manöver – normalerweise reine Routine – muss hier genau überlegt sein. Plötzlich auftretende seitliche Windböen bis 7 Bft drücken unser Schiff wie ein Spielzeug herum. Wir müssen also eine Pause abpassen und dann schnell aus der Box rausfahren, um nicht mit dem Nebenlieger zu kollidieren. Ein erfahrener Profisegler und früherer Seemann hilft uns mit den Leinen und so kommen wir unbeschadet in freies Wasser. Die Böen begleiten uns den ganzen Tag und erreichen auf offener See sogar Windstärke acht – ein erster echter Härtetest für unser nagelneues Bimini, das im letzten Herbst einem Sturm zum Opfer fiel.

Die Kommunikation mit der Marina Bar per Funk ist aufgrund der starken Windgeräusche schwierig. Ich verstehe irgendwie „Pier 7“, bin mir aber nicht sicher.

Noch in der Hafeneinfahrt weht der Wind mit 5 bis 6, was ein Anlegen mit Muringleinen zu einem Kunststück machen würde. Glücklicherweise hat man für uns einen Liegeplatz zum längsseits Anlegen vorbereitet. Mir fällt ein Stein vom Herzen und schon bald liegen wir gut vertäut am Steg. Wir sind noch mit den üblichen Arbeiten nach dem Anlegen beschäftigt, als uns eine aufgeregte Seglerin aus Neuseeland fragend anbrüllt, ob wir ihr Schiff verlegt haben. Ihr Schiff sei dabei beschädigt worden.

Wir sind etwas irritiert ob der Tonlage und fragen uns auch, wie man beim Anlegen wohl ein fremdes Schiff verlegen soll. Offenbar hat die Hafencrew, um Platz für uns zu schaffen, die „Intrepid Kiwi“ ohne zu fragen verlegt und dabei wegen der Windverhältnisse auf einer Länge von einem Meter den Gelcoat bis auf den Rumpf abgescheuert. Zunächst wird anscheinend alles abgestritten, aber die „Unerschrockenen Kiwis“ lassen nicht locker und bestehen darauf, die Videoaufnahmen anzusehen. Und dort ist alles genau dokumentiert, sodass der Hafen klein beigibt und nicht nur die Reparatur bezahlt, sondern auch noch einen Nachlass bei den Liegegebühren gewährt. Nun herrscht wieder Frieden allerseits!

Vorbereitung auf Albanien

Wir nehmen uns erneut einen Mietwagen, da wir etwas vom Land sehen wollen und müssen außerdem noch ein Paket bei der Werft in Tivat abholen. Durch einen schweren Unfall, der einen stundenlangen Verkehrsstau nach sich zieht, stehen wir jedoch mehr auf der Straße, ohne etwas schönes Neues zu erleben. Inzwischen haben im Hafen hinter uns zwei Segelboote mit deutscher Besatzung angelegt. Natürlich kommt man in Kontakt und insbesondere der aus Albanien kommende Skipper leistet uns große Hilfe. Er nimmt uns die letzten Zweifel über das, was uns dort erwartet, und versorgt uns mit Kontaktdaten der Agenten, die in den albanischen Häfen die Ein- und Ausklarierungsformalitäten erledigen. Das ist ein unschätzbarer Service in einer Gegend, wo wenig Englisch gesprochen wird und die Bürokratie eine starke Stellung hat.

Als wir vor der Abreise noch einmal steuerfrei volltanken wollen, erleben wir eine unliebsame Überraschung. Montenegro hat mit Wirkung zum 11. Juni 2022 das steuerfreie Tanken abgeschafft.

Wir wollen das zunächst nicht glauben und fragen beim Porto Montenegro an, ob das stimmt – leider ja. So müssen wir halt für 1,58 € pro Liter tanken und mehrere Tausend Euro mehr bezahlen als noch vor drei Tagen. Der Tankwart stellt sich als interessanter Mann heraus, der 15 Jahre zur See gefahren ist und viel von der Welt gesehen hat. Er interessiert sich für uns, unser Schiff und unsere Reisen, was den dreistündigen Tankaufenthalt etwas kurzweiliger macht.

Letzte Formalitäten

Nun steht uns nur noch der Bürokratiemarathon des Ausreisens bevor. Da wir wegen des Windes einen Tag länger in Montenegro bleiben, muss die Vignette verlängert werden – also auf zum Harbour Master. In Office 1 werde ich zu Office 2 geschickt. In Office 2 sitzt ein Beamter, der mir in einer internationalen Sprachmischung zu verstehen gibt, dass der richtige Sachbearbeiter gerade nicht da ist – bitte draußen warten. Leute kommen, Leute gehen – es zieht sich in die Länge. Schließlich ist Office 2 doch betriebsbereit. Man rät mir auch, die Abmeldung für morgen gleich jetzt zu machen. Gesagt, getan – das erspart beim Ausklarieren einen Behördengang.

Am nächsten Morgen fahren wir zum Ausklarieren in den kommerziellen Port of Bar, wo wir uns bei der Polizei und beim Zoll vorstellen müssen. Nach einer kurzen Wartezeit sind alle Formalitäten erledigt und wir verlassen frisch gestempelt und mit dem Segen der Behörden Montenegro. Das Wetter ist vom Feinsten, die stürmischen Winde haben sich vorerst verzogen und so steht der etwa sechsstündigen Fahrt nach Durres (Albanien) nichts mehr im Wege. Schon bald entschwindet die montenegrinische Küste aus unserer Sicht und der Blick geht nach vorn – was wird Albanien uns bringen?

Fortsetzung folgt!


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