Unbekannt
· 05.04.2020
Ein spätsommerlicher Chartertörn auf der Müritz-Elde-Wasserstraße quer durch Mecklenburg von Plau bis nach Schwerin – fast...
Der Sommer 2018 wollte auch im Norden kein Ende nehmen. Selbst Anfang Oktober war es noch immer angenehm warm. Erste Vorboten des Herbstes zeigten sich allenfalls auf dem feuchten Oberdeck unseres Bootes frühmorgens. Wir sind in Plau am See, genauer gesagt im "Fischerhafen am Leuchtturm" in dem Yachtcharter Schulz seinen westlichsten Charterstützpunkt betreibt. Zwölf Boote von 10,20 bis 12,20 Meter Länge stehen 2019 hier zur Verfügung.
Ein echter "Erlebnishafen" übrigens, der in seinem Fischerhof mit lokalen Spezialitäten von "A" wie Aal bis "Z" wie Zander zum Schlemmerbrötchen einlädt.
Zudem lockt er mit seinem Leucht- und Aussichtsturm an der Spitze des Damms zwischen Hafen und Elde Touristen in Scharen an. Wer allerdings einen traditionellen Fischereihafen erwartet, liegt komplett daneben. Die Rede ist von einer modernen Marina mit Wasser, Strom sowie komfortablen Sanitäranlagen. Auf der Nordseite des Hafens steht eine schicke Ferienhaussiedlung, die mit dem Slogan "Näher am Fisch – Ferienwohnungen direkt am Wasser" vermarktet wird.
Da beim Chartern vor dem Auslaufen ja immer das Bunkern liegt, sei vermerkt, dass drei Discounter und ein Supermarkt nur einen Kilometer vom Hafen entfernt an der Kreuzung B 103/B 191 liegen: Einkaufsherz, was willst du mehr?
Nach dem Bunkern noch auf Strecke zu gehen, hat wenig Sinn. Wie wir von Basisleiter Wolfgang Fritz erfahren, ist an der Schleuse Bobzin, 18 Kilometer westlich von Plau, Wartungsbetrieb, und es wird nur zweimal täglich, um 12 und 15 Uhr, geschleust. Also bleiben wir in Plau und gucken uns für das abendliche Fischmahl das 600 Meter vom Hafen entfernte Fischerhaus aus, vor dem es "An der Metow" auch Längsseitsliegeplätze gibt.
Motor an, Leinen los: Auf zur Metow! Doch da haben wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Es ist rappelvoll, und so verholen wir in den Wasserwanderrastplatz Plau, der gegenüber der Promenade unterhalb der Straßenbrücke der B 103 liegt. Zur Ausstattung des Hafens gehören Wasser- und Stromanschlüsse, Sanitäranlagen und eine Absaugstation. Über die Brücke erreicht man das andere Ufer und nach 300 Metern das Fischerhaus.
18 Kilometer bis Bobzin, dazu eine Hubbrücke und zwei Schleusen: Das sind mindestens drei Stunden Fahrzeit. Also stehen wir am nächsten Morgen kurz vor 9 Uhr an der Meldestelle für die Hubbrücke, die sich an der Hafenausfahrt am Südufer der Elde unmittelbar unterhalb der Straßenbrücke befindet. Ein kleines Kajütboot ist bereits auf Position.
Um Punkt 9 Uhr ertönt die Alarmklingel an der Hubbrücke, Schranken versperren dem Verkehr beidseits die Zufahrt zur nur 13 Meter langen Brücke, und atemberaubend langsam nimmt die Straße samt kleinem Steuerhaus die Fahrt nach oben auf. 1916 erbaut, 1991/92 renoviert und 2000 mit neuer Antriebstechnik und Fernbedienung ausgestattet, ist das stählerne "blaue Wunder" ein wichtiges technisches Denkmal der Stadt und für uns Sportbootfahrer unverzichtbar zur Passage dieses Nadelöhrs:
In geschlossenem Zustand nur 2,50 m über der Wasserlinie, kann die Brücke bis zu 1,86 m angehoben werden und gibt damit die Fahrt für Boote bis 4,36 m Höhe auf der Müritz-Elde-Wasserstraße frei.
Wenn sie öffnet, ist auch die folgende Schleuse Plau bereits betriebsklar und erwartet uns für die Weiterfahrt in Richtung Westen. Auf diesem Törn ist Plau also diesmal nicht "Das Tor zur Seenplatte", sondern das Tor zur Müritz-Elde- und zur Stör-Wasserstraße, die uns über 90 Kilometer bis nach Schwerin führen sollen. Gemeinsam mit dem Kajütboot geht es um 10 Uhr durch die Schleuse Barkow im Selbstbedienungsbetrieb weiter zu Tal.
Fünf Kilometer unterhalb von Barkow passieren wir dann den Wasserwanderrastplatz Kuppentin, einen Campingplatz mit Bootsanleger, der in der Region unter Sportschiffern als "Bermudadreieck" bekannt ist und bei dem in der Hochsaison nicht nur das Wasser kocht! Aber jetzt Anfang September liegt trotz des guten Wetters kein Boot mehr am befestigten Ufer, und der Platz macht einen geschlossenen Eindruck.
Um 11.30 Uhr erreichen wir die Schleuse Bobzin bei Kilometer 104: Waren wohl doch ein bisschen zu schnell: 18 Kilometer in 2,5 Stunden vertragen sich nicht mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von sechs Stundenkilometern. Aber niemanden kümmert’s. Die elektronische Anzeige an der Schleuse signalisiert "Wartungsbetrieb", was für uns heißt: Warten!
Erst um 13 Uhr entlässt uns die Kammer nach einer Talschleusung von erstaunlichen 6,80 Metern. Mehr Hub gibt es an der MEW nicht!
Unterhalb der Schleuse bis weit über das Städtchen Lübz hinaus zeigt sich die Wasserstraße naturbelassen. Breite, teilweise bis dicht an das Fahrwasser heranreichende Schilf- und Röhrichtgürtel geben ihr das Gepräge eines unregulierten Flusses. Nur die Strömung fehlt.
Unterhalb der Stadtdurchfahrt von Lübz dringen plötzlich sphärische Glockenklänge an unser Ohr. Zweifelsfrei kommen sie aus dem ufernahen Röhricht, mal als einzelner heller Ton, mal als vielstimmiger Glockenklang. Es ist, als sei im Röhricht eine Lautsprecheranlage versteckt, die uns mit diesem Klang animieren will, im Städtchen Lübz zu verweilen. Erst auf dem Rückweg wird uns der Hafenmeister von Lübz des Rätsels Lösung offenbaren …
Das langsame Tuckern bleibt entspannt, und der Blick schweift über Wiesen, Waldabschnitte und verdorrte Felder, deren Ernte in diesem Jahr der Trockenheit zum Opfer fiel. In weiten Schleifen trägt uns die Elde durch sonnenverbranntes Land von Lübz nach Parchim. Unterhalb der Schleuse Neuburg (km 83) wird das südliche Ufer hügelig und erreicht westlich von Slate die für Mecklenburg-Vorpommern erstaunliche Höhe von 108,80 m über dem Meeresspiegel. Fünfzig Kilometer und fünf Schleusen am ersten Törntag: eine Menge Holz! Aber wenn es gut läuft und das Wetter passt, können acht Stunden unterwegs auch richtig Spaß machen.
Die betonnte Einfahrt zum Wasserwanderrastplatz "Fischerdamm" in Parchim ist etwas tricky: Der Elde-Altarm, in dem der Hafen liegt, verläuft parallel zur MEW, und deshalb laufen wir an diesem Abzweig nicht "ein", sondern weiterhin "aus". Also müssen die roten Tonnen an Steuerbord bleiben. Nur so umschiffen wir das Flachwasser am Südufer des Abzweigs. Etwa 600 Meter hinter der Einfahrt beginnt an Steuerbord das befestigte Ufer, das in leichter Rechtsbiegung über 175 Meter perfekte längsseitige Liegeplätze bietet. Je weiter man in den Altarm hineinfährt, desto dichter ist man an den Sanitäranlagen und natürlich auch dem Städtchen. Am Ufer gibt es Wasser- und Stromautomaten, am Sanitärgebäude Duschmünzen.
Der Hafenmeister kommt am frühen Abend vorbei und kassiert für unser 11,50 m langes Boot 13 Euro Hafengeld. Wir sind und bleiben heute das Gastboot. "Wo wollt ihr denn hin?", fragt er uns. "Nach Schwerin!" – "Oh, das könnte schwierig werden! Der Störkanal hat oberhalb von Schleuse Banzkow bis zum See kein Wasser mehr. Guckt mal bei ,ELWIS‘." Und tatsächlich: "Der Störkanal oberhalb der Schleuse Banzkow darf nur noch mit einem Tiefgang von maximal einem Meter befahren werden."
Ängstlicher Blick in die Bootspapiere: Tiefgang: 1,00 m. Also werden wir es versuchen. Parchim lassen wir uns von dieser Hiobsbotschaft aber nicht vermiesen. Über einen sanften Hügel erreicht man die sehenswerte Altstadt rund um den historischen "Schuhmarkt" und den "Alten Markt" fußläufig in zehn Minuten. Backstein und Fachwerk allerorten. Das gotische Rathaus aus dem 14. Jahrhundert, die noch ältere Pfarrkirche St. Georgen, aber auch das Gebäude des ehemaligen Kaiserlichen Postamts sind steinerne Zeugen des einstigen Wohlstands der Stadt.
Zu den historisch bedeutenden Persönlichkeiten der neueren Stadtgeschichte zählt der preußische Generalfeldmarschall Graf Helmuth von Moltke, der im Jahr 1800 in Parchim geboren wurde. Sein Geburtshaus in der Langen Straße 28 kann besichtigt werden.
Nach so viel Geschichte darf das leibliche Wohl nicht fehlen. Zwei Tipps: Das Restaurant Viete im ehemaligen Postamt, Schuhmarkt 5 (www.postamt-parchim.de) und der Stadtkrug, Apothekenstraße 11 (www.stadtkrug-parchim.de).
Drei Stunden Fahrt von Parchim bis zum Elde-Dreieck, dem Abzweig in den Stör-Kanal: Der soll uns zum Schweriner See bringen. Über zehn Kilometer geht es "schnurgeradeaus". Früher standen mal riesige Pappeln am Treidelpfad, doch die sind längst gefällt. Knorrige Eichen und lockerer Mischwald sind geblieben. Langeweile macht sich breit. Da ist die markante Fußgängerbrücke bei Kilometer 6,8 schon ein richtiger Aufreger.
Ein paar Jollenkreuzer kommen uns mit gelegtem Mast entgegen, wohl Rückkehrer von einer Wochenendregatta am Schweriner See. Dass keine größeren Motoryachten dabei sind, macht unsere Stimmung nicht besser.
Nach eineinhalb Stunden liegt die Schleuse Banzkow vor uns. Kaum haben wir an der Kammerwand festgemacht, kommt der Schleusenwärter und fragt: "Wie viel Tiefgang?" – "Einen Meter."– "Und wie lange wollt ihr in Schwerin bleiben?" – "Ein, zwei Tage", sage ich. Er warnt: "Oh, oh, jeden Tag weniger Wasser!" – "Wir wollen es trotzdem versuchen." – "Wie ihr wollt", antwortet er, "aber ohne Garantie durch die Wasserstraßenverwaltung."
Nach 400 Metern zögerlicher Fahrt sitzen wir im weichen Modder fest. Das war’s mit Schwerin und Schloss! Immerhin kriegen wir das Boot ohne Hilfe wieder flott und schleichen zurück: "Ging nicht!", beichten wir dem Schleusenmeister, der keine Miene verzieht: "Tja, so is dat…"
An einem Tag den Störkanal zweimal zu durchfahren ist eine harte Probe für die Aufmerksamkeit. Zum Glück liegt der Hafen von Matzlow-Garwitz (MEW-km 60,5) nur knapp fünf Kilometer östlich vom Eldedreieck, und so ist unser ungeplantes Tagesziel nach 15 Kilometern erreicht (www.hafen-matzlow-garwitz.de).
Der Hafen liegt in einer geschützten Ausbuchtung abseits vom Kanal und bietet 50 Liegeplätze, davon 35 für Gäste. An den soliden Schwimmstegen mit Seitenauslegern gibt es Wasser- und Stromanschlüsse; im Sanitärgebäude neben Duschen und WC auch Waschmaschine und Trockner. Neben der Tankstelle für Benzin und Diesel steht eine Fäkalien-Absauganlage. Hinzu kommen ein morgendlicher Brötchenservice, Fahrradverleih und Motorenservice. Für die Nacht bezahlen wir 18 Euro. Rund 400 m vom Hafen entfernt lockt neben der Schleuse Garwitz übrigens ein öffentliches Freibad.
Nebenbei erzählt Hafenchef Hans Ahrendt, dass die Saison für ihn ein Albtraum war: "Schon früh war die Elbe diesmal ohne Wasser, und von Dömitz kam kein einziges Boot mehr die Elde hoch. Und nun auch noch der Schweriner See …" Kein Wunder also, dass heute außer uns nur noch ein weiterer Gästeplatz belegt ist. Matzlow-Garwitz ist nicht der Nabel der Welt.
Wenn ein honoriger Bewohner seinen Achtzigsten feiert, ist die "Gaststätte zur Schleuse" am Abend schon mal geschlossen, weil tagsüber kräftig gefeiert wurde. Und so gibt es bei uns am Abend Brotzeit an Bord. Weil es uns beim ersten Besuch so gut gefallen hat, machen wir am nächsten Tag noch einmal in Parchim fest und genießen erneut den Bummel durch die Altstadt.
Gespannt sind wir auf Lübz: Vor allem darauf, ob uns der sphärische Glockenklang wieder begrüßen wird, der uns auf dem Hinweg so verblüfft hat. Und tatsächlich! Wieder schallen uns aus dem Röhricht die Glocken und Glöckchen entgegen. Und so geht im Stadthafen die Frage an den Hafenmeister, ob er diesen Klang kenne und wisse, woher er komme. "Na klar", sagt er und lächelt, "das sind die leeren Pullen, die die Angler ins Wasser geworfen haben. Die verfangen sich im Röhricht und schlagen in den von den Booten verursachten Wellen gegeneinander." Darauf wäre ich im Traum nicht gekommen!
Die Stadtmarina Lübz liegt in einem Altarm der Elde abseits vom Hauptkanal. Die schmale Zufahrt ist leicht zu übersehen. Der Hafen bietet Gastplätze mit Wasser und Strom, Duschen, WC, Fäkalienabsaugstation, Waschmaschine und Trockner. Zum nahen Ortskern mit Einkaufsmöglichkeiten sind es nur gut 300 Meter.
Der Alte Amtsturm ist nicht nur das Wahrzeichen der Stadt, sondern auch der Name eines empfehlenswerten Restaurants. Und nicht wundern, wenn das Bauwerk irgendwie bekannt vorkommt: Es ziert Etikett und Kronkorken jeder Flasche, die das bekannteste Getränk der Stadt enthält: Lübzer Pils.
Noch vier Schleusen und 20 Kanalkilometer zurück bis Plau. Bevor wir endgültig in unserem Heimathafen festmachen, nutzen wir den Anleger an der Strandstraße zwischen Schleuse und Hubbrücke für einen Zwischenstopp: Nur wenige Schritte sind es von hier bis zur Altstadt mit ihren schönen Fachwerkhäusern und der Plauer Burg mit einem kleinen Heimatmuseum.
Auch wenn der Titel "Acht Schleusen bis zum Schloss" versprochen hat und aus bekannten Gründen selbst nach 16 Schleusen aus dem Schloss nichts geworden ist, bleibt doch das positive Fazit:
Entspannter als auf der Elde kann – auch ohne Schloss – ein spätsommerlicher Törn kaum sein.