Bodo Müller
· 07.03.2023
Auf eigenem Kiel nach Rabat, Casablanca und Agadir: Wer Kurs auf die Kanaren nimmt, kann die Reise auch an der Küste von Marokko entlang planen – in vergleichsweise bequemen Etappen. Denn die nautische Infrastruktur ist weitaus besser, als angenommen. Wir stellen sieben Städte und ihre Häfen vor. Ab nach 1001 Nacht!
Die spanische Mittelmeerküste ist ein ebenso beliebtes Reiseziel für Bootsfahrer wie die Kanarischen Inseln. Doch was liegt dazwischen? Die meisten würden antworten: 600 Seemeilen Atlantik. Deshalb schaffen es auch nur größere Motoryachten von Gibraltar nonstop nach Lanzarote. Dabei hat man unterwegs immer Land an Backbord: Afrika ist zum Greifen nahe. Warum legt dort niemand an?
“Da ist Wüste“, „es gibt keine Häfen“, „dort ist es unsicher“. So lautet die landläufige Meinung. Dabei gibt es an der Atlantikküste Marokkos, am Rand der Sahara durchaus Häfen. Und gerade für Motorboot-Crews wäre es eine interessante Option, unterwegs Stopps zum Nachbunkern von Kraftstoff und Wasser einzulegen. Dass es dort nur Wüstensand gibt, stimmt ohnehin nicht. So unterhält Marokko beispielsweise eine der größten Fischfangflotten der Welt, die hier stationiert ist. Nur sind ihre Häfen international fast unbekannt und in vielen Seekarten und nautischen Führern nur nebenbei oder überhaupt nicht erwähnt. Da da Königreich jedoch mehr als zehn Prozent seiner Devisen durch den Tourismus erwirtschaftet, hat man auch seine nautische Sparte längst als Wirtschaftfaktor erkannt. Die Kanarenroute ist hier besonders interessant.
Aus diesem Grund hat der seit 1999 regierende König Mohammed VI. bereits mehrere Marinas bauen lassen und will auch in vorhandenen Fischerei- oder Handelshäfen Liegeplätze für Yachten schaffen.
Berühmte arabische Städte wie Rabat, Casablanca oder Essaouira klingen nicht nur wie aus einem abendländischen Märchen, sie sind auch so exotisch und einmalig schön, dass man sich in eine völlig andere Welt versetzt fühlt. Allen Vorurteilen zum Trotz kann man jetzt dort auch anlegen. Für Motorbootfahrer und Segler auf dem Weg von Südspanien zu den Kanaren öffnet sich damit das Tor in eine völlig neue Welt. Wir stellen die sieben wichtigsten Hafenstädte zwischen der Straße von Gibraltar und den Kanaren vor und zeigen Ihnen, wo Sie anlegen können und was Sie dort erwartet.
Das rund 3000 Jahre alte Rabat ist neben Fès, Mèknes und Marrakesch eine der vier Königsstädte Marokkos und seit 1956 Hauptstadt des Staates. Schon in der Antike unterhielten die Phönizier hier einen Seehafen, in etwa dort, wo sich heute die Marina Bouregreg am gleichnamigen Fluss befindet. Auf dem Flussufer gegenüber thront die Kasbah, eine in Jahrtausenden gewachsene Festung mit meterdicken Mauern. Westlich davon schließt sich die arabische Medina an, umschlossen von einer Stadtmauer aus dem 11. Jahrhundert.
Nach Passieren der Molenköpfe liegt die Marina Bouregreg 1,24 sm aufwärts der Flussmündung in den Atlantik. Der Fluss kann mit einem Tiefgang von maximal 4 Metern passiert werden. Da seine Strömung aber etwa 4 kn beträgt, wird Ortsfremden generell empfohlen, beim ersten Einlaufen einen Lotsen per UKW anzufordern. Angeblich soll die Strecke noch 2023 betonnt und befeuert werden. Bei einem Schwell von mehr als 2 m vor der Flussmündung wird die Zufahrt zur Marina gesperrt. Die Marina Bouregreg bietet 240 Liegeplätze für Boote bis 30 m Länge sowie einen Platz für eine Megayacht bis 60 m Länge. Es gibt Strom, Wasser, WC/Duschen, einen Travellift bis 80 t und eine Dieseltankstelle.
Das etwa 25 km östlich von Casablanca liegende Mohammedia ist ein wichtiger Umschlaghafen für Petrolprodukte. Zugleich ist der Ort mit seinen breiten Sandstränden der Badeort für die wohlbetuchten Einwohner von Casablanca. Ganz im Innern der weitläufigen Hafenanlagen gibt es einen Fischerhafen und den Yacht Club du Maroc. Hier können Boote bis 16 m Länge und 2,3 m Tiefgang anlegen. Es gibt Strom, Wasser, Toiletten/Duschen, eine Dieseltankstelle und einen technischen Service (Mechanik, Elektrik). Der Kran hebt 5 t.
Der Seehafen Casablanca ist der größte Umschlagplatz Marokkos und rangiert an sechster Stelle unter den größten Häfen Afrikas. Yachten können derzeit am westlichen Ende des neuen Kreuzfahrtterminals (an der Innenseite der Nordmole) anlegen. Im äußersten Westen der weiträumigen Hafenanlagen befindet sich momentan noch der gnadenlos überfüllte Fischereihafen. Er grenzt unmittelbar an die Medina, das mittelalterliche Zentrum von Casablanca. Derzeit wird für die Fischereiflotte ein neues, großes Becken ganz im Osten des Seehafens gebaut. Die Fischer sollen ab 2023 dorthin umziehen, damit der jetzige Fischereihafen in eine Marina umgewandelt werden kann. Sie soll 2027 fertig sein.
Neben der Medina, die an den älteren Teil des Hafens grenzt, sollte man die Hassan-II.-Moschee gesehen haben. Ihr Gebetsraum bietet Platz für 25000 Gläubige. Casablanca war und ist aber auch Schmelztiegel der Nationen und Kulturen. Das berühmteste christliche Bauwerk ist die Èglise Notre-Dame-de-Lourdes am Rond-Point d’Europe. In der Altstadt gibt es 30 Synagogen für die größte jüdische Gemeinde des Königreiches.
Berühmt wurde die Stadt durch den Kinofilm „Casablanca“ mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann. Das legendäre Rick’s Café, in dem nahezu der gesamte Film spielt, existierte nie in Casablanca, sondern nur in den Studios von Hollywood. Weil stets Touristen nach Rick‘s Café in Casablanca suchten, ließ die ehemalige US-Diplomatin Kathy Kriger im Jahr 2004 die Filmkulisse originalgetreu am ihr zugedachten Schauplatz nachbauen. Es liegt unweit des Hafens am Boulevard Sour Jdid 248. Wenn dort abends der Klassiker „As Times Goes By“ erklingt, heißt es nicht „Play it again, Sam“, sondern „Play it again, Issam“ – weil der Pianist nicht Amerikaner, sondern Araber ist.
Die am Ende des 15. Jahrhundert von Portugiesen gegründete und befestigte Hafenstadt diente der Sicherung der Wasser- und Proviantversorgung der eigenen Schiffe auf dem Seeweg nach Indien und später Brasilien. 1769 wurde El Jadida von den Berber-Stämmen zurückerobert. Die Bewohner flohen nach Brasilien.
Sportboote steuern zunächst in Richtung Fischereihafen und machen dann am Ponton des Club Nautique fest. Sollte dort nichts frei sein, können sie an der Mole vor der Gendamerie längsseits gehen. Der Hafen ist erreichbar für Boote bis 2 m Tiefgang und 25 m Länge. Am Club Nautique gibt es WC und Duschen. Strom und Wasser können zum Liegeplatz gelegt werden. Im Fischereihafen gibt es eine Diesel-Tankstelle.
Die rund tausend Jahre alte Hafenstadt war ab Mitte des 15. Jahrhunderts ein portugiesischer Handelsplatz für Sklaven, Gold und Elfenbein. Heute ist Safi ein wichtiger Industriehafen, in dem vor allem Phosphat für die chemische Industrie verschifft wird.
Weil die Schiffe immer größer und die bisherigen Piers damit zu eng wurden, entsteht seit 2020 ein neuer Chemiehafen weiter südlich. Dieser Port Nouveau Safi ist so gut wie fertig.
Der alte Hafen, der unterhalb der Altstadt liegt, soll zur Marina umgebaut werden. Bis diese vollendet ist, können Sportboote an der breiten Kaimauer unterhalb des Hafenbüros anlegen, also an Backbord kurz vor der Einfahrt in den Fischereihafen. Am Liegeplatz gibt es Wasser, Toiletten und Duschen. Diesel kann über einen Agenten beschafft werden. Auf dem Hafengelände gibt es mehrere Fischereibetriebe und Werften, die Reparaturen aller Art ausführen können. Der Travellift hebt 350 Tonnen.
Am 17. Mai 1970 startete der norwegische Archäologie Thor Heyerdahl von Safi aus mit dem Papyrusboot „Ra II“ und erreichte acht Wochen später Barbados. Die Altstadt von Safi ist bekannt durch den sehr sehenswerten Töpfermarkt, auf dem die umliegenden Handwerker ihre Waren feilbieten.
Der sehr urige und lebhafte Fischerhafen kann mit Booten bis 27 m Länge und 3,5 m Tiefgang angelaufen werden. Gastliegeplätze gibt es nicht, das Hafenamt weist einen freien Platz zu. Außer Wasser gibt es keinen Service. Diesel wird von einer 2 km entfernten Autotankstelle geliefert. In der benachbarten Reparaturwerft für Fischtrawler existiert ein 280-Tonnen-Travellift. Die einstige portugiesische Hafen- und Festungsstadt wurde im 16. Jahrhundert von den Arabern zurückerobert und zum wichtigsten Seehafen an der Atlantikküste ausgebaut. Der Knotenpunkt des Karawanen- und Seehandels bildete eine gute Voraussetzung für Wohlstand und Reichtum. Die sehr sehenswerte Medina, in der sich etliche Künstler und Kunsthandwerker niedergelassen haben, gehört heute zum Unesco-Weltkulturerbe.
Die 1505 von portugiesischen Seefahrern gegründete Hafenstadt wurde im Februar 1960 durch ein verheerendes Erdbeben nahezu komplett zerstört. Lediglich in der 240 m über dem Meeresspiegel liegenden Kasbah einige historische Bauten erhalten geblieben. Der Bezirk wird derzeit restauriert und soll ab 2023 als Ort der Kultur und Künste wieder zugänglich sein.
Das neue Agadir ist eine moderne Großstadt mit 700.000 Einwohnern. Parallel zum Strand reihen sich Hotels, Geschäfte und Restaurants aneinander. Eine arabische Altstadt gibt es nicht mehr.
Nach dem Erdbeben wurde südlich des Fischereihafens die Marina-Residenz gebaut, eine moderne Apartment-Anlage mit eigener Marina. Hier können Boote bis 15 m Länge und 4 m Tiefgang an modernen Schwimmstegen anlegen. Es gibt Strom, Wasser und eine Diesel-Tankstelle. Sanitäranlagen gibt es auch, um diese sollte man aber besser einen Bogen machen.
Größere Yachten können im benachbarten Port Commercial anlegen. Im Fischereihafen führen mehrere Reparaturwerften sämtliche Reparaturen in Holz, Metall und GFK aus. Neubauwerften zimmern noch heute Boote und Schiffe aus Zeder (unter Wasser) und Eukalyptus (über Wasser). Werkstätten für Motoren, Elektrik, Elektronik und Radar runden den Service ab. Der größte Travellift hebt 250 Tonnen.
Das Ansteuern eines marokkanischen Hafens ist unabhängig von der Größe des Schiffes nur zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang erlaubt. Hintergrund ist die bessere Kontrolle des Seeverkehrs, um den Schmuggel von Personen und Rauschgift zu unterbinden. Boote oder Yachten aus dem Ausland sollten sich immer anmelden (Kanal 16 oder Arbeitskanal). Ein Boot unter fremder Flagge darf nur aus zwingenden Gründen (schwerer Seegang, Havarie, medizinischer Notfall, dazu zählt auch schwere Seekrankheit) nachts einen Hafen ansteuern. Auch dies muss angemeldet werden. Vielerorts wird dann ein Lotsenboot geschickt. In jedem Seehafen und jeder Marina gibt es eine Station der Grenzpolizei und des Zoll. Es muss überall ein- und ausklariert werden. Danach darf man sich im Ort und im ganzen Land frei bewegen.
Es gibt derzeit keine aktuelle und detaillierte nautische Karte und auch kein wirklich aktuelles Hafenhandbuch der marokkanischen Atlantikküste als Printprodukt zu kaufen. Das einzige digitale Produkt, welches die marokkanische Küste halbwegs genau und aktuell abbildet, sind die elektronischen Karten von Navionics. So unseemännisch es auch klingt, den Küstenverlauf und die Bauten über Wasser sieht man am genauesten bei Google Earth.
Marokko bemüht sich um Rechtsstaatlichkeit. Die Präsenz von Polizei und Militär ist allgegenwärtig, vor allem in den Häfen. Unbefugte kommen üblicherweise nicht in einen Seehafen oder eine Marina. Insofern liegt eine Yacht unter fremder Flagge dort sehr, sehr sicher. Man sollte trotzdem beim Verlassen des Bootes alles abschließen, damit kein Fremder etwas an Bord „hinterlässt“. Der Handel mit Haschisch ist weit verbreitet. Leider bieten auch Grenzer oder Zöllner „Gras“ im Tausch gegen Alkohol an. Gehen Sie niemals auf solche Geschäfte ein. Nehmen Sie auch niemals „Geschenke“ unbekannten Inhalts mit an Bord.
Alkohol bekommt man in Marokko nur in internationalen Hotels und darf diesen auch nur in den dortigen Bars zu sich nehmen. Lassen Sie an Bord keine angebrochenen Wein- oder Spirituosen-Flaschen herumstehen, auch nicht im Kühlschrank. Auch sollten Sie Gläser, in denen noch Rotweinreste kleben, nicht in der Spüle liegen lassen, sondern sofort abwaschen. Bei jedem Ein- oder Ausklarieren kommen Polizei und Zoll an Bord. Sieht man Spuren von Alkoholgenuss, beginnt schnell eine langwierige Befragung. Keine Probleme machen nicht angebrochene Flaschen, die als Transitware verpackt in einer Backskiste lagern.
Während sich die Selfie-Kultur per Smartphone auch in Marokko rasant verbreitet, wird jeder, der eine professionell aussehende Kamera trägt, kritisch beäugt. Wer damit zu offensichtlich fotografiert, hat schnell die (fast) überall präsente Polizei auf dem Hals. Menschen wollen vor dem Fotografieren gefragt werden. Das gilt insbesondere für die (meist) kamerascheuen Berber. Absolut verboten ist die Einfuhr und die Benutzung von Drohnen jeglicher Art.