TörnPotsdamer und Berliner Havel - Nischt wie raus nach Wannsee

Unbekannt

 · 12.09.2016

Törn: Potsdamer und Berliner Havel - Nischt wie raus nach WannseeFoto: Christian Tiedt
Viel Verkehr auf dem Jungfernsee zwischen Potsdam und Berlin. Im Hintergrund die markante Heilandskirche bei Sacrow.

Auf dem ersten Abschnitt unseres Chartertörns von Werder zur Müritz stehen Potsdam und die Seenstrecke der Havel in Berlins grünem Westen auf dem Programm.

Das ist ein Start nach Maß: Kaiserwetter! Schon am Vormittag spielt das Thermometer Hochsommer, die zaghaften Schleier am Himmel sind keiner Rede wert und die Wellen plätschern nur leise ans Ufer. Wonnemonat Mai! Draußen ist schon viel los, Segler mit gelegtem Mast tuckern havelaufwärts, wer das Segel schon oben hat und keinen "Flautenschieber", braucht dagegen viel Geduld – oder ein Paddel.

Potsdamer Havel, im Hintergrund die Kirche von Geltow.
Foto: Christian Tiedt

Ein schneidiger Backdecker wirft Welle und pflügt wie ein Traum aus Mahagoni vorbei. Die Stimmung an Bord ist gut – nicht nur die blankpolierten Beschläge blitzen in der Sonne, sondern auch der Schampuskübel auf dem Tisch im Cockpit. Ganz entspannt legen wir ab, drehen in der Boxengasse und steuern auf die Potsdamer Havel hinaus, die hier so breit wie ein See ist.

Dann reihen wir uns in den Wochenendverkehr auf dem Wasser ein, Südkurs, der Sonne entgegen.

Zumindest für ein paar Kilometer. Danach werden wir für den Rest der Charterwoche zwar nach Norden schwenken, am Reiz der Route dürfte das aber nichts ändern – denn die sieht nicht nur viele Höhepunkte, sondern auch jede Menge Abwechslung vor: Von Werder werden wir der Havel aufwärts folgen, an Potsdams Schlössern vorbei und durch Berlins grünen Westen, weiter nach Oranienburg, am Rand der Uckermark entlang und schließlich über die Mecklenburgische Kleinseenplatte bis nach Mirow. Unser Boot: eine nagelneue Jetten 38 AC von Yachtcharter Werder. Das Deckslayout sieht so aus: Achtern wird gefahren, vorne gesonnt!

Vorbei an Werder

An Steuerbord zieht die Insel der Stadt Werder vorbei, historischer Kern der einstigen Fischersiedlung. Am Ufer sind Ausflügler unterwegs, und weiter hinten ragt der spitze Turmhelm der Heilig-Geist-Kirche aus dem Grün der Baumkronen. Theodor Fontane, unumstrittener Heimatdichter der Mark Brandenburg, soll dieses Wahrzeichen Werders einst als "Kleinstadtkathedrale" bezeichnet haben– ob spöttisch oder schmeichlerisch sei dahingestellt.

Bei den "Früchten" der Stadt, wurde der Dichter dagegen geradezu schwärmerisch: "Blaue Havel, gelber Sand / Schwarzer Hut und braune Hand / Herzen frisch und Luft gesund / Und Kirschen wie ein Mädchenmund."

Kaum liegt Werder achteraus, ragt schon das nächste Gotteshaus auf, diesmal an Backbord. Das markante grün, gelb und braun gemusterte Dach dort gehört zur Dorfkirche von Geltow, und voraus liegt bereits die Baumgartenbrücke, über die die Bundesstraße 1 weiter nach Potsdam führt.

Rechts davor an einer Pfahlreihe hat sich die Wasserschutzpolizei postiert: Ein Streifenboot dient den Beamten als schwimmende Aussichtsplattform, und wer sich nicht an die Regeln hält, darf am blauen Rumpf von "WSP 1" umgehend längsseits kommen. Wie der orangene Wakeboard-Bowrider vor uns, dessen Skipper wohl etwas zu viel für die "perfekte Welle" getan hat. Für uns scheinen sich dagegen nur die Schwäne zu interessieren, und so tauchen wir unbehelligt in die Schatten unter der Brücke.

Dicht unter dem Nordufer des Schwielowsees folgt unsere Jetten dem Fahrwasser zum Caputher Gemünde und weiter zum Templiner See, der etwa auf halber Höhe vom Bahndamm des Berliner Außenrings geteilt wird. Die doppelgleisige Trasse wurde in den Fünfzigerjahren verlegt, um das Territorium Westberlins auf der Schiene "umgehen" zu können.

Potsdams Panorama

Sobald die schmale Durchfahrt nahe dem westlichen Ufer passiert ist, liegt aber Potsdam voraus: prachtvoller preußischer Kuppelbau und aufpolierte DDR-Platte prägen jetzt als entgegengesetzte Extreme gemeinsam das Panorama, städtebaulicher Ausdruck komplizierter Geschichte, mit Irrungen und Wirrungen auch am Havelufer.

Doch spätestens, wenn die Halbinsel Hermannswerder querab an Steuerbord liegt und der Fluss sich verengt, sollte man die Aufmerksamkeit wieder auf das Nautische lenken: Zum einen, weil sich gegenüber mit dem Yachthafen Potsdam eine gute Möglichkeit für Gastlieger bietet (www.yachthafen-potsdam.de), zum anderen, weil die Fahrt hinter dem Nordende der hammerförmigen Halbinsel gegenüber der Havelbucht eine "spannende Wendung" nimmt: Die rote Seite des Tonnenstrichs muss mit Südostkurs unbedingt eingehalten werden, bevor das Fahrwasser zurück nach Nordosten schwenkt. Wer hier nördlich abkürzt, kann schnell auf dem Trockenen landen.

Potsdam wollen wir uns natürlich genauer ansehen, umso erfreuter sind wir, als nur zwei Kilometer weiter in der Marina am Tiefen See gerade ein Gästeplatz am Feststeg frei wird. Für den laufenden Meter bezahlen wir 1,80 Euro, dazu kommen noch einmal 1,50 Euro pro Person. Duschmarken kosten 1 Euro, die Strompauschale richtet sich nach der Bootsgröße (www.marina-am-tiefen-see.de). Für den Landgang in die Altstadt ist der kleine Hafen ideal, und wer nicht so gern zu Fuß geht, kann ein Fahrrad mieten.

Ins Holländische Viertel

Auf der Suche nach einem kühlen Schluck geht es zuerst ins nahe Holländische Viertel. Unter Friedrich Wilhelm I. 1831 begonnen, sollte das neue Quartier geschäftstüchtige Handwerker aus den Niederlanden nach Preußen locken – mit einer perfekten Kopie ihrer Heimat. Sumpf wurde trocken gelegt, Baumstämme eingerammt, ein Fundament aufgeschüttet. Darauf entstand ein Schachbrett von Straßen und Häusern, 134 insgesamt, komplett mit Traufen und Treppengiebeln, wie in Utrecht oder Amsterdam.

Sein Sohn Friedrich II., bald selbst der "Alte Fritz", stellte das Viertel fertig. Nur die Neubürger machten sich etwas rar, und am Ende zogen doch viele preußische Beamte ein.

Im April wird trotzdem noch immer groß gefeiert: das Tulpenfest, was sonst? Wir gönnen uns in der urigen "Hohlen Birne" in der Mittelstraße erst einmal ein echtes Potsdamer Bier im Stangenglas. Das kommt aus nächster Nähe vom anderen Havelufer aus dem Forsthaus Templin, einer kleinen Bio-Brauerei. Hätte es so feine Braukunst schon damals gegeben, würden heute vielleicht doch mehr Vissers und Van Dijks in Potsdam wohnen.

Welterbe auf allen Ufern

Aber damit ist das Kulturprogramm in der brandenburgischen Landeshauptstadt natürlich noch lange nicht am Ende; selbst ohne Schloss Sanssouci und seine Gärten ließen sich mehrere Hafentage in Potsdam füllen. Dutzende weiterer Repräsentationsbauten, die Glanz und Gloria des aufstrebenden Königreiches Preußen widerspiegeln sollten, zählen heute als Gesamt-ensemble zum UNESCO-Welterbe: vom barocken Neuen Palais, in dem später – zu Kolonialzeiten – sogar die "Spitze des Kilimandscharos" einen Platz fand, bis zum Belvedere auf dem Pfingstberg, für dessen elegante Kollonaden Preußens Hofarchitekten nach Italien blickten.

Der Tiefe See öffnet sich im Norden auf die – besonders an Wochenenden – wohl geschäftigste Wasserstraßenkreuzung im Revier: Vor den hellen Fassaden des Schlosses Babelsberg, das sich auf dem steilen Südufer im gleichnamigen Park erhebt, zweigt hier der Griebnitzsee ab, der weiter zum Teltowkanal führt. Im Norden spannte die berühmte Glienicker Brücke ihr stählernes Tragwerk über die Engstelle zwischen Potsdam und Berlin. Dahinter folgt der Jungefernsee, von wo man westwärts zum Sacrow-Paretzer-Kanal abbiegen oder der Seenkette der Havel weiter nach Spandau folgen kann – unsere Route.

Die Brücke der Agenten

Doch zunächst die Glienicker Brücke, die nicht nur die beiden Nachbarstädte trennt, sondern während des Kalten Krieges hinweg auch eine ganz besondere Nahtstelle zwischen den Blöcken darstellte. Dreimal wurden hier bis 1986 gefangene Agenten ausgetauscht, insgesamt 40 Personen, darunter der amerikanische Spionage-Pilot Gary Powers, der 1960 über der Sowjetunion abgeschossen worden war. Erst im vergangenen Jahr brachte US-Regisseur Steven Spielberg einen Film über die „Bridge of Spies“ in die Kinos.

Für die Dreharbeiten musste die Brücke für ein paar Tage in die Zeit der Deutschen Teilung zurückversetzt werden. Dafür wurde sie mit Kontrollposten, Staatswappen und DDR-Laternen ausstaffiert und – als Ironie der Geschichte – natürlich auch wieder komplett gesperrt.

Wer die "Agentenbrücke" selbst überqueren will, kann dafür an der öffentlichen Sportbootliegestelle auf der Potsdamer Seite festmachen. Allerdings ist es hier durch den Schwell der vielen Sportboote, Wassertaxis und Ausflugsschiffe sehr unruhig.

Also weiter nach Nordosten, vorbei an Schloss Glienicke und über den Jungfernsee mit der freistehenden Heilandskirche am grünen Nordufer. Wald schließt den Fluss nun auf beiden Seiten ein, und vor uns beginnt eine Seenstrecke, die bis nach Tegel hinaufführt und bis zur Wende das einzige Wassersportrevier der Westberliner war. Eine kleine Freizeitwelt für sich, mit festen Grenzen zwar, dafür aber umso schöner.

Viel Geschichte am Wannsee

Große Vereine mit langer Geschichte sind hier beheimatet. Ihre Stander – oft in den Farben des Kaiserreiches – zieren Rennruderer, Kajütboote, Jollenkreuzer und Yachten. Viele ankern in den Lanken, den schattigen Buchten der Havelseen.

Der Begriff stammt, wie so viele in der Region, noch aus dem Slawischen und bezeichnet eigentlich eine sumpfige oder feuchte Niederung am Ufer.

Die Pfaueninsel wird passiert, mit ihrem eigentümlichen, zweitürmigen Lustschlösschen, und danach das winzige Kälberwerder, im Privatbesitz eines Ruderclubs, bevor sich ebenfalls an Steuerbord die "Badewanne der Berliner" öffnet – der Große Wannsee mit seinem Strandbad und dem einen Kilometer langen Sandstrand am Ostufer.

"Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein, und dann nischt wie raus nach Wannsee", trällerte die junge Conny Froeboess 1951, gerade acht Jahre alt.

Der fröhliche Schlager machte das beliebte Ausflugsziel und das Mädchen mit der Berliner Schnauze im ganzen Land bekannt. Dabei hatte ihr Vater es eigentlich für die Schöneberger Sängerknaben geschrieben, wo es jedoch abgelehnt wurde – vielleicht gerade wegen der eigentlich so unschuldigen "Badehose".

Nach einer Runde verlassen wir den Großen Wannsee Richtung Norden. Dabei muss man sich gut von der Untiefe im Südwesten von Schwanenwerder freihalten, die bis in die Mitte der Wasserfläche reicht. Die grüne Fahrwassertonne an dieser Stelle trägt den bezeichnenden Spitznamen "Schwiegermutter" – wer sie schneidet, den lässt sie auflaufen...

Im Schatten des Grunewaldes

An Steuerbord steigen die bewaldeten Höhenzüge des Grunewaldes auf, mittendrin der Grunewaldturm mit gut besuchter Aussichtsplattform. Diese Stelle der Havel, die Große Breite, ist beliebtes Regattarevier, aber auch ohne Wettfahrt ist hier heute eine ganze Menge los. Laser, Folkeboote und Schärenkreuzer nutzen die jetzt etwas lebhaftere Brise für ihre Schläge zwischen den Ufern. Dazwischen pflügt die Weiße Flotte stromauf und stromab.

An ihrem nördlichen Ende teilt sich die Seenkette noch einmal auf, in den Stößensee im Osten und die Scharfe Lanke im Westen. Etwas südlich davon bietet die Marina Lanke Gastliegeplätze und Service (www.marina-lanke.de), die Bootstankstelle Berlin Super und Diesel (www.bootstankstelle-berlin.de).Dazwischen führt die Havel weiter nach Norden, nun strikt kanalisiert, hinein in den Bezirk Spandau.

Nach drei Kilometern mündet an Steuerbord die Spree ein. An diesem Punkt geht die Untere-Havel-Wasserstraße, der wir seit dem Jungfernsee gefolgt sind, in die Havel-Oder-Wasserstraße über, und schon bei HOW-km 0,5 wartet die Schleuse Spandau auf uns. Wir melden uns telefonisch an und gehen an der Wartestelle längsseits.

Wir müssen erst die Talschleusung eines polnischen Schubverbandes abwarten, doch es dauert keine zwanzig Minuten, bis der "Bizon" mit seinem Leichter – in eine fettige Abgaswolke gehüllt – aus dem offenen Tor schiebt.

Wir schleusen gemeinsam mit einem Binnenschiff, anderen Sportbooten und Paddlern, die bei der brennenden Sonne in der Kammer erstmal den Schirm aufspannen. Ganz entspannt geht es nach oben und weiter auf den Spandauer See.

Kurz darauf liegen wir fest an den noch neuen Schwimmstegen des Altstadthafens Spandau, direkt an der Promenade, in bester Lage und mit guten Versorgungsmöglichkeiten. Die Übernachtung kostet 1,50 Euro pro Bootsmeter, dazu kommt eine Pauschale von 2,50 Euro pro Person für Strom, Wasser und Sanitäranlagen (www.altstadthafen-spandau.de). Am Hafen: das gehobene, dafür sehr gute Fischrestaurant "Raymons" (www.raymons.de).

Die Spandauer Zitadelle

Zu Fuß geht es in 30 Minuten zur halb verborgenen Spandauer Zitadelle, deren von Wasser umschlossene, sternförmige Bastionen halb hinter Bäumen verborgen am südlichen Ende des Sees aufragen (www.zitadelle-spandau.de). Die mächtige, bald 500 Jahre alte Festung beherbergte bis 1919 den Reichskriegsschatz: Mehr als 1000 Kisten voller Goldmünzen wurden hinter meterdicken Mauern und einer drei Tonnen schweren Panzertür im Juliusturm aufbewahrt.

Der Schatz ist längst Geschichte, doch die Tür ist noch da. Man passiert sie, wenn man über die eindrucksvolle hölzerne Wendeltreppe im Inneren des Turmes bis auf seine zinnenbewehrte Plattform steigen möchte. Die Aussicht ist großartig. Mit den Augen folgen wir dem Lauf der Havel weiter nach Norden in Richtung Tegel. Morgen werden wir diesen Weg dann auf eigenem Kiel nehmen.

Die Schlösser Potsdams liegen hinter uns und auch die Gärten Berlins. Und mit ihnen die Sonntagsstimmung auf dem Wasser, weiße Segel und Bugwellen – und der hochsommerliche Sonnenschein, der dem Wonnemonat Mai in den vergangenen Tagen alle Ehre gemacht hat. Hätten wir die Badehose nicht zuhause vergessen, am Wannsee hätten wir sie ausgepackt!

Nun geht es unter einem grauem Himmel weiter nach Norden, vorbei an den Inseln des Tegeler Sees, bevor wir der kreuzenden Autofähre an der Engstelle bei Tegelort den Vortritt lassen. Danach holt der Fluss noch einmal Luft. Bis zu 400 Meter liegen seine beiden Ufer mit ihren kleinen Stegen und Lauben auseinander, bevor er unmerklich in den Nieder-Neuendorfer See übergeht, der bis hinter Oranienburg nun die einzige weite Wasserfläche bleiben wird.

Weiter nach Norden

Kurz vor dem nördlichen Ende des Sees (das schmale, betonnte Fahrwasser verläuft am westlichen Ufer) zweigt der Havelkanal nach Westen ab: Auf einer Strecke von knapp 35 Kilometern schlägt er einen weiten Haken um Westberlin (wohl der Hauptgrund für seinen Bau), bis er weit stromabwärts bei Ketzin zur Unteren Havel zurückfindet.

Nach einer Bauzeit von nur dreizehn Monaten war er 1952 fertiggestellt worden, mit Trümmerschutt aus der damals noch immer arg zerbombten Hauptstadt befestigt und bereits für den Ausbau vorgesehen. Doch er blieb das einzige große Wasserstraßenprojekt der DDR, das realisiert wurde. Von der Sportschifffahrt wird der Havelkanal weitgehend geschmäht.

Wer würde die verlockenden Lanken zwischen Reinickendorf und Babelsberg auch gegen seine eintönige, mit dem Lineal durch die Landschaft gezogene Rinne eintauschen, nur um neun Kilometer zu sparen? Da müsste man es schon sehr eilig haben. Links zieht jetzt Hennigsdorf vorbei, mit den riesigen Hallen der Elektrostahlwerke.

Zwischen rauchenden Schloten greift eine Kranklaue beherzt ins Innere eines längsseits liegenden Leichters und fördert ein Knäuel Metallschrott zutage, das kurz darauf mit großem Scheppern auf einem der rostigen Berge auf der Pier landet.

Doch so schnell, wie wir die Gewässerkarte wechseln, verschwinden die Verladebrücken hinter der nächsten Flussbiegung und der Industrielärm verhallt.

Noch eine gute Stunde weiter durchs Grüne (in dem bei Kilometer 18,4 LU der Havel-Oder-Wasserstraße auch der nette Hafen der Marina Havelbaude liegt: www.marina-havelbaude.de) und wir schwenken bei HOW-km 25 nach links auf die Oranienburger Havel ein, die uns zu unserem ersten Tagesziel bringt.

Ihre Wassertiefe wird eigentlich mit 1,4 Metern angegeben, doch das Kraut am Grund ist bereits jetzt so dicht, dass unser Echolot mehrfach sprunghaft und mit wildem Blinken 0,0 anzeigt. Bei Kilometer 1,7 wird es vor dem östlichen Ufer bei der kleinen Steganlage des WSC Möwe dann tatsächlich sehr flach. Hier besser dicht am Bollwerk auf der anderen Seite halten.

Aus dem Hause Oranien

Wir wollen ohnehin noch ein wenig weiter, denn jetzt wird es herrschaftlich – und fast schon großstädtisch. Unter der Brücke hindurch, in den jetzt sauber eingefassten Kanal, dann schiebt sich links die Barockfassade der "Oranienburg" ins Blickfeld – so taufte Brandenburgs Herrscher Friedrich Wilhelm das Schloss zu Ehren seiner niederländischen Gemahlin Luise Henriette.

Die dunkel gelockte Schönheit aus dem Hause Oranien, deren Einfluss auch auf die politischen Entscheidungen des Großen Kurfürsten immens gewesen sein soll, habe sich bei einer Jagdpartie im Jahre 1650 an die Landschaft ihrer Heimat erinnert gefühlt, weiß der allgegenwärtige Chronist der Mark Brandenburg, Theodor Fontane, zu berichten.

Selbst der noch recht neue Schlosshafen, in dem wir schon bald darauf festmachen, ist in gewisser Weise ein Erbe Luise Henriettes. War sie es doch, die sich als Erste um die Gestaltung des Schlossgartens gekümmert hatte.

Denn ohne Grünanlagen, Gemüsebeete und "Grotte" (ein kleines Gartenhaus) hätte er sich wohl nie zu jenem Park entwickelt, der 2009 Schauplatz einer Landesgartenschau wurde (passender Titel: "Traumlandschaften einer Kurfürstin") – und erst für diese Großveranstaltung wurde auch der Hafen gebaut.

Dessen Lage spaltet zwar die Geister (ein Betonbecken, gerade so angelegt, dass man fast nichts von Park oder Schloss sieht), dafür aber mit nettem Hafenmeister und zumindest schnellem Zugang zum ehemaligen Ausstellungsgelände (Eintritt: 2,50 €/Erwachsene, 1 €/Kinder (7–17 Jahre, Infos, auch über den Schlosshafen: www.oranienburg-erleben.de).

Am nächsten Morgen folgen wir der Havel-Oder-Wasserstraße weiter durch den Lehnitzsee, der so schnell endet wie er begonnen hat. Vor uns schiebt ein Gütermotorschiff gemütlich der noch weit entfernten Oder entgegen, ein älterer Typ, klein, aber dafür umso bunter im Anstrich. Gemeinsam geht es durch die Schleuse Lehnitz, und erst nach einem weiteren Dutzend Kilometern trennen sich unsere Wege, als wir nach Norden in den Malzer Kanal einbiegen, der die Havel-Oder- mit der Oberen Havel-Wasserstraße verbindet.

Grünes Brandenburg

Liebenwalde heißt die zweite Schleuse des Tages, nun schon mit deutlich kleinerer Kammer und Selbstbedienung. Im Ort selbst beginnt die OHW, oder genauer: der Vosskanal, der hier dem wilden Lauf der Schnellen Havel in einigem Abstand und in etwas ruhigeren Bahnen folgt. Wer hier übernachten möchte, kommt in der Marina Liebenwalde unter (www.marina-liebenwalde.de).

Der wieder schiffbar gemachte historische Lange Trödel, der von hier ostwärts zum Oder-Havel-Kanal führt und dahinter in den Finowkanal übergeht, ist bislang noch nicht eröffnet. 2016 soll es nach einiger Verspätung aber endlich soweit sein...

Wir können es zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, aber die nun folgenden rund 12 Kilometer von der dritten Schleuse bei Bischofswerder bis nach Zehdenick werden die stimmungsvollsten auf diesem zweiten Teil der Reise: Warm scheint die Sonne durch das noch junge Blattwerk der Bäume, und ohne jeden Hauch liegt das Wasser wie ein Spiegel vor uns, während das Heckwasser nur leise murmelt. Gestern noch die lebendige Großstadt, heute grüne Idylle – eine Reise, die wirklich alles bereit hält.

Die alte Schifferstadt Zehdenick empfägt uns mit ihrer Klappbrücke. An der Wartestelle am Westufer davor fordern wir die automatische Öffnung an, und bald darauf schließen sich die Schranken für die Autos mit rasselndem Klingeln. Praktischerweise ist die folgende Schleuse gleich mit angeschlossen, und wir sind schneller im Oberwasser als erhofft – zum Glück, denn der Himmel schließt sich jetzt wie ein dunkler Vorhang und ein kalter Wind springt auf.

Rechts ums Eck werden wir schon an einen freien Steg der Little Marina gewunken. Keine Minute zu früh, denn schon fallen die ersten dicken Tropfen. Es dauert eine Weile, bis die tiefstehende Sonne wieder golden durchbricht und uns den Sundowner auf dem Achterdeck unserer Jetten ermöglicht.

Wir genießen es, denn inzwischen kennen wir den Wetterbericht für die verbleibenden zwei Tage: viel Wind und Dauerregen. Doch so richtig kann uns selbst das nicht aus der Ruhe bringen – schließlich haben wir auf diesem Haveltörn schon jetzt mehr als genug erlebt.

Eine anschließende Reisereportage und weitere Törns durch das Blaue Paradies Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns FINDEN SIE HIER.