Unbekannt
· 30.04.2014
Wer die Natur sucht, ist auf der Unteren Havel genau richtig. Doch im nächsten Jahr dürfte die Region noch mehr „aufblühen“ – Dank der BUGA 2015.
Wenn der Rotmilan seine gleichmäßigen Kreise über dem Fluss zieht und kein Geräusch die Stille stört, außer dem beständigen Gurgeln des Heckwassers, fällt die Vorstellung ein wenig schwer, dass der Unterlauf der Havel einmal ein geschäftiger Verkehrsweg war. Als schnellste schiffbare Verbindung von Berlin zur Elbe, und weiter zur Seestadt Hamburg, kam ihr beim Frachttransport eine nicht unbedeutende Rolle zu.
Maßkähne zu Dutzenden am Bollwerk
Havelberg, die alte Hansestadt, deren romanischer Backsteindom noch immer hoch über dem Zusammenfluss der beiden Ströme thront, galt gar als bedeutendster Übernachtungsplatz für Schiffer zwischen den beiden Metropolen. Alte Aufnahmen zeigen, wie die rustikalen Maßkähne zu Dutzenden am Bollwerk Havelbergs liegen, dicht an dicht, sodass man – mit ein wenig Geschick – bald trockenen Fußes vom einen zum anderen Ufer hätte kommen können.
Doch dann wurde in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts der Mittellandkanal gebaut, und – als Verlängerung und direkte Anbindung – der Elbe-Havel-Kanal von der Elbe bis nach Plaue. Das moderne Wasserstraßenkreuz Magdeburg, erst nach der Wiedervereinigung vollständig fertiggestellt, bildet mit Trogbrücke und Abstiegsschleusen jetzt den Knotenpunkt für die Binnenschifffahrt zwischen Ruhrgebiet, Oder und Elbe.
Das Wasser darf wieder machen, was es will
Die Untere Havel blieb auf dem Weg nach Berlin im wahrsten Sinne "links liegen" – ein Glücksfall, nicht nur für den Fluss selbst, sondern auch für Wasserwanderer: Denn seit knapp zehn Jahren läuft nun ein Projekt zur Renaturierung zwischen Plaue und Havelberg. Die Zeit der Frachtschiffe ist damit passé, auch wenn die Schiffbarkeit erhalten wird.
Trotzdem darf das Wasser wieder machen, was es will. Niederungen werden zu Feuchtgebieten, Altarme wieder lebendig, und die angestammte Auenlandschaft kehrt zurück. Das schafft Rückzugsraum für bedrohte Tierarten und hilft dem Hochwasserschutz durch natürliche Überflutungsflächen. Wer die Uhren langsamer ticken hören möchte, ist auf der Unteren Havel genau richtig. So viel Natur findet man auf eigenem Kiel vielleicht nur noch auf der Peene in Mecklenburg-Vorpommern.
Dass die Region bald noch reizvoller werden dürfte, liegt an einem bevorstehenden Großereignis: 2015 lässt die Bundesgartenschau die Untere Havel erblühen. Denn erstmals gibt es nicht nur einen Veranstaltungsort, sondern gleich fünf – und vier davon liegen direkt am Fluss: Brandenburg, Premnitz, Rathenow und Havelberg. Blütenpracht, Gartenkunst und pure Natur im steten Wechsel – welcher Törn kann das bieten? Mit dem Charterboot haben wir uns im Revier umgesehen, um einen Eindruck zu bekommen, was man im nächsten Jahr erwarten darf. So viel vorweg: Es dürfte sich lohnen!
Sonntagsstimmung auf der Potsdamer Havel
Unsere Reise beginnt ein gutes Stück weiter östlich in Werder. Der südliche Bogen, den der Fluss hier nimmt – eigentlich eine Kette von Seen – wird Potsdamer Havel genannt. Die Berufsschifffahrt auf der Ost-West-Route der Unteren Havel-Wasserstraße – kurz UHW – nimmt dagegen den Sacrow-Paretzer-Kanal, der zwar nicht besonders malerisch ist, aber rund zehn Kilometer und viele Kurven spart.
Mit unserem Charterboot, einer edlen und voll ausgestatteten Jetten 37 AC von Yachtcharter Werder, verlassen wir die Steganlage der Marina Vulkan Werft bei PHv-km 10,3 bei blauem Mai-Himmel. Es ist viel los auf dem Wasser an diesem Sonntag, einem der ersten sonnigen Wochenenden des Jahres: Weiße Segel sind über den Großen Zernsee getupft, Ruderer legen sich in die Riemen, während Motorboote bereits unter dem Ufer vor Anker liegen oder zielstrebig auf den noch freien "Lieblingsplatz" zuhalten.
Die Vorstadtschleuse zeigt grün
Wir steuern unter dem Berliner Autobahnring hindurch über das schilfgesäumte Fahrwasser des Kleinen Zernsees und stoßen bei Ketzin auf den Hauptverlauf der UHW, lassen einen bulligen, polnischen Schuber mit rostiger Schrottfracht passieren und folgen dann dem Tonnenstrich Richtung Brandenburg, das etwa 20 Kilometer westlich auf uns wartet. Bald ballen sich schwarze Wolken über uns zusammen und entladen sich mit Blitzen, Donner und einem kräftigen Gewitterschauer. Doch als wir Brandenburg schon sehen, haben wir doppel-tes Glück: Die letzten Tropfen fallen, und die Vorstadtschleuse zeigt Grün – wir können sofort einfahren. Während die Berufsschifffahrt den ausgebauten Silokanal für die Passage durch die Stadt nutzt, nehmen wir den sehenswerten "Umweg" über die Brandenburger Niederhavel.
Die Altstadt verfügt gleich über zwei öffentliche Anleger, die nur rund 100 Meter voneinander entfernt liegen: zum einen am Sandtor bei der Jahrtausendbrücke, zum anderen den Wasserwanderrastplatz am Slawendorf. Der Hafenmeister, der gerade angeschlendert kommt und für beide zuständig ist, setzt uns ins Bild: "Hier isset billiger, dahinten schöner." Also machen wir die bereits festen Leinen wieder los und verholen unseren Stahlverdränger von der Promenade ins Grüne, wo er in guter Nachbarschaft mit zwei nachgebauten slawischen Klinkerbooten die Nacht an einem soliden Schwimmsteg verbringen wird. (Liegegebühr: 1 Euro pro Meter, Strom: 1 Euro, WC: 50 Cent, Dusche: 1 Euro, Freilichtmuseum.
Zur BUGA in die „Wiege der Mark“
Nur 400 Meter entfernt entsteht direkt am anderen Ufer derzeit einer der BUGA-Bereiche Brandenburgs: Auf dem ehemaligen Packhofgelände werden sich dann 30 Themengärten "mit den Ressourcen des Lebens" befassen. Auf dem Marienberg, ebenfalls nur wenige hundert Meter entfernt, sollen dagegen Rosen blühen und Staudenpflanzen aller Art wachsen. (Infos zu allen fünf Standorten der BUGA 2015: www.buga-2015-havelregion.de). Wer einen richtigen Yachthafen für seinen Besuch vorzieht, findet bei Havel Marin (UHW-km 55) und in der Marina Schoners Wehr (Zufahrt über den Brandenburger Stadtkanal, BrK-km 56,4) vollen Service, im zweiten Fall auch eine Bootstankstelle mit Diesel und Super.
In der Stadt hat sich seit unserem letzten Besuch vor fünf Jahren einiges getan, aber noch immer wird viel renoviert. Alte Industrieruinen am Ufer werden entkernt oder weichen gleich neuem modernem Wohnraum am Wasser. Dazwischen ducken sich die alten Rundtürme aus dem Mittelalter ins Stadtbild und erinnern zusammen mit dem Dom Sankt Peter und Paul an die einstige Macht, die von diesen Mauern ausging und als "Wiege der Mark" einem ganzen Reichsteil den Namen gab.
DDR-Putz am Plauer Schloss
Über die Stadthavel kommen wir am nächsten Tag zum Breitlingsee, wo es ordentlich zur Sache geht. Stahlgrauer Himmel, viel Wind, aber kein Regen. Am Plauer Schloss – noch immer mit grauem DDR-Putz – biegen wir bald darauf vom Hauptfahrwasser nach Norden ab. Hier, bei UHW-km 68, beginnt die eigentliche Untere Havel. Das Tankmotorschiff vor uns strebt dagegen auf dem Elbe-Havel-Kanal weiter der Elbe entgegen.
Die ersten zehn Kilometer folgen dem Tieckowsee, der aber selten breiter als 300 Meter ist und häufig schmaler. Angler stehen am Ufer, leuchtendes Hellgrün an Birken und Erlen wechselt mit sandigem Kiefernwald auf den höher gelegenen Geländezügen. Ein alter Wachtturm des ehemaligen Fliegerhorstes Briest starrt aus leeren Fensterhöhlen über den Fluss. Inzwischen wird das Gelände friedlich von einer Solarfirma genutzt, die dort Europas größte Fotovoltaikanlage errichtet hat.
Schräge Kammerwände in Bahnitz
Hinter Pritzerbe, das mit dem gleichnamigen Bootshaus über einen Yachthafen mit Gästeplätzen verfügt (Feststege mit Boxen, Strom, Wasser, Sanitäranlagen), passieren wir zunächst die nicht frei fahrende Fähre des Ortes und erreichen schließlich bei km 82 die Erste von vier Schleusen auf dem Weg nach Havelberg.
Die Schleuse Bahnitz ist wegen des weichen Grundes mit schrägen Kammerwänden ausgeführt; besonders bei der Talschleusung sollte man also aufpassen, dass man nicht aufsitzt. Ihre Abmessungen mit 200 Metern Länge erinnern daran, dass hier früher ganze Schleppverbände verkehrten. Beide Punkte gelten auch für die folgenden Schleusen auf der Hauptstrecke. Die Anmeldung bei der Fernbedienzentrale Rathenow erfolgt jeweils über die Gegensprechanlage am Wartesteg, über Tel. 03385-53 98 71 oder per Funk (Bahnitz: UKW-Kanal 04, Rathenow: 03, Grütz: 02, Garz: 01).
Enge Schleifen, flaches Auenland
Nun wird der Fluss deutlich schmaler, seine Schleifen winden sich enger durch die flache Auenlandschaft. Wir haben Hochwasser: Die eigentliche Uferlinie ist kaum auszumachen, geschlossene Wasserflächen dehnen sich weit im Hinterland aus und lassen Dörfer in der Ferne wie Inseln wirken. Altarme zweigen ab und münden ein, mal zugewuchert, mal verlockend weitläufig. Knorrige Bäume klammern sich an die festen Stellen, etliche haben den Kampf gegen die Renaturierung schon vor langer Zeit verloren und recken nur noch ihre kahlen, grauen Äste in den Himmel. Bei einigen Tonnen muss man genau hinschauen: Wie schwimmende Inseln sind sie von wuchernden Krautschleppen umgeben. Gerade jetzt muss die Fahrrinne genau eingehalten werden!
Auch Premnitz, das bei UHW-km 91 am östlichen Ufer liegt, wird Ausrichter der BUGA 2015 – und auch hier werden Bootsleute mittendrin sein: Beide Liegemöglichkeiten, der Gaststeg direkt am Fluss und auch der kleine, geschützte Stadthafen, grenzen an die eingebundenen Schauflächen an der Uferpromenade: Tagesgärten, Sonnenstauden und üppige Gräser werden die Energie nachwachsender Rohstoffe veranschaulichen. Hinzu kommt ein Naturerlebnispfad durch den für die Region so typischen Auenwald. Auf unserem Rückweg wollen wir hier anlegen, doch unser Ziel für den heutigen Tag liegt in der alten Optik-Stadt Rathenow.
Die Optikstadt Rathenow
Der Weg hinein nach Rathenow führt über den Altarm der Rathenower Havel und den Stadtkanal, während die eigentliche UHW über den Schleusenkanal (mit der Schleuse Rathenow) westlich am Zentrum vorbeigeführt wird. Die besten Gästeplätze befinden sich am Alten Hafen (Hafenmauer mit Schwimmsteg, Liegegebühr: 1 Euro/m, Strom: 0,50 Euro/kWh, Duschen: 2 Euro, Schlüssel und Anmeldung im – übrigens ausgezeichneten – Restaurant "Zum Alten Hafen").
Von diesem Liegeplatz im Oberwasser der historischen Stadtschleuse Rathenow ist es erneut nur ein kurzer Spaziergang zu den BUGA-Ausstellungen: Der Eingang zum "Weinberg" liegt direkt am Hafen, zum "Optikpark" auf der Havelinsel führt dann die 300 m lange, spektakulär geschwungene Fußgängerbrücke. Der Park wurde bereits 2007 angelegt. Er dokumentiert die Geschichte der für Rathenow früher so wichtigen optischen Industrie mit den Mitteln der Landschaftsarchitektur:
Blumen in allen Farben des Spektrums, Installationen mit optischen Täuschungen und lichtbrechende Stelen verweisen auf eine Zeit, als astronomische Fernrohre, Fotoobjektive und Hochleistungslinsen für Leuchtfeuer von der Havel in die ganze Welt exportiert wurden. Zur BUGA im nächsten Jahr kommen nun Seerosen- und Lotusfelder, eine Blütenkaskade und Spiellandschaften für Kinder hinzu.
Kurs auf den Dom von Havelberg
"Von Dom zu Dom – das blaue Band der Havel", so lautet das Motto der Bundesgartenschau. Zum einen ist damit der Brandenburger Dom gemeint, zum anderen der Havelberger. Den bekommen wir am nächsten Tag zu sehen, erhaben auf seiner Anhöhe thronend, obwohl wir noch viele Flusskilometer entfernt sind.
Am Vormittag hatten wir den Abzweig der Hohennauener Wasserstraße passiert, deren Großteil vom einzigen echten See auf den 80 Kilometern zwischen Plaue und Havelberg gebildet wird (für den Abstecher siehe Infokasten auf der nächsten Seite), mittags, nach den Schleusen Grütz und Garz, auch den kleinen Ort Strodehne mit seinem Wasserwanderrastplatz.
Jetzt, am Nachmittag, haben wir das Ziel unserer Hinreise erreicht, von hier wird es auf dem gleichen Weg zurückgehen, mit Stopps in Hohennauen und Premnitz. Nach 133 Kilometern machen wir im Yachthafen Havelberg fest (Schwimmstege, Gebühr: 1,20 E/m, Strom: 1,50 Euro pauschal). Gleich der erste Landgang führt hinauf zum Domberg; hier wird ein Klostergarten für die BUGA angelegt; der passende Ort schon jetzt, um in sich zu gehen – mit weitem Ausblick über die Havelauen.
CHARTERFIRMA UND BOOT
Unternehmen
Yachtcharter Werder verfügt über eine Flotte von knapp 30 Motoryachten und Kajütbooten verschiedenster Größen. Vier Charterstützpunkte stehen zur Auswahl: Mirow und Lychen (Mecklenburgische Seenplatte), Zehdenick (Obere Havel) und die Hauptbasis in Werder. Einwegfahrten sind möglich. Kontakt: Yachtcharter Werder, A.-Damaschke-Str. 56–58, 14542 Werder/H., Tel. 03327-54 90 72.
Charterboot
Bei der von uns gecharterten Jetten 37 AC (Baujahr 2013) handelt es sich um einen modernen, voll ausgestatteten Stahlverdränger mit 11,36 m Länge, 4+2 Kojen. Die Yacht verfügt über Bug- und Heckstrahlruder. Wochenpreise 2014: 1160 bis 2270 Euro.
INFORMATIONEN ZUM REVIER
Gewässer
Untere Havel-Wasserstraße von der Einmündung der Spree bis zur Einmündung in die Elbe. Länge: 148,5 km, Schleusen: 6, Höchstgeschwindigkeit: 12 km/h, 25 km/h auf Seen und seenartigen Verbreiterungen außerhalb des 100 m breiten Uferschutzstreifens, Durchfahrts-höhe: 4,26 m, Wassertiefe: amtliche Fahrrinnentiefe wasserstandsabhängig, abrufbar unter www.elwis.de
Potsdamer Havel von der Abzweigung bis zur Einmündung in die Untere Havel-Wasserstraße. Länge: 30 km, keine Schleusen, Höchstgeschwindigkeit: s.o., Durchfahrtshöhe: 3,51 m, Wassertiefe: s.o.
Brandenburger Niederhavel von der Abzweigung bis zur Einmündung in den Plauer See. Länge: 7 km, keine Schleusen, Höchstgeschwindigkeit: 8 km/h, Durchfahrtshöhe: 4,22 m, Wassertiefe: s.o.
Rathenower Havel mit Stadtkanal; von der Abzweigung bis zur Einmünd. in die Untere Havel-Wasserstraße. Länge: 3,9 km, Schleusen: 1, Höchstgeschwindigkeit: 8 km/h, Durchfahrtshöhe: 3,90 m, Wassertiefe: s.o.
Hohennauener Wasserstraße von der Abzweigung
von der Unteren Havel-Wasserstraße bis Ferchesar. Länge: 11 km, keine Schleusen, Höchstgeschwindigkeit:
8 km/h, 25 km/h auf Seen und seenartigen Verbreiterungen außerhalb des 100 m breiten Uferschutzstreifens, Durchfahrtshöhe: 3,82 m, Wassertiefe: s.o.
Behörde
Die beschriebenen Wasserstraßen liegen im Aufgabenbereich des Wasser- und Schifffahrtsamtes Brandenburg: Brielower Landstr. 1, 14772 Brandenburg/H., Tel. 03381-26 60. www.wsa-brandenburg.wsv.de
Törnliteratur
Törnetappen
Werder/Havel ▹ Brandenburg/Havel ( 1 Schleuse ) 37 km
Brandenburg ▹ Rathenow ( 1 Schleuse ) 49 km
Rathenow ▹ Havelberg ( 3 Schleusen ) 47 km
Havelberg ▹ Hohennauen ( 2 Schleusen ) 42 km
Hohennauen ▹ Premnitz ( 1 Schleuse )32 km
Premnitz ▹ Werder ( 2 Schleusen ) 68 km
Gesamt: ( 10 Schleusen ) 275 km