ZubehörtestFalträder mit Rückenwind

Michael Rinck

, Johannes Erdmann

 · 10.04.2023

Zubehörtest: Falträder mit RückenwindFoto: YACHT/Jozef Kubica

Falträder sind immer ein Kompromiss aus Packmaß und Fahrspaß, oft zugunsten der Abmessungen. Der E-Antrieb kann den Fahrkomfort deutlich steigern. Acht neue Falt-Pedelecs im Praxistest

Was das Motorboot an Freiheit auf dem Wasser bietet, das soll das Faltrad an Land ermöglichen, wenn es darum geht, komfortabel die Gegend zu erkunden oder zum nächsten Supermarkt zu gelangen. Dabei sind die Drahtesel für den Bordgebrauch immer ein Kompromiss aus kleinem Packmaß und daraus meist resultierenden dürftigen Fahreigenschaften.

Ein Hauptproblem sind in dem Kontext die kleinen Räder, wodurch man auch im höchsten Gang strampeln muss, um einigermaßen schnell voran­zukommen. Hier soll jetzt der E-Antrieb helfen, der dank kompakter Lithium-Akkus mittlerweile auch bei vielen Falträdern verfügbar ist. Damit steht selbst hügeliges Terrain oder – an der Küste nicht ungewöhnlich – starker Gegenwind der Fahrradtour nicht mehr im Weg. Einziger Nachteil des E-Antriebs: Er macht die Räder, die ja von den Herstellern möglichst platz- und gewichtsparend konzipiert sind, größer und schwerer. Wir haben uns sechs aktuelle E-Falter angeschaut und dazu noch zwei Räder ohne E-Antrieb ins Testfeld aufgenommen.

Sechs Stromer plus zwei

Die sechs Modelle mit E-Antrieb teilen sich auf in eine Gruppe der Kompakten, gebildet von Ahooga Power+, Brompton Electric und dem GermanXia Carbon eFold 9G, sowie eine Gruppe der etwas größeren Modelle GermanXia Light CF 3G, NCM London und das Tern Vectron Q9. Als siebtes Rad wurde das Ahooga Comfort+ von Trankvile geliefert, es ist aber dem Power+ von Voss Spezialrad so ähnlich, dass wir es nicht in die Liste aufgenommen haben. Die Ausstattung unterscheidet sich, aber die guten Fahreigen­schaften sind dieselben. Durch den kleineren Akku ist beim Comfort+ jedoch eine geringere Reichweite zu er­warten, und außerdem waren die Bremsen nicht so hochwertig.

Das klappt

Fahren kann man mit allen – wie viel Freude die Räder in der Praxis machen, hängt aber an vielen kleinen Details. Wichtig: Handling beim Falten, Packmaß und Steuerung des Antriebs

Schalten: So klein und simpel kann eine Schaltung aussehen. Das mit getestete, neue Kwiggle hat zwar keinen Elektro-Antrieb, überzeugte aber mit interessanten Details
Foto: YACHT/J. Kubica

Mit dem Tern BYB P8 ist als Referenz zudem ein neues Modell ohne E-Motor dabei. Das Kwiggle ist der Exot im Testfeld, es ist laut Hersteller das kompakteste Faltrad der Welt und passt von den Abmessungen problemlos ins Handgepäck. Und es wiegt gerade mal zehn Kilogramm.

So haben wir getestet

Zunächst wurden alle Daten erhoben. Radstand, Höhe von Lenker und Sattel, Gewicht und andere mehr sind aus der Tabelle ersichtlich. Die praktische Erprobung fand auf einer eigens ausgewählten Teststrecke von etwa drei Kilometern statt. Mit einem asphaltierten Fahrradweg, einem Feldweg und einer Schotterpiste sowie Abschnitten mit Wiese und Waldboden waren verschiedene Untergründe vertreten. Beim Abfahren des Rundkurses mit mehreren Testern entstand so ein aussagekräftiges Bild der Fahr­eigenschaften.

Der E-Unterstützung galt dabei besonderes Augenmerk, was auch bedeutet, dass jedes Rad auch ohne zusätzlichen Antrieb lediglich mit Muskelkraft bewegt wurde, um den Unterschied zu beurteilen. Bei den meisten Modellen gab es fünf oder sechs Fahrstufen, die die Motorleistung regelten. Sobald die Pedale bewegt werden, schiebt der Motor dann je nach Fahrstufe bis zu einer definierten Geschwindigkeit. Meistens liegt der Bereich zwischen 15 und 25 Kilometer pro Stunde. Eine Ausnahme ist das Vectron von Tern. Der in das Tretlager integrierte Antrieb von Bosch hat auch eine andere Regelung. Wird bei den anderen Modellen nur gemessen, ob die Pedale bewegt werden, überwacht die Bosch-Regelung auch die Trittfrequenz und passt das Drehmoment des Motors entsprechend an. Da der Antrieb außerdem auch vor der Kettenschaltung sitzt, greift die Regelung fast unmerklich ein, schiebt aber effektiv mit.

Unter Saft

Der E-Motor muss mit Strom versorgt werden – wohin also mit dem Speicher? Die Akkus sind je nach Modell und Hersteller unterschiedlich platziert

Addiert: Brompton hat den Antrieb nachgerüstet, ohne die Konstruktion zu verändern. Der Akku ist als praktische Tasche vorn am Rahmen angebracht
Foto: YACHT/J. Kubica

Der Messwert „Entfaltung“ in der Tabelle bezieht sich auf die Übersetzung der Gänge. Dabei wird gemessen, wie weit sich das Rad im niedrigsten und höchsten Gang bei einer Kurbelumdrehung fortbewegt. Durch die kleinen Räder ist der Wert bei Falträdern eher gering, dadurch lässt sich mit einer durchschnittlichen Trittfrequenz meist nicht sonderlich schnell fahren. Wie erwähnt, wird dieses Problem durch den Elektro-Antrieb ausgeglichen, einer der großen Vorteile der E-Falträder. So ist auch schnelles Fahren einfach möglich.

Wie viele Kilometer?

Die Reichweite wird von den Herstellern sehr unterschiedlich angegeben, die Werte liegen je nach Akku-Größe um oder deutlich über 50 Kilometer. Diese Werte haben wir nicht überprüft, weil es nicht seriös messbar ist. Denn nicht nur das Gelände und eventuell Gegenwind entscheiden darüber, wie lange der Akku reicht, sondern auch, wie stark mitgetreten wird. Bei den meisten Modellen reicht es einfach, die Pedale langsam und ohne Kraft zu drehen, damit der Motor kräftig schiebt. Auf diese Weise fährt es sich fast mühelos, der Akku wird aber auch nicht so lange durchhalten. Tritt man kräftig in die Pedale, und der Antrieb wird nur für das kleine Plus an Geschwindigkeit oder als Unterstützung bei Steigungen genutzt, dürfte die Reichweite wahrscheinlich die Herstellerangabe noch übertreffen.

Gute und schlechte Details

Im Test zeigten sich viele gute und individuelle Lösungen. Systembedingt durch den Faltmechanismus, lassen sich etwa das Ahooga und das Bromp­ton sehr praktisch abstellen, indem das Hinterrad eingeklappt wird. Bei der Beleuchtung setzen die meisten Hersteller auf den Akku, der sowieso schon am Rad dabei ist, beim Carbon eFold ist das Rücklicht sogar in den achtern angebrachten Akku integriert. Das Tern kam mit viel (optionaler) Ausstattung wie einer Schutzhülle gegen Regen und einer Tasche am Lenker. Gute Idee mit schlechter Umsetzung: Die Schutzbleche des Ahooga sind wie Schnecken aufgerollt und werden zum Gebrauch langgezogen; eine etwas größere Bodenwelle lässt sie aber blitzartig wieder zusammenrollen.

Die Kandidaten:

Power + und Electric
Foto: YACHT/J. Kubica
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Nicht gut gefallen hat uns auch der Antrieb am Brompton: Bei normaler Fahrt ohne E-Unterstützung oder beim Schieben gibt er recht laute Geräusche von sich, zudem fühlt es sich an, als würde man gegen einen Widerstand anfahren – schlecht, wenn der Akku mal leer ist. Generell erwiesen sich Vorderradantriebe als nicht so komfortabel wie ein angetriebenes Hinterrad. Auf Sand in Kurven oder bei starken Steigungen können sie schon mal die Haftung verlieren. Die Faltmechanismen unterscheiden sich zum Teil sehr, so wird bei den größeren Modellen wie London, Vectron und Light CF einfach einmal in der Mitte gefaltet, Lenker runtergeklappt und fertig.

Brompton und Ahooga schwingen den Hinterbau untenrum nach vorn, beim Brompton wird dann zusätzlich noch der vordere Teil des Rahmens eingefaltet. Beim Ahooga lässt sich dann lediglich durch Entfernen des Vorderrads noch Packmaß sparen. Das Herunterschieben der Sattelstange sichert das eingeklappte Hinterrad, wer das nicht weiß, benötigt viel Zeit zum Ausfalten. Dennoch wurde das Falten lediglich anhand des Packmaßes bewertet. Denn einmal mit den Faltmechanismus vertraut, klappt es danach bei allen Modellen sehr zügig und problemlos. Ob es dann am Ende 20 Sekunden mehr oder weniger sind, ist eher unwichtig. Die beeindruckendste Wandlung macht das Kwiggle durch, das sich extrem klein falten lässt und dann dennoch mit zwei Handgriffen fahrbereit ist.

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Die Qual der Wahl

Bei den Abmessungen liegt das Brompton vorn, allerdings ist das Packmaß des Ahooga nur wenig größer, seine Fahr­eigenschaften aber deutlich besser und gleichauf mit dem Carbon eFold von GermanXia. Auf längeren Booten finden die größeren Modelle Platz; hier ist in der Disziplin Fahreigenschaften das Vectron der Sieger. Aber auch das Light CF und das London bieten hohen Fahrkomfort, Letzteres ist der klare Preis-Leistungs-Tipp.


Marktübersicht

Es gibt noch weitere neue Falträder, die jedoch für den Test nicht lieferbar waren

Die Pandemie hat in einigen Branchen einen regelrechten Boom ausgelöst, so auch bei Fahrrädern und Pedelecs. Viele Händler konnten für unseren Test einfach keine Räder mehr liefern. Die Übersicht zeigt Modelle, die ebenfalls als Bordfahrrad in Betracht kommen.

Das Comfort+ konnten wir begutachten, es unterscheidet sich nur geringfügig vom Power+. Der 24-Volt-Akku hat nur 168 Wattstunden, und es sind keine Scheibenbremsen verbaut. Preis: ca. 2239 Euro. www.trankvile.de
Foto: Hersteller

Steht bei der Auswahl das Packmaß über allem, dann ist das Kwiggle der Favorit. Allerdings ist etwas Eingewöhnung an die sehr speziellen Fahreigenschaften nötig.

Der Verzicht auf den E-Antrieb kostet zwar Komfort, spart aber auch viel Geld. Und das doppelt: Denn schließlich sind für gewöhnlich an Bord eines Bootes zwei Räder nötig. Zumindest, wenn es zusammen auf Tour gehen soll.


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