ZubehörFluxgate-Kompasse im Test – Elektrisch Nord

Olaf Schmidt

 · 08.05.2023

Zubehör: Fluxgate-Kompasse im Test – Elektrisch NordFoto: Olaf Schmidt

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Immer mehr Funktionen der Navigationselektronik benötigen eine exakte Kursreferenz. Erste Wahl dafür bleibt der elektronische Magnetkompass. Acht Geräte auf dem Prüfstand

Für die Navigation sind konkrete Kursangaben unerlässlich. Das gilt für die Papierkarte genauso wie am Bildschirm. Spätestens wenn Radar an Bord kommt, besteht akuter Bedarf nach einer exakten Angabe zur aktuellen Ausrichtung des Boots in digitaler Form. Manchmal macht aber schon die Wahl des Rumpfmaterials einen elektronischen Kompass notwendig: Auf Stahlschiffen ist die Ablenkung des konventionellen Magnetkompass besonders groß, eine Korrektur ist aufwendig.

Okay, Sie fahren keine Eisensammlung, sondern eine schicke Kunststoffyacht. Doch selbst auf der bleibt noch genügend Stahl, um einen Kompass merklich zu irritieren. Bei einem elektronischen Kompass sind Anzeige und Sensor getrennt, Letz­terer ist relativ einfach an einem Ort mit wenig Ablenkung unterzubringen. Die verbleibenden Fehler können Sie dem elektronischen Kompass, im Gegensatz zu seinem mechanischen Verwandten, relativ einfach abgewöhnen.

Die Navigationselektronik verlangt Kursdaten neben der Steueranzeige im Wesentlichen für die vorausorientierte Kartenanzeige, das Radar-Overlay und den Autopiloten. Warum aber auch vom Kompass, einen Kurs zeigt schließlich auch jeder GPS-Empfänger?


Bedienung

Für die obligatorische Einrichtung bieten nur zwei Modelle einen komfortablen Weg ohne Display des Herstellers:

Zwei Köpfe am HSC100: einer zum Starten der Kalibrierungsprozedur, der zweite für die Vorausrichtung
Foto: Olaf Schmidt

Dabei handelt es sich jedoch um die Bewegungsrichtung über Grund, welche meist nicht mit der Richtung übereinstimmt, in die der Bug weist. Wer auf strömenden Gewässern oder in Gezeitenrevieren unterwegs ist, kennt den Effekt ausgiebig. Doch selbst auf eher stationären Meeren wie der Ostsee ist das Wasser in Bewegung, nur nicht so vorhersehbar. Zwei Knoten Stromversatz können da leicht auftreten. Die bewirken bei 18 Knoten Fahrt immer noch bis sechs Grad Unterschied zwischen GPS-Kurs und der Kielrichtung. Für ein Radar-Overlay ist das bereits ein Wert, der das Bild nahezu unbrauchbar macht, denn Karte und Echos passen nicht mehr zusammen. Dar­um fordern fast alle Hersteller für die Aktivierung der Overlay-Anzeige die Kursdaten vom elektronischen Magnetkompass. Denn dem sind Fahrt und Stromversatz völlig egal, er zeigt die Vorausrichtung.

Für den Autopiloten wäre die Referenz vom GPS zwar praktisch, allerdings sind diese Daten zu träge, um allein danach zu Steuern: Ihr Boot muss erst einmal zwei, drei Sekunden in die falsche Richtung gefahren sein, bevor das in den GPS-Daten überhaupt sichtbar wird.

Im Test sind acht Geräte von sechs Herstellern. Die Preise reichen von 200 bis 857 Euro. Sechs Modelle sind ausschließlich per NMEA2000 zu verbinden, eins hat nur NMEA0183, und eins bietet beide Anschlüsse. Zwei haben zusätzlich einen integrierten GPS-Empfänger.

Die grundlegende Funktion ist bei allen acht gleich: Ein Sensor misst das Erdmagnetfeld und stellt so fest, wo die magnetische Nordrichtung ist. Leider weist dieser Messwert prinzipbedingt ein starkes Rauschen auf, das heißt, der Zahlenwert zappelt ständig um einige Grad hin und her – selbst wenn sich das Schiff gar nicht bewegt. Dies lässt sich wegfiltern, aber dadurch wird der Kompass sehr langsam in seiner Reaktion auf Kursänderungen. Zum Steuern wäre er nicht mehr zu gebrauchen, und das Radar-Overlay würde ständig den tatsächlichen Verhältnissen nachhinken. Alle Kandidaten arbeiten darum zusätzlich mit Gyroskopen. Das sind Sensoren, welche Drehungen sehr schnell und genau erfassen, sie kommen auch beim Auto für das ESP zum Einsatz. Im Gegensatz zur Magnetfeldmessung liefern sie kurzfristig exakte Auskunft über Kurs­än­de­run­gen, können aber auf Dauer nicht die Richtung halten, sie wandern. Wo Norden ist, wissen sie schon gar nicht.


Datenvielfalt

Die NMEA2000-Schnittstelle hat einheitliche Stecker, doch manche Hersteller bieten mehr, als damit möglich wäre:

Maretron liefert als Einziger sowohl NMEA-2000- als auch NMEA-0183-Daten, daher zwei unterschiedliche Buchsen
Foto: Olaf Schmidt

Das Magnetfeld dient nur als Langzeitreferenz, ein Rotationssensor erkennt schnelle Kursänderungen

Beide ergänzen sich aber gut: Langfristig wird der Kurs über das Magnetfeld ermittelt, Auskunft über schnelle Bewegungen steuert das Gyroskop bei. So weit funktionieren alle Kandidaten gleich. Große Unterschiede entstehen durch die Anzahl der Achsen, in denen gemessen wird: Dass Drehungen um die Hochachse den Kurs verändern, ist klar, aber was passiert wenn Sie schräg zur Welle fahren oder Ihr Boot in Fahrt stark vertrimmt? Der ursprünglich ausschließlich in der horizontalen messende Sensor steht dann schief und interpretiert auch das Auf und Ab in Wellen als Kursabweichungen. Hochwertige Geräte messen darum zusätzlich Drehungen um die Längs- und Querachse, das sollte, entsprechend verrechnet, theoretisch die Anzeige im Seegang beruhigen.

Mit Gyroskopen lassen sich nur Bewegungen erfassen, keine statischen Werte. Um eine dauerhaft bestehende Neigung seitlich (Krängung) oder in Längsrichtung (Trimm) zu ermitteln, besitzen die Topmodelle zusätzlich Sensoren für die Schwerkraft. So kommen dann bis zu neun Achsen zustande: Magnetfeld, Drehung und Schwerkraft jeweils in drei Richtungen. Daraus generieren die Kompasse im wesentlichen drei Werte: Alle liefern den Kurs, er wird von Plotter und Radar für die Nordstabilisierung benutzt, außerdem vom Autopiloten und für die Steueranzeige. Hier kommt es darauf an, dass der Wert möglichst oft aktualisiert wird. Zehnmal pro Sekunde ist Standard, bei Maretron lässt sich das auf bis zu 40 Updates pro Sekunde konfigurieren. Dass Garmins 9-Axis nur fünf Updates liefert, wird durch sehr aktuelle Drehraten-Daten (20 pro Sekunde) ausgeglichen. Da kann nur Navicos Precision 9* mithalten.

Maretron könnte noch öfter senden. Allerdings ist beim SSC300* und bei Navicos GS25 die Dämpfung recht stark. Sie sind eher dafür ausgelegt, die Drehrate an den AIS-Transponder zu liefern.

Messwerte für Trimm und Krängung dienen auf Motoryachten hauptsächlich der Anzeige, ihre Weiterverarbeitung ist selten. Den wichtigsten Zweck, die Stabi­lisierung der Kursanzeige im Seegang, haben sie bereits innerhalb der Kom­pass­elek­tro­nik erfüllt.

Die Testergebnisse

 | Tabelle: Olaf Schmidt
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Wie vorn bereits angesprochen, gibt es an Bord einige Dinge, welche Einfluss auf das gemessene Magnetfeld haben. Als Daumenregel zählen dazu alle Metalle, die rosten können, und alles, was mit Strom zu tun hat. Wie der mechanische Magnetkompass empfindlich darauf reagiert, können Sie leicht ausprobieren: Halten Sie einen Schraubenschlüssel daneben, und schon haben Sie die Nordrichtung in Ihren Händen. Elektronische Kompasse sind da keinen Deut besser.

Den Schraubenschlüssel können Sie weglegen, den gusseisernen Motorblock und die meisten anderen Kompassablenker an Bord eher nicht. Abhängig davon, welcher Kurs gerade anliegt, sind sie mal im Osten, mal im Westen, im Süden oder im Norden des Kompasses und verursachen, wie eben Ihr Schraubenschlüssel, ein Abweichen der Anzeige – nur nicht ganz so kräftig. Der Effekt heißt Deviation.


Kabelabgang

Bei Außenmontage ist Wasserdichtigkeit voraussetzung. Drei Methoden, wie der Anschluss das erfüllt:

Der HSC100 bringt 15 Meter wasserdicht fest angeschlossenes Kabel mit. Montage an senkrechter Fläche
Foto: Olaf Schmidt

Der allgemeine Lösungsansatz für dieses Problem ist eine Deviationstabelle: In der steht zu jedem Kurs, um wie viel der Kompass falsch anzeigt. Für einen mechanischen Magnetkompass muss diese Tabelle manuell aufgenommen werden. Das kann, je nach Übung und Anzahl der Helfer, durchaus Stunden dauern. Und die Anwendung in der Praxis ist, vorsichtig ausgedrückt, unkomfortabel.

Die Elektronik macht es uns Bootsleuten sehr viel einfacher: Sie speichert die Tabelle direkt im Kompass, schaut bei jeder Messung, wie groß die Ablenkung auf diesem Kurs ist, und korrigiert entsprechend. In der Anzeige steht dann schon der richtige Wert. Je nach Modell sogar schon um die örtliche Missweisung berichtigt. Noch hilfreicher zeigt sich die Elektronik beim Erstellen der Deviationstabelle. Statt langwierigen Anfahrens bestimmter Kurse und Aufnehmen von Peilungen reicht beim elektronischen Kompass das Fahren von ein paar Vollkreisen. Er nimmt dabei selbsttätig die entsprechenden Daten auf. Außer im Kreis zu steuern, brauchen Sie dabei nur eins zu tun: den Beginn des Vorgangs, im Fol­genden als Kalibrierung bezeichnet, dem Kompass mitteilen. Da gibt es je nach Hersteller sehr unterschiedliche Ansätze:

Die Geräte von Furuno und Digital Yacht* haben dafür Tasten und Anzeigen, um Fortschritt und Erfolg beziehungs­weise Misserfolg mitzuteilen. Die Kalibrierung ist damit völlig unabhängig von anderen Geräten durchzuführen. Alle Mitbewerber setzen primär auf ein Instrumentendisplay oder einen Plotter aus dem eigenen Haus, um Bedienung und Anzeige von dort zu erledigen. Für Kunden, die das nicht haben, ist eine Notlösung vorgesehen: das Fahren der Vollkreise direkt nach dem Einschalten der Kompass-Stromversorgung. Die Anzeige erfolgt dann bei Garmins 9-Achs-Sensor* und Raymarine* über eine Leuchte am Kompass, bei allen Garmin-Geräten und bei Maretron über spezielle Kursausgaben. Raymarine und Navico können die Kalibrierung auch vollautomatisch erledigen, wenn gerade zufällig passende Kursänderungen gefahren wurden.

Hochwertige Sensoren und saubere Berechnungen sind die Zutaten für einen guten Kompass

Wie aber kann der Kompass für diesen Kalibriervorgang die richtige Nordrichtung kennen, wenn er noch gar nicht weiß, welche Fehler seine Messungen aufweisen? Muss er nicht: Eine Prise intelligenter Datenverarbeitung zusammen mit dem Gyro genügen. Der Trick: Die Deviation bewirkt, dass die Dreh­ra­te, welche der Magnetfeld-Sensor ermittelt, von derjenigen des Gyros abweicht. Während eines Vollkreises mal nach oben, mal nach unten. Aus diesen Abweichungen lassen sich die Werte für die Deviationstabelle berechnen.

Eine Besonderheit betrifft Raymarine: Der AR200 erwartet für die Kalibrierung zwischen drei und 15 Knoten Fahrt laut eingebautem GPS. Mit dem ortsfest aufgebauten Prüfstand war das natürlich nicht zu erfüllen, darum können wir die guten Ergebnisse an Bord nicht mit entsprechenden Messdaten untermauern.

Im Test haben wir den Prüfstand so eingerichtet, dass vor der Kalibrierung eine Abweichung von 15 Grad auftrat. Das Ergebnis nach dem Kalibrieren finden Sie zu jedem Kompass im Diagramm oben. Es gibt die Deviation über alle Kurse an. Die blaue Linie bei waagerecht liegendem Schiff, außerdem bei zehn Grad Krängung nach Backbord (rot) und Steuerbord (grün). Abweichungen bis zu einem Grad sind gut, bis zu drei Grad noch akzeptabel. Je größer Ihr Boot, desto unwichtiger sind die rote und die grüne Linie: Für zehn Grad Krängung sind auf einem kleinen Fischer schon zwei gewichtige Angler auf derselben Seite nötig.


Mechanisch Voraus

Weniger elektronische Korrektur heißt weniger Rundungsfehler. Die Universallösung von Raymarine:

Bild NaN
Foto: Olaf Schmidt
Der Kompass sitzt in einer verzahnten Halterung zur bequemen mechanischen Voraus-Korrektur in Zwei-Grad-Schritten. Die Halterung wiederum lässt sich flach oder am Schott montieren. Eine Stirnseite muss zum Öffnen der Verriegelung zugänglich bleiben

Das Verhalten beim Rollen im Seegang zeigt das zweite Diagramm. Im Test rollt die Testplattform extrem, innerhalb von 16 Sekunden um 18 Grad nach Backbord und Steuerbord, ohne dabei den Kurs zu ändern. Die blaue Linie ist die Abweichung des angezeigten Kurses, sie sollte möglichst auf der Null-Grad-Linie verlaufen. Die grüne Linie zeigt die tatsächliche Neigung der Plattform, die rote Linie das Krängungs-Messergebnis des Kompasses. Die beiden sollten möglichst nahe beieinanderliegen. HSC100*, PG700* und SteadyCast* messen die Krängung nicht.

Das letzte Diagramm widmet sich dem Manövrieren, es wird eine enge S-Kurve gefahren, um die Reaktionszeit zu ermitteln. Innerhalb von acht Sekunden dreht das simulierte Boot um 160 Grad nach Steuerbord und wieder zurück. Falls Sie das in der Praxis probieren wollen, räumen Sie vorher alles bewegliche von Bord. Die rote Linie ist der angezeigte Kurs, sie sollte möglichst dicht an der grünen (tatsäch­licher Kurs) liegen. Blau ist die vom Kompass gemessene Drehrate, grau deren tatsächlicher Wert. HSC100, PG700 und SteadyCast messen die Drehrate nicht.

Im Precision 9 überschlägt sich bei diesem Manöver die Kursberechnung, erzeugt einen Versatz von 180 Grad und wandert innerhalb einer Minute zurück auf den richtigen Wert. Der Effekt trat nur in S-Kurven mit Drehraten über 50 Grad pro Sekunde auf und ist damit für die Praxis unbedeutend. Wer so einen Haken hinlegt, steuert den nicht nach Instrumenten und hat auch keinen Blick fürs Radar.

Deviation: Abweichung vorhanden, aber gering. Drehen: Der Kurs ist zwar sichtbar verzögert, doch für Radar-Overlay noch schnell genug. Werte für Rollen und aktuelle Drehrate liefert der HSC nicht

Wenn ein Kompass auf 0,1 Grad genau anzeigt, dann ist das ein toller Wert und mindestens fünfmal besser, als Sie für die meisten Anwendungen brauchen. Sechs Geräte glänzen mit der bei NMEA2000 maximal möglichen Auflösung von 0,006 Grad. Das nutzt freilich wenig, wenn der Wert dann schon beim an Land festgeschraubten Kompass um 0,5 Grad hin und her pendelt (Rauschen nennt man das). Am wenigsten zappelt Furuno mit 0,05 Grad. Maretron hält zwar in Ruhe völlig still, zeigt aber auch nur mit einer gröberen Auflösung von 0,1 Grad an.

Mit einer Montage genau parallel zur Mittschiffslinie können Sie selbst viel für ein gutes Ergebnis tun. Die Ausrichtung lässt sich zwar bei allen elektronisch korrigieren. Doch die Sensoren für Krängung und Trimm werden dabei nicht mitgedreht: Die resultierende gegenseitige Beeinflussung muss aufwendig im Kompass herausgerechnet werden. Mit ein paar Unterlegscheiben (aus Edelstahl, keine Ver­zink­ten) lassen sich die damit verbundenen Rundungsfehler leicht umgehen.

Welchen nehmen? Alle Kandidaten erfüllen die üblichen Anforderungen für Radar-Overlay. Manche Anwendungen wie Augmented Reality sowie alle Autopiloten geben einen bestimmten Kompass vor.

Die beste Kursreferenz auch bei Seegang liefert Furunos PG-700*. Die meisten Funktionen fürs Geld bekommen Sie mit Navicos GS25, solange sich Ihr Boot nicht allzu nervös verhält.


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