BGM75Bluegame-Katamaran vereint das Beste aus zwei Welten

Sören Gehlhaus

 · 12.05.2024

Oben licht: Die luftige Fly gleicht den hohen Freibord etwas aus,  den die breite Suite im Vorschiff erforderte. Das Längen-Breiten-Verhältnis liegt mit 50 zu 35 exakt zwischen Ein- und Zweirumpfer
Foto: Werft
Mit dem BGM75 geht die Sanlorenzo-Tochter Bluegame die Quadratur des Kreises an: Nicht das Einrumpf-Klientel verschrecken und doch die Raum-, Komfort und Verbrauchsvorteile eines Katamarans nutzen. Herausgekommen ist etwas dazwischen.

Bislang wandten Kat-Werften bei der Konzeption ihrer Motormultis häufig folgendes Schema an: Man nehme einen großen Segelkatamaran, entferne den Mast und baue zwei größere Motoren ein. So konnten bestehende Rumpfformen genutzt und der Durst nach großem Flächen- und Raumangebot gestillt werden. Einige bauen die Modelle nur mit Motor gar ausladender als die mit Segeln und im Längen-Breiten-Verhältnis von 50 zu 50 und teils mehr.

Bluegame sticht hervor

Dass Bluegame es anders angeht, wird unmittelbar am Heck deutlich. Hier sind die zwei Rümpfe nur für wenige Zentimeter oberhalb der Wasseroberfläche zu erkennen. Darüber glänzen ein schieres Deck und der umlaufende Spiegel. Der BGM75 könnte aus dieser Perspektive durchaus als sehr breiter Monohull durchgehen. Das Verhältnis zwischen LüA und Bmax beträgt aber 50 zu 35, Einrumpfer kommen in etwa auf 50 zu 25. Dieses Nischendasein innerhalb der Nische veranlasste die Italiener bei ihrer Premiere auf zwei Rümpfen dazu die Bezeichnung Katamaran konsequent zu umschiffen. Bluegame-Gründer Luca Santella verrät kurz vor dem Ablegen: „Der Breitenunterschied zu gleich langen Mitbewerbern beträgt zwei Meter. Wir haben die BGM75 von Grund auf neu entwickelt und möchten damit Kunden aus dem Sektor der Motor-Monohulls ansprechen.“ An glühende Anhänger des originären Katamaran-Konzepts richte man sich weniger.

Santella ist Ex-Segelprofi und -Kapitän und ausgebildeter Architekt. Die Motorbootmarke rief er 2005 ins Leben. Seit der Übernahme durch Sanlorenzo vor sechs Jahren ist der Italiener, der Sanlorenzos SX-Linie mitkonzeptionierte, „Head of Product Strategy“ bei Bluegame. Nach der Übernahme sei Raum für einen Powercat gewesen. Santella merkte, dass bei Doppelrumpfern mehr geht in puncto Effizienz und Seegängigkeit. „Es gibt eine Menge Details wie den schmalen Bug, die dazu beitragen vom Stereotyp eines Kats wegzukommen“, sagt Luca Santella über die 22,70 Meter lange und 8,15 Meter breite Konstruktion. Die kompakten Abmessungen ermöglichten es Zuccon International Project eine Linienführung zu entwickeln, die mit den bestehenden Einrumpf-Serien übereinstimmt.

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Optimierte Rümpfe

Ein Dream-Team für den ersten Multi der Sanlorenzo-Gruppe Philippe Briand schaltet sich während des Verlassens des Hafens von Cannes ein. Der französische Konstrukteur optimierte für die Muttergesellschaft bereits die Rümpfe der SD-Serie und spricht jetzt von Pionierarbeit: „Niemand hat das vorher gemacht. Segelkatamarane sind breiter, weil sie die Kraft der Segel aushalten müssen. Wir haben 2018 mit der Arbeit an der Studie begonnen.“ Es gab einen Pitch unter fünf Konstruktionsbüros, die sich einen Namen auf dem Multihull-Markt gemacht haben. Der Franzose wartet auf der Flybridge ungeduldig darauf, dass wir die offene See erreichen. Es windet kaum, doch ein wenig Schwell zieht sich durch die Bucht. Briand klärt auf: „Ein weiterer Grund für das schmale Konzept ist die Verbesserung des Komforts. Denn Kats mit hoher Breite rollen unruhig, was an der sehr kurzen Rollperiode liegt. Einrumpfer bewegen sich sehr langsam hin und her.“ Vor Cannes liegt der Bluegame-Multi ausgewogen im Wasser und zeigt minimales Rollen. Wie eine selbstbewusste Geste wirkt der Verzicht auf einen Kreiselstabilisator, der wohl aber im Angebot ist. Tatsächlich rollt die BGM75 selbst im Stillstand kaum – und wenn, sehr langsam und behäbig.

Farben und Materialien von den 1950er-Jahren inspiriert

Kommen die Wellen von vorn, ist das Auf und Ab in Längsrichtung etwas stärker zu verspüren. Die Freude im konkaven Rezess des Vorschiffs – wundervoll in Teak ausgearbeitet und ohne Reling nach vorn – trübt das nicht. Das Vordeck bleibt stets trocken, weil sich durch die Mitte des Vorschiffs ein ausgeprägtes V zieht, das die BGM75 beinahe zum Trimaran macht. Zu den Flanken geht es am Seezaun, der sich mit Carbonstützen und Dyneema-Tauwerk in Mattschwarz dezent zurückhält, in den recht kurzen Aufbau mit Bluegame-typisch nach vorn geneigten Frontscheiben. In der Vorführversion bilden zwei Sofas den Salon, davor liegen Speisebereich und Lounge mit Designmobiliar, das Interieur-Gestalter Piero Lissoni wie schon für diverse Sanlorenzo-Modelle treffsicher wählte und platzierte. Den einzigen Innen-Steuerstand verbirgt der italienische Stararchitekt in einer Mahagoni-verkleideten Säule neben der Treppe. Piero Lissoni lässt wissen: „Die warmen Farben und die Wahl der Materialien sind vom Geist der Mahagoni-beplankten Boote der 1950er-Jahre inspiriert.“


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Wahlweise realisiert Bluegame auf dem Hauptdeck eine Galley zugunsten einer vierten Kabine auf dem Unterdeck, das hier tatsächlich eins ist. Galley und Crew-Quartiere für drei Personen an Backbord reichen fast an die zwei Gästekabinen heran. Deren Betten heben sich für einen Tunnel zwischen den Rümpfen an. Die Suite im Bug nimmt hingegen die volle Höhe und Breite ein und bricht vollständig mit dem Layout, das zwei voneinander getrennte Rümpfe vorgeben. Möglich machte das ein wenig nach oben gezogener Rumpf. Damit die BGM75 nicht zu wuchtig wirkt, erzeugen kleine Pixel auf den Scheiben der Eignersuite von außen die Illusion einer glatten Bordwand. Innen verleiht an der Decke eine ausgeprägte Hohlkehle der Schlafstätte etwas angenehm Kokonhaftes. Die Wohnlichkeit verstärken taupefarbene Wände und Decken, der warme Holzboden und der für Lissoni-Entwürfe obligatorische Eames Sessel. Backbords aus dem Bad strömt samtenes Licht durch eine Glastrennwand mit Rillenschliff.

BGM75 zeigt einen Verbrauchsvorteil gegenüber Mono-Verdrängern

Die für Mehrrumpfer ungewöhnliche Durchgängigkeit zeigt sich auch achtern auf der Badeplattform, die Klappen zu den Seiten sogar erweitern. Die schwarze Hochglanzlackierung wirkt wie ein umlaufendes Fensterband, schließt aber statt Wohnraum die Tendergarage und die außen liegenden Motorenräume ein. Dort wirken Volvo-Penta-Aggregate mit je 588 Kilowatt auf IPS-Einheiten. Trotz der etwas breiteren Rümpfe und des „tiefergelegten“ Tunnels dazwischen zeigt die BGM75 einen Verbrauchsvorteil gegenüber Mono-Verdrängern. Eine SD90 von Sanlorenzo, ähnlich von Antriebsleistung und Volumen, dürstet es bei 15 Knoten nach 305 Liter Diesel, wohingegen die BGM75 sich mit 190 Litern zufriedengibt. Bei 1500 Umdrehungen und neun Knoten verlangen die Motoren während der Ausfahrt zusammen 31 Liter pro Stunde. Die doppelte Last erlaubt 19,5 Knoten, dann laufen stündlich 247 Liter Diesel durch die Leitungen. Die nächste BGM wird 2025 noch sparsamer. In der 65HH will Bluegame Volvo Pentas IPS-Hybridantrieb mit zwei 80-Kilowatt-Brennstoffzellen verbauen.


Technische Daten

Koch-Option: Die einzige Layout-Alternative sieht hier die Galley vor. Dann gibt es eine zusätzliche Kabine mit eigenem Zugang.Koch-Option: Die einzige Layout-Alternative sieht hier die Galley vor. Dann gibt es eine zusätzliche Kabine mit eigenem Zugang.Lift: Der vier Meter lange Tender rollt auf die Plattform, deren Mitte sich für die Wasserung nach unten neigt. Crew-Areal: Die dreiköpfige Besatzung teilt sich in der Lissoni-Version den Treppenaufgang mit der Eignerkabine.Lift: Der vier Meter lange Tender rollt auf die Plattform, deren Mitte sich für die Wasserung nach unten neigt. Crew-Areal: Die dreiköpfige Besatzung teilt sich in der Lissoni-Version den Treppenaufgang mit der Eignerkabine.
  • Länge über alles: 22,70 m
  • Länge (Rumpfform): 20,30 m
  • Breite: 8,15 m
  • Tiefgang (voll): 1,30 m
  • Verdrängung (leer): 48 t
  • Material: GFK, Carbon
  • Motoren: 2 x Volvo Penta D13 1050/1200
  • Motorleistung: 2 x 588 kW/2 x 662 kW
  • Geschwindigkeit (max.): 22 kn
  • Geschwindigkeit (Reise): 20 kn
  • Verbrauch @ 15 kn: 190 l/h
  • Kraftstoff: 1800 l
  • Wasser: 500 l
  • Navigation: Garmin
  • Konzept: Briand Yacht Design, Bluegame
  • Konstruktion: Briand Yacht Design
  • Exterieurdesign: Zuccon International Project
  • Interieurdesign: Lissoni & Partners
  • Klasse: CE „B“
  • Werft: Bluegame, 2023
  • Startpreis: 6,8 Mio. Euro

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