„Kamalaya“Mit 55-Meter-Yacht auf Safari zu den weißen Wüsten

Boote Exclusiv

 · 15.12.2024

Versteck für 55 Meter: In der Hinlopenstretet zwischen den Inseln Spitzbergen und  Noraustlandet wird das Packeis so dicht, dass ein Weiterkommen ohne Hilfe eines Eisbrechers nicht mehr möglich ist
Foto: Aaron Riegen, Christoph Schaefer, Jason Roberts
Mit der 55 Meter langen Amels „Kamalaya“ unternahm Christoph Schaefer als Kapitän Polarreisen nach Grönland und Svalbard, früher Spitzbergen genannt. Hier sein Bericht.

Ein Text von Christoph Schaefer

Die Häfen im Mittelmeer sind zum Bersten voll. Für Kapitäne wird es immer schwieriger, geeignete Liegeplätze zu finden. Die Eigner beschweren sich über steigende Kosten.

Die Ankerplätze sind überlaufen, und oft geht es wie auf dem Campingplatz zu: Man kennt sich, man grüßt sich, man schaut, was der Nachbar alles hat, was er alles so treibt, und versucht, ihn zu übertrumpfen. Da stellt sich natürlich die Frage, warum so wenige Yachten jenseits dieser Glamour-Gettos weltweit unterwegs sind.

In Yachtzeitschriften werben Werften und Broker zwar mit Bildern von exotischen Regionen; immer wieder sehen wir Explorer im Eis – oft aber nur Fotomontagen. Die Sehnsucht nach Abenteuer und einsamen Stränden ist ganz offensichtlich ein wichtiges Marketingtool für unsere Branche. Und tatsächlich zieht es abenteuerfreudige Eigner hinaus in die weite Welt.

Während einer Karibikreise im Frühjahr 2015 sprach mich der Eigner auf die Möglichkeit an, die norwegischen Fjorde anzusteuern, unter der Voraussetzung, am 1. Juli wieder im Mittelmeer zu sein. Obwohl ich als Kapitän die meiste Zeit in den Tropen verbracht habe, empfand ich Norwegen als Traumziel, das ich unbedingt erleben wollte.

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Eine Reise ins Unbekannte

Allerdings kann das Wetter im Nordatlantik recht ruppig werden, und die Aussicht, unter großem Zeitdruck über 7500 Meilen zu fahren, um eine Woche in Norwegen durch die Fjorde zu kreuzen, war alles andere als verlockend. Als alternatives Reiseziel schlug ich Grönland vor. Zum einen bietet die Route entlang der Ostküste Amerikas alle paar hundert Meilen einen Schutzhafen, und die längs­te Passage beträgt nur 800 Meilen von St. Johns/Neufundland bis an die Küste Grönlands. Zum anderen bietet Grönland eine ganz neue Erfahrung: neben Fjorden und unberührter Natur auch – Eis. Auf der Suche nach Grönlandaktivitäten bot sich unter anderem Heli-Skiing an, das im Juni noch möglich war und den entscheidenden Impuls gab, diese Reise tatsächlich durchzuführen. Diese erste Fahrt ins Polarmeer bedeutete für mich eine Reise ins Unbekannte.

Zwar hatte ich mich vorbereitet, so gut es ging, aber ich war mir durchaus bewusst, dass ich recht limitierte Erfahrungen im Eis hatte. Meine größte Sorge neben Eisbergen war die Vereisung der Aufbauten bei Starkwind und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Diese Vereisung hat eine negative Auswirkung auf die Stabilität. Der Wetterbericht beim Auslaufen aus St. Johns war zudem gar nicht gut, versprach aber immerhin Temperaturen über dem Gefrierpunkt.

Ein Tiefdruckgebiet mit Windstärke 8 bis 9 drohte uns einzuholen. Wettervorhersagen sind schwierig in diesem Gebiet, Tiefdrucksysteme bauen sich schnell auf, vereinigen sich zu einem perfekten Sturm oder fallen wieder zusammen. Eisfelder werden vom Wind und der Oberflächenströmung stark beeinflusst. Generell sind im Frühjahr die südlichen Fjorde Grönlands voller Packeis und nicht befahrbar. Das Packeis driftet von Nord nach Süd entlang der Ostküste Grönlands. Am 31. Mai erwartete uns im Süden Grönlands zum Glück offenes Treibeis mit Eisbergen und Eisschollen, kleiner als 100 Meter.

Unser Ziel war die Hauptstadt Nuuk, wo der Eigner am 7. Juni einsteigen wollte. Mit dem Tiefdruckgebiet und der erwarteten Windstärke 8 bis 9 erschien es mir nicht ratsam, diesen Termin um jeden Preis einzuhalten. Vier Tage später liefen wir darum nach einer relativ ruhigen Überfahrt in den Arsukfjord ein, um dort auf besseres Wetter zu warten. Den Arsukfjord fanden wir, wie vorhergesagt, eisfrei vor. Nur wenige Minuten nachdem der Anker gesetzt war, erreichte uns der Wind.

Weiterreise nach Nuuk mit „Kamalaya“

Am 4. Juni hatte der Südwester nicht nur das Eisfeld um die Südspitze Grönlands getrieben, sondern auch das Treibeis auf einen Eisbedeckungsgrad von 6/10 verdichtet. Bereits am Abend des 5. Juni hatte sich der Wetterbericht deutlich gebessert. Es öffnete sich ein Fenster für die Weiterreise nach Nuuk.

Dass sich die Crew auf der Brücke versammelt, ist, glaube ich, auf jeder Yacht beim Ein- und Auslaufen ganz normal. Eine neue Erfahrung nördlich des Polarkreises, wo wir 24 Stunden Tageslicht hatten, war allerdings, dass die Crew gar nicht mehr ins Bett wollte. Dies wiederholte sich auch auf der Svalbardreise ein Jahr später. Immer wieder musste ich die Crew auffordern, sich auszuruhen und schlafen zu gehen.


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In Nuuk erwartete uns nicht nur etwas Farbe, sondern tiefenentspannte Behörden. Die Liegeplatzreservierung erfolgte mit dem Einlaufen in den Hafen. Der Zoll schaute ganz unverbindlich vorbei. Die Polizei bat mich vorzusprechen, wann immer es mir genehm sei.

In Nuuk trafen wir auch zum ersten Mal unsere beiden Skiguides, Arne und Adam von Grönland Extreme, beides erfahrene Skifahrer. Adam war Teil des olympischen Teams für Grönland, und beide sind Jäger und Trapper. Zusammen mit dem Helipiloten besprachen sie den Plan für die nächste Woche. Wie so oft spielte das Wetter nicht richtig mit, und die Anreise des Eigners verzögerte sich um weitere 24 Stunden.

Grönland hat nur in Kangerlussuaq einen Flugplatz mit einer Landebahn, die für einen großen Jet geeignet ist. Dieser Flugplatz liegt hoch am Rande des Grönland-Eisschildes und ist in der Regel meist nebelfrei. Von dort fliegen kleinere Maschinen zu den wenigen Städten entlang der Küste, wie zum Beispiel Nuuk, Maniitsoq, Sisimiut und Ilulissat. Diese Küstenorte verhängt oft Nebel, was den Flugverkehr stark beeinträch­tigt. Dies sollte nicht nur am Anreise-, sondern auch am Abreisetag des Eigners Probleme bereiten. Anstatt in Nuuk auf eine Besserung zu warten, verholten wir nach Maniitsoq. Wie der Wetterbericht vorhersagte, konnte die Maschine dort landen. Von jetzt an führte unsere Reise uns stetig gen Norden.

Zurück ins Polarmeer

Die monochrome Landschaft, die wir bisher gesehen hatten, wandelte sich schlagartig an Tag zwei, als wir im Evighedsfjord ankerten. Ein wolkenloser blauer Himmel bescherte uns ideales Flugwetter für Heli-Skiing. In diesen Tagen sahen wir weder ein anderes Schiff noch irgendwelche Menschen. Kein Kondensstreifen am Himmel war zu sehen, keine Geräusche außer dem Flüstern unserer Generatoren waren zu hören, alles bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen bis zu 10 ºC, was unsere Gäste zum Waterbikefahren und zum Schwimmen motivierte – im Trockentauchanzug. Wir fuhren bis nördlich von Sisimiut, von wo aus der Eigner und seine Gäste heimflogen. Eine nächste Tour nach Norden in die Disko Bay mussten wir leider absagen, da das Packeis für „Kamalaya“ noch zu dicht war. Dass wir aber auf einer weiteren Reise zurück ins Polarmeer wollten, war beschlossene Sache. Im Frühjahr 2016 machten wir uns auf den Weg nach Norwegen.

Auf unserer Grönlandreise hatten wir viel gelernt. Diesmal waren wir darum viel besser aufgestellt. Bevor wir aus Holland mit Kurs auf Spitzbergen aufbrachen, kauften wir vorsichtshalber ein Eisbärkostüm, um etwaigen Enttäuschungen unserer Gäste wirksam begegnen zu können. Wichtiger jedoch waren die Tender. In Grönland hatten wir ein Jahr zuvor nur unsere beiden Standardtender an Bord gehabt, ein offenes 6,60 Meter langes Boot der Yachtwerft Meyer und ein 6,40 Meter langes Pascoe Rescue Boat. Längere Fahrten in diesen offenen Booten ohne Windschutz waren vor Grönland eine Qual gewesen.

Wir schleppten dieses Mal unsere Wajer Osprey 38’ von Holland nach Svalbard und wieder zurück ins Mittelmeer. Die Wajer bietet neben dem windgeschützten Cockpit auch noch eine Heizung, die zum Komfort erheblich beitrug. Ein weiterer Bonus bestand darin, dass die Bugwelle Eis zur Seite drückte und so einen Weg für das Pascoe Rescue Boat bahnte. Das brauchten wir, um unsere Gäste am Ufer anzulanden. Ich würde in Zukunft sogar ein kleines Schlauchboot mit Außenborder mitnehmen, um Landungsmanöver zu vereinfachen, vor allem bei Wellengang. Ein großer schwerer Tender kann bei widrigen Bedingungen zum Problem werden.

Die Heimat von 3000 Eisbären

Und dann steuerten wir Svalbard an, wie Spitzbergen heute auf Norwegisch heißt. Svalbard ist die Heimat von etwa 3000 Eisbären. Die wollten wir finden. Das jedenfalls war unser Ziel.

Dieses Mal heuerten wir Jason Roberts als Guide an. Jason ist der Mann hinter der Kamera für einen Großteil der Eisbären- und Pinguinaufnahmen zum Beispiel für die BBC-Serien Planet Earth und Blue Planet, Frozen World und The Hunt. Es gibt wohl keinen Menschen, der besser Eisbären in Svalbard aufspüren kann als Jason mit seinem Team. Es war eine große Freude, Jason als Guide für diese Svalbard-Reise gewinnen zu können. Als ich ihn fragte, wie groß unsere Chancen seien, auch tatsächlich Eisbären zu finden, meinte er, er könne zwar keine Zahl garantieren, aber dass wir welche sehen würden, sei zweifelsfrei. Jason sollte recht behalten, und wir sahen an mehreren Tagen Eisbären, auch eine Mutter mit zwei Jungen, die gerade eine Robbe gefangen hatte.

Eisbrecher räumt Weg für „Kamalaya“ frei

Da „Kamalaya“ keine Eisklasse hat und wir bis an die Packeisgrenze fahren wollten, charterten wir einen kleinen Eisbrecher, die „Havsel“, einen 35 Meter langen Robbenfänger unter dem Kommando von Captain Bjorn, der 40 Jahre im Polarmeer zur See gefahren ist. Damit hatten wir nicht nur die Möglichkeit, uns in Eisfeldern zu bewegen, die nach dem Polar Code nicht mehr für uns befahrbar gewesen wären, sondern konnten auch auf die langjährige Erfahrung des „Havsel“-Kapitäns zurückgreifen.

Auf „Havsel“ transportierten wir auch zusätzliches Equipment, das wir für diese Reise brauchten: zehn Schneemobile, um auf den weitläufigen Eisfeldern von Nordaustlandet, der zweitgrößten Svalbard-Insel, nach Polarbären zu suchen. „Havsel“ nahm auch Rettungsmittel an Bord, die uns erlauben würden, mindes­tens fünf Tage außerhalb der Yacht auf dem Eis zu überleben. Wir absolvierten mit unseren Gästen auch den vom Polar Code vorgeschriebenen Drill, um das Überleben im Eis zu üben.

Was mich auf beiden Reisen überraschte, war die Tatsache, dass die Kälte eine viel geringere Rolle spielte, als ich angenommen hatte. Natürlich war es anstrengend für die Deckscrew, „Kamalaya“ bei Temperaturen um die 0 ºC zu waschen.

Wassersport war auch limitiert, aber weder die Gäste noch die Crew beklagten sich über die Kälte. Niedrige Temperaturen gehören nun einmal zu einer Reise ins Polarmeer. Eines unserer größten Probleme war, den Jacuzzi auf Temperatur zu bringen. Das Wasser in den Tanks war auf 2 ºC abgekühlt, und wir hatten völlig unterschätzt, wie lange es dauert, eine Temperatur von 38 ºC zu erreichen. Noch weitere Sorgen? In unserem Frischwassersystem musste die eine oder andere Flansch nachgezogen und wieder gelockert werden, als wir in wärmere Gewässer kamen. Und niemand hatte damit gerechnet, dass ausgerechnet der Eisbereiter für die Drinks auf dem Sonnendeck das einzige Gerät sein würde, das die Kälte nicht überstand: Ein Plastikteil im Wasserlauf zerbröselte. Das Problem behoben wir mit einer Motorsäge und einem Eisklotz.

Abgesehen von diesen Ereignissen schlug sich „Kamalaya“ auf beiden Reisen hervorragend. Manche Kollegen äußerten sich dennoch vorwurfsvoll: So zerstöre man ein Paint-System. Aber: „Kamalaya“ trug nicht einen einzigen Kratzer im Lack davon!

Kartenmaterial, das wir für Grönland und Svalbard nutzten, waren Transas TX-97 und MaxSea with Jeppsen neben Seekarten des dänischen und norwegischen hydrographischen Instituts. Ich war beeindruckt von deren Genauigkeit. Und der Klimawandel? Der Rückgang der Gletscher ist enorm. Äußerste Vorsicht ist geboten, wenn man die kartierten Seengebiete verlässt. Es empfiehlt sich in jedem Falle, ein vorausschauendes Sonar an Bord zu haben, oder, was ich persönlich bevorzuge, ein WASSP, einen Wide Angle Sonar Seafloor Profiler, ein Multibeam-Tiefenmesser, der auf dem Tender installiert wird und über ein Wireless Link die Daten direkt auf die Brücke des Mutterschiffs überträgt.

Und die Kommunikation?

Die letzten Jahre haben einen ganz radikalen Wandel in der Kommunikation gebracht. Inzwischen wird jeder, ob Eigner, Gast oder Crew, recht schnell nervös, wenn der Internetzugang wegbricht. In den hohen Breitengraden wird das ohnehin schon leidige Thema VSAT nochmals schwieriger. Die Satelliten stehen so tief am Horizont, dass man in den Fjorden leicht die Sicht auf die geostationären Satelliten verliert. Iridium-Satelliten in niedriger Erdumlaufbahn bieten derzeit leider noch sehr langsame Datenverbindungen, die nahezu unbrauchbar sind.

Dies hatte sich allerdings mit der nächs­ten Generation von Satelliten, die 2018 installiert wurden, zum Glück noch im selben Jahr geändert. Es steht auch zu erwarten, dass Iridium die GMDSS-Zertifizierung gelingt, die den Upgrade zu GMDSS A4 für Yachten sehr viel einfacher macht.

„Kamalaya“ ist bestens für Reisen ins Polarmeer aufgestellt

Durch meine Arbeit für das Team von SuperyachtGLOBAL habe ich inzwischen weiteren Eignern die Erfahrung einer Polarmeerreise ermöglicht. Zwar ist es seit 1. Januar 2018 etwas schwieriger geworden, in die Polarmeere zu reisen, aber die Polar-Code-Zertifizierung für Yacht und Crew ist unproblematisch. Die Erfahrungen für die Eigner, ihre Gäste und die Crew im Polarmeer sind fantastisch. Jeder unserer Kunden gab uns das Feedback: dass diese Reise das Beste war, was sie jemals mit ihrer Yacht unternommen haben. Es sind Erfahrungen, die im Mittelmeer und in der Karibik schlicht unmöglich sind.

„Kamalaya“ erreichte übrigens im Januar 2018 als erste Amels LE180 ihr Polar Code Certificate of Compliance. Die Crew hat auch ihr Polar Code STCW Endorsement. „Kamalaya“ ist jetzt bestens für Reisen ins Polarmeer aufgestellt.


Technische Daten

Kamalaya Grundriss
  • Länge über alles: 55,00 m
  • LWL: 48,90 m
  • Breite: 9,00 m
  • Tiefgang (100 %): 3,35 m
  • Verdrängung (100 %): 740 t
  • Gross Tonnage: 671 GT
  • Material: Stahl, Aluminium
  • Motor: 2 x MTU 16V 2000 M70
  • Motorleistung: 2 x 1050 kW
  • Geschwindigkeit (max.): 15,5 kn
  • Geschwindigkeit (Reise): 13 kn
  • Kraftstoff: 115 000 l
  • Reichweite: 4500 nm @ 13 kn
  • Generator: 2 x Northern Lights, 150 kW
  • Wasser: 17 000 l
  • Gäste: 12
  • Crew: 14
  • Konstruktion: Amels
  • Styling: Tim Heywood
  • Interiordesign: Eigner
  • Flagge: Grand Cayman
  • Klassifikation: Polar Code
  • Werft: Amels, 2013

Dieser Artikel erschien in der BOOTE Exclusiv-Ausgabe 02/2018 und wurde nun von der Redaktion überarbeitet.


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