Uske Berndt
· 27.06.2023
Streamingdienste, künstliche Intelligenz? Für Arndt-Helge Grap ist das keine Konkurrenz. Der Unternehmer setzt auf das Know-how echter Menschen, sein Team kuratiert eine Musik- oder Filmauswahl wie eine Kunstausstellung – und holt dabei auch verborgene Schätze aus aller Welt ans Licht. Dazu kommen Tonqualität und Technik, die auch Kenner zufriedenstellen. Zum 20. Geburtstag von Radiopark spricht der studierte Musiker und Gitarrenfan mit BOOTE EXCLUSIV und erklärt, welche Sounds wo etwas taugen, wie seine Firma ins Rollen kam und wie sich die Technik hinter der Musik entwickelt hat.
Kommt drauf an, welche Gäste da sind, wie jung, wie alt …
Da würde ich so loungy-like Jazz mit etwas Soul spielen – oder vielleicht sogar Klassik. Nicht zu aufregend, sondern entspannt. Ein Explorer ist ja keine Party-Yacht. Die Leute sind da, weil sie die Natur erleben wollen, sonst würden sie sich ein anderes Schiff chartern. Das heißt, ein bisschen zurückhaltender, ein bisschen erwachsener. Also weniger David Guetta, mehr Sting.
Alles was irgendwie gelb ist, gelbe Musik ist Sommermusik. Zum Beispiel Leviathan, oder Vargo. Die Künstler kennt man vielleicht nicht, aber ihre Sounds waren Teil der Café del Mar-CDs. Sie liefen am Bossa-Beach von Ibiza hoch und runter, in den Lounges oder im legendären Café del Mar. Ich beschreibe diese Musik als gelb, denn auch die ersten Cover der CDs waren gelb oder pastellig. Das ist eine sehr unaufdringliche Musik, wenig Melodie, viele Wiederholungen, Atmosphäre, Rhythmus. Keine harten Gitarren, keine nervenden Saxophonsolos, keine shoutenden Souldivas. Das sind weiche Klänge, häufig mit Akkustikgitarre, also der entspannte Gitarrist, der in den Sonnenuntergang spielt. Und diese Line wiederholt sich immer wieder. Bei Café del Mar würde man keinen Carlos Santana finden, der plötzlich anfängt auf seiner E-Gitarre herumzusägen. Das passt nicht rein, da geht’s um den Gesamteindruck. Das ist wie ein impressionistisches Bild. Pointillistisch.
Die Musik muss zu beidem passen, der Zielgruppe und dem Ort. Sie passt zum Ambiente auf dem Schiff, zum Interior Design und der Location. Und sie muss zu den Gästen passen. Es macht keinen Sinn, dass ich eine Deep-House-Produktion für einen 18-Jährigen spiele und meine Gäste sind 60 plus. Natürlich ist auch die Destination wichtig. Bei einer Skandinavientour ist Bob Marley vielleicht fehl am Platz. Wenn du auf einem Kreuzfahrtschiff in einen malerischen Fjord hineinfährst, ist Klassik die deutlich bessere Wahl, um die Natur wirken zu lassen. Für den richtigen Sound muss man alles berücksichtigen, damit die passende Atmosphäre kreiert wird. Dann tanzt das Schiff auf den Wellen, wie es einer unserer Kunden einmal formulierte. Umgekehrt macht die falsche Musik alles kaputt.
Die Musik kommt normalerweise auf die Yacht, indem man unseren Server im Audio-Video-Raum installiert. Der Musikserver wird also an die bestehende Anlage angeschlossen. Wenn die Yacht groß genug ist, hat sie ein AV-System von einem der drei oder vier großen Zulieferer, mit Fernseher und Kabinensteuerung. Manche Yachten haben auch ein modernes System, für das wir nur den Content liefern. Dann bekommen wir von der Werft die Spezifikation des verbauten Systems und liefern unsere Inhalte als digitale Plug-and-Play-Lösung. Unsere Programme sind weit größer als das, was man von bekannten Streamingdiensten kennt.
Weil wir folgendes Beispiel nicht wollen: Ich ziehe mir irgendeine vorgefertigte Spotify-Streamingliste, die hat dann, wenn ich Glück habe, 50 Titel und nach drei Stunden fängt das Ding an, sich zu wiederholen. Unsere Programme haben Minimum 700, meist 2000 Songs. Selbst wenn ich das jeden Tag 24 Stunden rund um die Uhr laufen lasse, ist das mit den Wiederholungen sehr, sehr selten. Und die Kombination der Titel wird auch regelmäßig getauscht. Bei vielen Streamingdiensten ist die Playlist wie eine Perlenkette, und die spielt dann einfach ab. Das Problem hatten wir früher in Hotels, deswegen habe ich mit diesem Geschäft überhaupt angefangen. Die Mitarbeiter konnten die Liste irgendwann mitbeten, weil immer das Gleiche lief.
Wir haben hier rund 1,5 Millionen Songs, praktisch alles, was ab 1950 veröffentlicht wurde. Unsere Aufgabe ist es, eine möglichst große Zusammenstellung zu machen. Gerade wenn es um Ambient Music geht, also die Musik, die im Hintergrund läuft und die Emotionen antriggert. Musik ist genauso wichtig wie das Interiordesign. Es darf nie langweilig werden.
Wir kümmern uns darum, dass OTA (Over the Air), also über die Luft die Updates der Musik- und Filminhalte auf das Schiff gespielt werden. Wenn es im Hafen liegt, über mobile Netze oder unterwegs über Satelliten. Wir nutzen eine patentierte Technologie, ein Verfahren, das die Inhalte auf dem Server an Bord speichert und sie dann bis zu drei Monate lang ohne Anbindung laufen lässt.
Das hängt ganz vom Kunden ab, einmal im Monat vielleicht. Manche Kunden wollen das Update auch nur einmal im halben Jahr. Es hängt auch vom Repertoire ab. Wenn ein Kunde viel Klassik hört, gibt’s da ja nicht viel Neues. Theoretisch könnte ich ihm das gesamte Klassik-Archiv auf den Server überspielen. Das Entscheidende ist die Playlist, die muss ich neugestalten. Die ist aber mit ein paar Kilobyte deutlich kleiner. Wenn ich Updates überspiele oder eine neue Kombination vorgebe, und der Kunde sagt, „das Morgenfenster ist mir zu soft, ich hätte es gerne fröhlicher“, dann muss ich vor allem die Steuerinformation anfassen. Das geht heute überall, auf Superyachten sowieso.
Ja. Wir sitzen häufig schon ganz am Anfang mit den Kollegen am Tisch und bekommen das Briefing, welche Zonen wie bespielt werden müssen. Die Lieferung für Superyachten teilt sich in zwei Bereiche. Das eine ist ein kuratiertes Musikarchiv, das wir zusammenstellen und aus dem nach eigenen Präferenzen ausgewählt wird. Also: „Ich höre gerne Jazz oder Klassik, meine Kinder hören das und das.“ Dann bereiten wir das vor, oder so eine Art Standard-Archiv nach dem Motto: die besten 2000 Alben aller Genres aller Zeiten – all you can hear, ein Basisarchiv, das über die Jahre immer wieder angepasst wird. Und das zweite Thema ist: vorkuratierte, von unseren Redakteuren gestaltete Playlists für den Ambient-Bereich.
Nehmen Sie zum Beispiel einen Eigner mit großer Präferenz zu italienischer Küche. Wenn da ein italienischer Koch an Bord ist, sollte es italienische Musik geben und zwar nicht Pavarotti, sondern Ramazotti. Dann bau ich ihm die Liste zusammen. Dann hat der Eigner noch ein Spa, einen Wellnessbereich und einen Fitnessraum. Seine Frau macht Yoga und er gibt gerne Cocktailempfänge. Das heißt, man braucht etwas für den Abend und dazu vielleicht ein paar Playlists, die ich on demand abrufen kann. Also, ich drücke einen Knopf und das ist jetzt Lucio Dalla.
Klar, wenn er das möchte, bekommt er von uns kuratierte Listen, auch von DJs zusammengestellte Sets. Die Eigner sind ja in ihrer Entscheidung häufig sehr spontan. An einem abgelegenen Ort kann man vielleicht den DJ nicht einfliegen lassen, aber unsere passende Liste liegt fertig parat. Es ist nicht ungewöhnlich, dass wir Freitagabend einen Anruf bekommen: „Morgen hat der Eigner eine Party geplant. Könnt ihr uns bitte ein Update rüberschicken. Wir brauchen ganz aktuelle Musik, und dieser Remix und diese Künstler müssen mit drin sein.
… dann brauche ich eine Acht-Stunden-Liste vom DJ ohne Wiederholungen.
Im Filmbereich hatten wir das mal, einer wollte alle Folgen von Friends, alle. Das kann dann für den Redakteur auch mal hart sein, aber das muss gemacht werden. In der Musik haben wir das eigentlich nicht. Wenn die Eigner es erlauben, kriegen wir einen Auszug aus ihrem Handy, wo die eigenen Listen drauf sind, so dass wir wissen, in welche Richtung das geht. Unsere Redakteure verstehen das dann sehr schnell.
Wir haben es heute mit einer viel besseren Soundqualität zu tun. Das ist wichtig, weil die Eigner echt teure Anlagen verbaut haben. Also auf der 162,50 Meter langen „Eclipse“ ist eine vollständige Burmester-Anlage, in jedem Raum. Der Eigner hat die Boxen extra für das Schiff bauen lassen. Da kann ich nicht mal mit sehr guten digitalen Auflösungs- und Übertragungsraten kommen, da brauche ich die Musik linear, unkomprimiert. Sonst ist das alles für die Katz. Auf Superyachten spielen Audio und Video eine große Rolle, die Werften aber haben das erst spät erkannt, weil sie eigentlich Schiffsbauer sind. Das sind heute Toys für Boys, große Spielzeuge, um Spaß zu haben. Die Eigner wollen einen Sieben-Meter-Fernseher, der aus dem Fußboden herausfährt und auch im Außenbereich eine tolle Anlage. Es ist wichtig, dass sie auf dem Sonnendeck richtig Alarm machen können, ohne dass noch eine Anlage dazugeholt werden muss. Der Sound muss selbst für die Party am abgelegenen Strand noch perfekt sein.
Oft bekommt die Yacht einen Extra-Server für die Crew, das darf dann alles gerne ein wenig günstiger werden. Das Programm ist eher international, die Crews sind es ja ebenfalls. Da läuft dann ein Top-40-Programm oder aktuelle Hits. So eine Yacht wird ja meist nur so vier bis sechs Wochen im Jahr genutzt, die restliche Zeit müssen die Leute bei Laune gehalten werden.
Vor etwa zehn oder 15 Jahren gab es weltweit nur einen einzigen Anbieter aus Amerika, der solche Serversysteme angeboten hat, mit denen man an Bord Filme und Musik speichern konnte. Der hat alles dominiert. Als ich damals fragte: „Kann dieses System auch arabische Schriftzeichen lesen oder russische?“, antworteten sie: „Natürlich nicht!“. Dann sagte ich: „Das ist ziemlich unintelligent, wenn 50 Prozent der Kunden Osteuropäer oder Araber sind. Da wäre es ganz hilfreich, wenn das System etwa auch russisch könnte.“ Wir waren die ersten, die so ein Content-Archiv aufgelegt haben. Auch in arabischer Sprache – Emiratis sind eine der Hauptzielgruppen im 100-Meter-Plus-Bereich.
… der Emir von Katar. Mit der „Katara“ vor rund 13 Jahren ging es los, unsere allererste Superyacht. Lürssen rief uns an und sagte, dass sie endlich ein System gefunden hatten, das dieses amerikanische ablösen könnte: ein Musik- und Videoserver, der die Inhalte auf dem Schiff verteilt. Die wussten von uns über die Kreuzfahrtschiff-Kollegen der Meyer Werft und dachten, dass wir uns bestimmt auch mit Yachten auskennen: „Vielleicht können die auch Filme kuratieren?“ Denn der Emir ist ein Cineast. Er hat sich ein Kino auf seine 124-Meter-Yacht bauen lassen. Uns hat er eine 2000er-Liste auf den Tisch gelegt und gesagt: „Das brauche ich auf meinem Schiff.“ Er ist ein richtiger Connaisseur und wollte Filme mit Cannes-Palme, erste Stummfilme, Film noir. Keine Blockbuster. Der wusste wirklich, was er wollte.
Wir mussten extra einen Redakteur einsetzen. Wir hatten eine Vorgabe: erstens die redaktionelle Arbeit, also das Archiv kuratieren und zweitens die ganzen Filme besorgen. So fing das alles an. Es gab ja keine Übersetzungen oder synchronisierte Versionen, keine Sachen, die vielleicht nur im arabischen Raum gezeigt werden. Über die Jahre haben wir uns den Ruf erarbeitet, dass wir das haben und können. Wir müssen uns mit ihrer Kultur beschäftigen, ich kann da nicht jeden Film zeigen. Wenn er mit seiner ganzen Familie an Bord ist, muss ich schon ein wenig aufpassen, was da läuft.
Ja, unbedingt. Gerade bei der Bildqualität. Warum sollte ich 2,5 Millionen Euro für einen riesigen Fernseher plus Audioanlage ausgeben und dann sieht der Film miserabel aus. Das wäre indiskutabel. Dabei ist nicht nur das Kuratieren wichtig, sondern auch die bibliographische Arbeit.
Es ist ja eine Bibliothek. Wenn das der AV-Mann an Bord macht, heißen die Filme häufig 01 und 02. Diese Dateien finden sie dann nie wieder. Das muss professionell gestaltet werden, mit Titel, Jahreszahl und allen Metadaten. Also wer sind die Schauspieler, der Regisseur, Erscheinungsjahr, genauer Titel oder Remakes. Was nützt mir das, wenn der Film Harry Potter heißt, davon gibt es acht! Du kannst die nicht 1, 2, 3, 4 nennen, das muss man vernünftig machen. Es gibt schon einen Grund, warum Redakteure eine Ausbildung haben.
Das macht mir keine Angst, das überleben wir. Weil wir diese Erfahrung haben über die letzten zehn Jahre und schon so viele Anfragen bearbeitet haben, klingelt das Telefon eben bei uns. Diese zehn Jahre können sie so schnell nicht aufholen, das kann die KI auch nicht. Es reicht nicht für die Metadaten ein paar Fakten aus dem Internet zu saugen, ohne sie zu kontrollieren. Die Datenbanken sind oft fehlerhaft. Und auch bei den automatischen Übersetzungen kann am Ende der Unsinn stehen. Bei uns wird jeder Film noch mal geprüft, selbst die Angaben auf der DVD sind ja teilweise lücken- oder fehlerhaft. Bei uns geht das durch mehrere Qualitätskontrollen, unser Archiv und unsere Datenbank sind absolut amtlich.
Wir haben ausgebildete Musik- und Filmredakteure hier. Wir haben Medientechniker, die Bild- und Musikdaten konvertieren und für die jeweiligen Formate vorbereiten. Dazu schnellen Kundenservice. Das ist extrem wichtig – und Schnelligkeit. Dazu eine Reihe freier Mitarbeiter, die in bestimmten Bereichen eine Spezialqualifikation haben, zum Beispiel ein DJ oder einen Musical Director, der für unsere Klassik und Jazz zuständig ist, weil der das auch studiert hat. Dann haben wir noch ein Büro in Berlin, München, Wien und Dubai. Wir haben internationale Kollegen, die uns aufklären über das, was wir Westeuropäer vielleicht nicht kennen oder verstehen. Seit kurzem gehören zusätzlich Partner in London, Miami und Hongkong zum Team. Alles, was wir abliefern, muss first class sein, zuverlässig und schnell, den Ruf haben wir in dieser Szene. Schiffe sind in der DNA unserer Firma, und das spüren unsere Kunden ganz genau.