ReiseDie Mecklenburgischen Oberseen - zwischen Waren und Plau

Jill Grigoleit

 · 02.09.2023

Mecklenburg zeigt sich vom Wasser aus von seiner schönsten Seite
Foto: Jill Grigoleit
Ein glitzernder Sonnenpfad auf dem Wasser weist uns den Weg Richtung Westen. Zu beiden Seiten hin ist das Ufer nur ein ferner Streifen aus gelben Rapsfeldern unter strahlend blauem Himmel. Zwei Stunden ununterbrochene Fahrt liegen hinter uns. So etwas gibt es abgesehen vom Bodensee nur hier. Das schleusenfreie Revier der Mecklenburgischen Oberseen zwischen Waren und Plau hat seinen ganz eigenen Reiz. Selbst dann, wenn man nur ein Wochenende hat, um es zu erkunden.

Die Mecklenburgische Seenplatte ist das größte geschlossene Seengebiet Europas. Besonders beliebt bei Charterskippern ist die pittoreske Aneinanderreihung der durch Kanäle und Schleusen verbundenen Kleinseen im Südosten. Weniger bekannt, obwohl mindestens genau so reizvoll, sind die größeren Oberseen im Nordwesten. Wir sind unterwegs mit dem Charterboot auf Kölpinsee, Fleesensee und Plauer See, die den östlichen Teil der 170 Kilometer langen Müritz-Elde-Wasserstraße bilden.

Keine Wartezeiten vor Schleusen, malerische Ankerbuchten und geschichtsträchtige Altstädte: ein idealer Törn für ein verlängertes Wochenende.

In der Marina Eldenburg bei Waren haben wir unser Charterboot für das kommende Wochenende übernommen. Die „Monique“, mit schneeweißem Deck und anthrazitfarbenem Rumpf, ist ein geräumiger Stahlverdränger vom Typ Gruno 37 Excellent, der zur Flotte von Yachtcharter Schulz gehört.

Start auf dem Kölpinsee

Nach einer kurzen Einweisung ging es für unsere vierköpfige reine Frauen-Crew los. Nach dem gewundenen Kanal, der die Binnenmüritz mit dem Kölpinsee verbindet, öffnete sich vor uns die sieben Kilometer lange und an ihrer breitesten Stelle fünf Kilometer weite Wasserfläche des Kölpinsees. Der See, dessen Name slawischen Ursprungs ist und so viel wie „Schwanensee“ bedeutet, liegt abseits großer Siedlungen und ist umgeben von Wäldern und Naturschutzgebieten. Und tatsächlich scheinen sich die edlen weißen Wassertiere hier, zwischen den typisch märkischen Pfahlbauten entlang des Ufers, besonders wohl zu fühlen.

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Gen Westen verengt sich der Kölpinsee zwischen dem Damerower Werder im Norden und dem Göhrener Winkel im Süden. Hier macht der Tonnenstrich einen Schlenker. Eine Stelle, auf die wir bei der Einweisung wegen der niedrigen Wassertiefe außerhalb der Fahrrinne nochmal hingewiesen wurden.

Ein ursprünglich geplanter Zwischenstopp in Jabel fällt leider flach. Im wahrsten Sinne des Wortes: Der Wasserspiegel sei zu niedrig, hat man uns gewarnt. Also geht es für uns weiter durch den kurzen Fleesenkanal, hinaus auf den Fleesensee, der im Südwesten in den Malchower See übergeht, unser heutiges Etappenziel. Nachdem wir die grüne Tonne am Sackberg passiert haben, scheren wir nach Osten aus dem Fahrwasser aus und halten Kurs auf die südlich gelegene Bucht gegenüber der Stadt Malchow. Wir haben beschlossen, die Drehbrücke erst am nächsten Morgen zu passieren und stattdessen das ruhige Wetter zu nutzen und den ersten Abend vor Anker zu verbringen. Auch weil uns die vorangeschrittene Uhrzeit zweifeln lässt, ob im Stadthafen noch ein Platz für uns frei wäre.

Ganz allein vor Anker

Wir werfen also den Anker und genießen den perfekten Spot, die Stille und ein kühles Getränk auf dem Achterdeck. Wir haben die Bucht für uns ganz allein. Im Sonnenuntergang drehen wir ein paar Runden mit dem SUP-Board um das Boot, immer mit gebührendem Abstand zum Schilf und den Schwärmen an Wildgänsen und Schwänen, die mit uns ihr Nachtlager hier aufgeschlagen haben. Kurz bevor die Sonne hinter Malchow unter geht, ertönt ein fast ohrenbetäubend lautes Gute-Nacht-Konzert hunderter Vögel im dichten Uferwald. Den letzten Satz, bevor sich die Nacht über die Bucht legt, geben die Grillen, die uns in den Schlaf zirpen und vom anstehenden Sommer träumen lassen.

Malchow und seine Drehbrücke

Nach dem Frühstück lichten wir den Anker und nehmen Kurs auf das einzige Hindernis des Reviers: Die Malchower Drehbrücke verbindet die historische Altstadtinsel mit dem restlichen Ortskern auf dem Festland und öffnet seit dieser Saison immer um zehn Minuten vor der vollen Stunde. Da es im schmalen Trichter vor der Ostseite der Brücke schnell eng werden kann, fahren wir nicht zu früh los und lassen uns Zeit, als wir von weitem noch die zwei roten Lichter sehen. Früh am Morgen sind es außer uns allerdings ohnehin nur zwei andere Boote, die auf die Öffnung warten. Trotz der frühen Uhrzeit stehen bereits jetzt ein gutes Dutzend Schaulustige auf der Kaimauer und beobachten das Spektakel.

Die 15 Meter lange Pylonen-Dreh-Brücke wurde 2013 fertig gestellt. Jedes Jahr passieren rund 20.000 Boote diese engste Stelle zwischen Plauer See und Müritz.

Wenige Minuten später wechselt das Signal auf grün und der Brückenwart winkt uns durch. Direkt südlich der Brücke liegt der Stadthafen Malchow. Die Außenseite der Hafenmauer ist für Ausflugsschiffe reserviert. Unsere Befürchtung, am ersten langen Sommerwochenende keinen Liegeplatz zu finden, erweist sich als unbegründet. Von den 35 vorhandenen Liegeplätzen sind gut die Hälfte unbesetzt. Wir suchen uns einen freien Fingersteg und gehen mit dem Heck an die Pier. Wir zahlen zwei Euro pro Meter und Tag Liegegebühr und zusätzlich zwei Euro Kurabgabe pro Person und Tag. Hinzu kommen die Strommarken für je einen Euro, von denen wir nach der Nacht vor Anker einige mehr benötigen.

Wieder festen Boden unter den Füßen, freuen wir uns auf einen ausgiebigen Spaziergang durch die einzige Inselstadt Deutschlands. Seit 2011 trägt sie diesen offiziellen Namenszusatz, auf den die nur knapp 6000 Einwohner besonders stolz sind. Malchows Geschichte ist geprägt von seiner einzigartigen Lage am und im Malchower See. Jahrhundertelang beschränkte sich die Besiedlung auf die Insel. Erst im 18. Jahrhundert wurde die Stadt nach der Erlaubnis des Herzogs Karl Leopold auf das westliche Festland hin erweitert. Touristischer Anziehungspunkt Nummer eins ist und bleibt aber der historische Stadtkern auf der Insel.

Nachdem zwei große Brände fast die gesamte Stadt zerstört hatten, wurden die neu aufgebauten Häuser auf der Insel durch sogenannte Tüschen und Wasserstraßen getrennt. So bietet sich einem heute bei einem Spaziergang über das holprige Kopfsteinpflaster überall zwischen den schmucken Fachwerkhäusern der Blick auf den See.

Im Café Kosegarten, einer traditionsreichen Familienkonditorei lassen wir uns auf der Seeterrasse ein Stück Kuchen schmecken. Das idyllische Wassergrundstück bietet neben einem kleinen Minigolfplatz einen schönen Panoramablick über den See. Am gegenüber liegenden Ufer ragt der neugotische Turm der Klosterkirche in den Himmel, rechter Hand, versteckt hinter einer Trauerweide, können wir unser Boot im Stadthafen ausfindig machen. Auf dem Nachbargrundstück hilft ein kleiner Junge seinem Vater beim Deckschrubben an Bord eines kleinen Segelboots.

DDR-Geschichte und Orgelklänge

Weiter geht es in Richtung Klosteranlage auf der Ostseite des Malchower Sees. Bis zu ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg waren das östliche Ufer und die Insel mit einer Holzbrücke verbunden. 1846 wurde an gleicher Stelle der 250 Meter lange Erddamm eröffnet. Nach einem Spaziergang über die mit Linden gesäumte Allee erreichen wir das ehemalige Zisterzienserkloster und den Engel`schen Garten. Die dunklen Gemäuer des Kreuzgangs bieten eine willkommene Abkühlung in der Mittagshitze. Heute beherbergt die Klosterkirche das mecklenburgische Orgelmuseum, das auch Konzerte veranstaltet. Wir haben als heutiges Kulturprogramm allerdings anderes im Sinn und machen uns auf den Weg in die Neustadt am westlichen Ufer.

Im alten Film Palast an der Kirchstraße ist hier das DDR Museum untergebracht, welches ein sehenswertes Sammelsurium an Kuriositäten aus dem Alltag der Menschen in der DDR präsentiert.

Nach einem kurzen Abstecher zur Stadtkirche und der alten Mühle zieht es uns zurück ans Wasser. So wie offenbar alle Inselstadt-Besucher an diesem Tag. Rund um die Drehbrücke und den Stadthafen sammeln sich Touristen und Schaulustige um bei der Öffnung der Drehbrücke zuzusehen und den durch fahrenden Skippern zu winken. Ein kleiner Spielplatz und das Spektakel an der Drehbrücke versüßen die Wartezeit an der langen Schlange vor der Eisdiele. Für den Abend ist die Auswahl an wassernaher Gastronomie groß. Wir entscheiden uns für einen gemütlichen Biergarten mit Blick auf die Brücke und lassen den Abend bei Müritzfisch und regionalem „Blondem“ ausklingen.

Zum Plauer See

Am nächsten Morgen hat der Wind aufgefrischt und die Sonne versteckt sich immer wieder hinter schnell vorbeiziehenden Wolken. Das Frühstück findet heute unter Deck statt. Die Wetter-App kündigt Windstärke 4 an, die heutige Etappe verspricht also etwas ungemütlicher zu werden. Weit haben wir es nicht bis zum nächsten Ziel. Nachdem wir den schmalen Malchower See und den Reecken hinter uns gelassen haben, geht es über den schilfgesäumten Petersdorfer See, der bei Kilometer 129 der Müritz-Elde-Wasserstraße von der Autobahnbrücke der A 19 überspannt wird. Auch hier lohnt es sich, frühzeitig nach den roten Tonnen Ausschau zu halten, denn die betonnte Fahrrinne macht einen Bogen entlang des südlichen Ufers.

Nun trennt uns nur noch der knapp 500 Meter lange Lenzer Kanal vom letzten der großen Mecklenburgischen Oberseen, dem Plauer See. Ein Begegnungsverbots-Schild weist auf die Enge im Kanal hin.

Zusätzlich ist er kurvig und uneinsichtig. Glücksache, ob einem auf dem kurzen Abschnitt ein Fahrgastschiff entgegenkommt. Wir können die vier Meter niedrige Brücke (auf den Brückenpegel achten!) ohne Gegenverkehr passieren und steuern auf den Plauer See hinaus. Mit einer Fläche von 38,4 km² ist er der drittgrößte See in Mecklenburg-Vorpommern und der siebtgrößte in Deutschland. Wir wollen ihn ziemlich genau an seiner breitesten Stelle in südwestlicher Richtung überqueren. Fünf Kilometer sind es von der Ausfahrt am Lenzer Kanal bis nach Plau am See am gegenüberliegenden Ufer. Kaum haben wir den windgeschützten Kanal verlassen, muss sich unser Stahlverdränger durch die Wellen stemmen. Weiße Schaumkämme ziehen lange Pfade durch das aufgewühlte Wasser vor uns.

Wir steuern den rot-weißen Leuchtturm an, den wir in der Ferne bereits ausmachen können. Seit 2012 bietet der Aussichtsturm am Molenkopf nicht nur eine schöne Panoramasicht über den See, sondern leitet auch den auf die Elde einfahrenden Sportbootverkehr.

Die Eldeseen waren nie eine wirklich bedeutsame Handelsstraße. Fahrgastschiffe, die Wasserschutzpolizei und einige Fischer sind die einzigen Berufsschiffer, die man hier trifft. Heute begegnen wir einer Jollen-Regatta recht voraus, die uns dazu zwingt, vom direkten Kurs in Richtung Leuchtturm abzuweichen und einen größeren Bogen zu machen. Aber wir haben es nicht eilig. Wir genießen den Anblick der naturbelassenen Landschaft am nördlichen Ufer. Hier liegt der Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide. Im größten zusammenhängenden Waldgebiet Mecklenburg-Vorpommerns kreisen Seeadler über den Wäldern und Mooren. Hinter den malerischen Ankerbuchten zeugen leichte Hügel von der eiszeitlichen Entstehungsgeschichte der großen Seen.

Mecklenburgs “Perle am See”

Seit einigen Jahren bietet das Hafendorf rund um den kleinen Sportboothafen von Plau neben Ferienwohnungen auch einen Hafenkiosk, wo wir uns nach unserem Anlegemanöver bei ordentlich Seitenwind bei der Hafenmeisterin anmelden. Auf der Suche nach einem Mittagsimbiss zieht es uns entlang der Elde in Richtung Ortskern. Das gastronomische Angebot direkt am Flussufer lässt keine Wünsche offen. Es riecht nach Räucherfisch und die Kreidetafeln vor den Restaurants und Imbissbuden preisen Fischbrötchen in allen Variationen an. Nach einer kleinen Stärkung geht es weiter in die historische Altstadt des Städtchens, das auch den Beinamen „Perle am See“ trägt.

Sehenswert ist der Plauer Burgturm aus dem 15. Jahrhundert mit seinem elf Meter tiefen Verlies und dem engen Turmaufstieg. Außerdem die blaue Hubbrücke, hinter der der kanalisierte Abschnitt der Müritz-Elde-Wasserstraße liegt. Ab hier schlängelt sich der Kanal in Richtung Dömitz und Schwerin. Für uns ist hier allerdings für dieses Mal Endstation. Für einen Wochenend-Törn ist das Revier zwischen Müritz und Plau wie gemacht. Wer nur wenig Zeit hat und diese nicht mit Wartezeiten vor Schleusen verbringen möchte, ist hier genau richtig. Nirgendwo sonst in Deutschland hat man über weite Strecken freie Fahrt auf einer zusammenhängenden, schiffbaren Seenlandschaft dieser Größenordnung. Ein ideales Ziel für einen kurzen Törn mit fast freier Fahrt, viel Natur und abwechslungsreichen Landgängen.


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