ReiseScheveningen in den Niederlanden – Die Partymeile

Christian Tiedt

 · 12.03.2023

Freie Sicht über die Nordsee und den Strand von Scheveningen bietet das fünfzig Meter hohe Riesenrad Skyview de Pier an seinem einmaligen Standort auf der Seebrücke
Foto: Christian Tiedt

Das größte Seebad der Niederlande ist Scheveningen. Schon seine Seebrücke ist eine klare Ansage. Auf eigenem Kiel zum Strandurlaub!

Für viele unserer Nachbarn ist Amsterdam der Mittelpunkt. Das ist kein Wunder: Die Ausstrahlung und Anziehungskraft der Millionenmetropole am IJ wirkt sogar weit über die Grenzen der Niederlande hinaus. Besonders als Reiseziel. Doch in einer Hinsicht muss die Hauptstadt im Binnenland passen: Wasser gibt es zwar auch dort jede Menge, Strand aber nicht. Wer im Sand liegen will, muss an die Nordsee. Und wenn man dann noch auf Unterhaltung aus ist, kommt eigentlich nur ein Ort infrage – die Partymeile an der Küste: Scheveningen.

Ein Blick zurück

Scheveningen ist das größte Seebad der Niederlande und trägt diesen Titel mit einigem Stolz. Was als Fischerdorf begann, mit Katen, die sich in die Dünen duckten und in schöner Regelmäßigkeit von Sturmfluten heimgesucht wurden, machte in den vergangenen zwei Jahrhunderten eine erstaunliche Verwandlung durch: 1818 eröffnete ein findiger Einwohner, der Reeder Jacob Pronk, das erste Bade­haus. Besonders bei rheumatischen Leiden wurde den salzigen Fluten eine hohe Heilkraft zugeschrieben. Pronk konnte sich schon bald im Erfolg sonnen: Sein erster Holzpavillon wurde durch Stein ersetzt, weitere Gebäude kamen hinzu, Nachahmer folgten, Hotels entstanden, verbunden von einer Promenade. Das prachtvolle 1885 eröffnete Kurhaus lässt sich mit Fug und Recht als früher Wellnesstempel bezeichnen. Heute beherbergt es ein Grandhotel. Errichtet wurde der nicht zufällig schlossähnliche, dreiflügelige Prunkbau übrigens an jener Stelle, an der Pronk einst seinen eigenen Grundstein gelegt hatte.

Einmal um den Globus

Auch heute ist das Kurhaus noch der optische Blickfang entlang des Strandwegs – so heißt die inzwischen rund 2,5 Kilometer lange Promenade, die vom Oostduinpark im Norden bis zur befestigten Hafeneinfahrt im Süden reicht. Diese Dominanz liegt aber nicht nur an seiner schieren Länge, sondern auch daran, dass man in den folgenden Jahrzehnten in erster, zweiter und dritter Reihe eine Bausünde nach der anderen in die Höhe zog.

Wer unter dem Sonnenschirm liegt oder unter der gespannten Persenning eines Beach-Clubs an seinem Mai Tai schlürft, stört sich daran allerdings nicht. Und was die Res­taurants, Cafés und Bars betrifft, ist die Auswahl an Strand und Promenade endlos. Kulinarisch reicht sie einmal um den Globus, von Bitterballen met mosterd über Croquetas de bacalao bis Saté Ayam. Auch im Hinblick auf das Am­biente ist für jeden Geschmack etwas dabei: Karibikflair unter Palmen, Hardrock am Zapfhahn und Kerzenschein auf dem Tischtuch. Es gibt (fast) nichts, das es nicht gibt.

Hoch über dem Meer

Hauptattraktion Scheveningens ist aber ohne Frage De Pier, die 381 Meter lange Seebrücke. Auch wenn der Zahn der Zeit durchaus bereits an der einen oder anderen Stelle nagt, ist die Erkundung der beiden durchgehenden Etagen dennoch ein Muss. Besonders auf dem Oberdeck bekommt man spektakuläre Eindrücke, etwa von den Springern, die sich vom Aussichtsturm am seeseitigen Ende der Seebrücke am Gummiseil todesmutig in Richtung Nordsee hinabstürzen. Oder von der Zipline, die ihre „Fahrgäste“ im Sitzgurt mit über 70 Stundenkilometern zu Tal jagen lässt.

Und dann wäre da noch Skyview, das wohl einzige Riesenrad Europas, das gleichzeitig auch als Seezeichen dienen könnte. Bis in fünfzig Meter Höhe über dem Meer heben sich die geschlossenen Gondeln empor.

Auf eigenem Kiel

Drei gekrönte Heringe zieren das Wappen Scheveningens – bester Hinweis darauf, dass der Fisch hier lange herrschte. Die Trawler, die ihm heute noch nachstellen, liegen im Eerste Haven. Der Tweede Haven gehört vollständig der Sportschifffahrt. Gäste kommen in seiner südlichen Hälfte unter, genauer: an der modernen Schwimmsteganlage des Jachtclub Scheveningen (jachtclubscheveningen.com). Hier gibt es vollen Service in modernem Umfeld, mit Restaurants und einem Supermarkt an der Doctor Lelykade.

Bei der Ansteuerung muss man vor den Molenköpfen der Hafeneinfahrt mit Querströmung rechnen. Das Einlaufen erfolgt dann nach Anmeldung bei der Verkehrszentrale auf UKW-Kanal 21 über den Buitenhaven, den Voorhaven, den Eerste Haven (Fischerhaven) und über einen 200 Meter langen Verbindungskanal zum Tweede Haven. Der Strand ist von hier aus etwa 1,5 Kilometer entfernt, bis zur Seebrücke sind es zu Fuß rund drei Kilometer.

Last but not least

Scheveningen ist ein Stadtteil von Den Haag. Tatsächlich liegt der Regierungssitz der Niederlande mit seinem altehrwürdigen Parlament, den Ministerien und den modernen Hochhäusern, dem Zentrum mit vielen Bars und Botschaften ebenfalls nur etwa 3,5 Kilometer landeinwärts und ist mit den Öffentlichen gut zu erreichen. Der Binckhorst­haven mit den Stegen der Watersportvereniging De Vlietstreek (wsvdevlietstreek.nl) nimmt Gäste auf, die auf den Binnenwasserstraßen Nordhollands unterwegs sind.


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