Christian Tiedt
· 27.03.2023
Auf Sommertörn in Schweden mit dem Cruising Club der Schweiz: Von der schwedischen Hauptstadt mit der Motoryacht nach Mariehamn auf Åland. Im ersten Teil der Reise geht es über Vaxholm durch den nördlichen Stockholmer Schärengarten und den Väddökanal auf nördlichem Kurs bis Öregrund.
Stockholm ist voller Menschen, eine wogende Menge im Herzen der Stadt. Sonnenbrillen blitzen. Man hört die Ausgelassenheit in den Cafés entlang der herrschaftlichen Fassaden am Strandvägen. Es ist das erste Wochenende im Juli, der Sommer hat Schweden erreicht! Das Wasser der Nybroviken wimmelt vor Wassertaxis, Sportbooten und Ausflugsdampfern. Dazu drängen sich die Segelyachten der City Regatta entlang der Hafenmauern, ein internationales Großevent, zu dem morgen der Startschuss fallen wird. Auch deshalb wollen wir uns noch heute aus dem Staub machen – selbst wenn es bei dieser Stimmung schwerfällt.
Wir, das sind Maggie, Lothar, Marc und ich, die Crew der „Rolling Swiss 2“ für die kommenden zwei Wochen. Gemeinsam wollen wir mit der Trader 42, die dem Cruising Club der Schweiz gehört, einige der schönsten Ecken der Ostsee erkunden. Den Auftakt macht die historische Küstenregion Roslagen: Von Vaxholm, unserem heutigen Tagesziel, erstreckt sie sich über den nördlichen Stockholmer Schärengarten und die anschließenden Wasserwege, die an beschauliche Binnenfahrt erinnern sollen, im Norden hinauf bis Öregrund, unserem letzten Etappenort in Schweden. Von dort aus werden wir dann im zweiten Teil die Überfahrt zu den „glücklichen Inseln“ antreten: Åland.
Unter einem Himmel, der sogar das Blau der schwedischen Flagge verblassen lässt, verlassen wir die Marina Biskopsudden auf der Insel Djurgården. Die königliche Hauptstadt bleibt achteraus zurück. Ein Anruf beim Hafenmeister von Vaxholm deutet an, dass ein Platz frei sein könnte. Klingt gut! Also auf schnellstem Weg nach Nordwesten, gemeinsam mit großen und kleinen Fähren und einigem Schwell. Die ersten Schären kommen in Sicht, darauf Ferienhäuser, wehende Wimpel. Es sind ordentliche Villen mit Blick über das Wasser, einige Schlösschen, Träume aus Holz. Wer hier seinen Steg hat, kann nicht so schlecht dran sein!
Nach einer guten Stunde kreuzen wir den Långholmsfjärden und nähern uns Vaxholm. Links die imposante Festung mit der Durchfahrt nach Norden links der Ort, eine Pier mit Schärendampfern und der Sportboothafen. Von der Bar auf dem Molenkopf grüßt man uns beim Einlaufen gutgelaunt mit erhobenen Biergläsern. Der Hafenmeister, ein Marinero im Wikingerlook, lotst uns in die letzte Lücke. Etwas eng, aber es passt. Muringleine übergeben, fest gemacht.
Der Hafen ist Schweden pur, mit roten Buden (Boutiken, die schon geschlossen haben), der Hafenmeisterei, einem Grill und einer weiteren, voll besetzen Bar. Zwei junge Frauen zapfen Craft Beer am Tresen. Im Hafen: viele ausländische Flaggen, Belgien, Finnland, natürlich Schwarz-Rot-Gold. Sogar zwei Neuseeländer genießen den Sommer der Nordhalbkugel an Deck ihrer Ketsch „Kiwi“, bis sich die langen Schatten der späten Dämmerung in den Hafen schummeln. Zu viert sitzen wir rund um die große Übersichtskarte des nördlichen Schärengartens. Unser Ziel für morgen „liegt gleich neben dem Paradies“. Das verspricht zumindest der Törnführer. Wir nehmen ihn beim Wort!
Sonntag, 3. Juli: Eigentlich soll man den Hafen spätestens um zwölf Uhr mittags verlassen haben, aber weil wir noch ins Festungsmuseum wollen, das erst um elf Uhr öffnet, dürfen wir länger bleiben. Das Reservierungsschild am Steg wird kurzerhand umgehängt, der Finne mit der Targa neben uns ist schon zu früher Stunde aufgebrochen, sein Platz frei. Pünktlich geht es mit der Kabelfähre hinüber zur Festungsinsel, neun Euro kosten Hin- und Rückfahrt. Die Anlage ist imposant und bestens erhalten – was aber auch daran liegt, dass zum Zeitpunkt des letzten Umbaus, in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, als die lange Periode des Friedens in Schweden bereits begonnen hatten. Umso besser, denn militärisch wäre der Klotz längst überholt gewesen. Genutzt wurde er deshalb in erster Linie als Ausbildungsort.
Drinnen stehen überall Kanonen und Geschütze unterschiedlichster Epochen und Kaliber, auch auf dem großen, keilförmigen Innenhof, ein Musterbeispiel der Wehrarchitektur vergangener Zeiten. Von der Mauer hat man einen guten Überblick über den Fjord, auf dem die Sonne im Gegenlicht funkelt. Hier kreuzt sich der Verkehr, auch wenn ganz große Schiffe wie die Ålandfähren das breitere Hauptfahrwasser weiter südlich nutzen. Das Museum wirbt damit, das größte im Schärengarten zu sein. So wie wohl Vaxholm auch seine größte Stadt ist. Auf drei Etagen geht es allerdings nur um Militärgeschichte, vom Großen Nordischen bis zum Kalten Krieg: „Schwedens Friede und Freiheit werden von seinen Waffen geschützt“. Vom Linieninfanterist mit Dreispitz und Muskete zum Froschmann mit Sturmgewehr.
Auf dem Rückweg bekommt die gestern vom Hafenmeister angepriesene Altstadt eine Chance. Der kleine Torget auf dem Hügel abseits der Hamngatan ist hübsch. Nicht zufällig findet man hier die Touristeninformation, einen bestens bestückten Souvenirshop und noch eine Reihe herausgeputzter Cafés und Lädchen. Weißes Holz und blühende Rosen, so muss es sein. An der Kirche vorbei schlendern wir vier zurück zum Hafen. Tatsächlich hat die Insel auch eine Brückenverbindung zum Festland. Kein Wunder, dass es so voll ist überall. Zum einen lockt Vaxholm selbst die Ausflügler an, zum anderen sind es die vielen kleinen Kursschiffe, die von hier zu den Schären ablegen. Ein gutes Dutzend Verbindungen listet die digitale Anzeigetafel am Hafen. Eine Schar US-Amerikaner ist ebenfalls lautstark am Start, offenbar Kreuzfahrtpassagiere auf Eurotour in Schweden. Doch auch für uns war Vaxholm der passende Einstieg in Törn und Revier.
Wir legen ab und steuern zwischen den Inseln zunächst nach Norden, dann nach Osten, hinaus in den Schärengarten. Gleich zweimal kreuzt die City Regatta unsere Route, die mit allen Klassen unter Vollzeug unterwegs ist, eine endlose Prozession von Segeln. Um die Südspitze der großen Insel Ljusterö geht es herum und dann an Svartsö und Ingmarsö vorbei. Es wird jetzt einsamer, die Ferienhäuser seltener.
Doch gerade als wir denken, wir würden am Abend vielleicht allein sein, erreichen wir Paradisen. Langsam, zwischen den Felsen hindurch, folgen wir dem Fahrwasser quer durch den Naturhafen mit dem himmlischen Namen – und hier ist wirklich jede Menge los. Mindestens zwei Dutzend Boote liegen bereits an den Bojen oder am Heckanker an Stegen und Felsen, fast ausschließlich Schweden. Einige ankern sogar. Grillgeruch zieht über die Bucht.
Ganz gut, dass wir ja noch ein bisschen weiter wollen zur Nachbarinsel Söder-Långholm. Die Stelle, die wir uns „gleich neben dem Paradies“ ausgesucht haben, ist zwar wesentlich kleiner, dafür aber noch schöner (so finden wir zumindest). Und obwohl wir schon Heckanker, Tripleine und Bugleiter bereit gelegt haben, ist noch genau ein Platz längsseits am kleinen Schwimmsteg frei, zwischen zwei Seglern aus England und Finnland.
Erst als wir schon festgemacht haben, lese ich auf dem Willkommensschild am Ufer, was der Preis für so viel Schönheit ist. Wer richtig anlegt, also mit dem Bug, bezahlt 150 Kronen. Längsseits sind es 1000 Kronen. Natürlich sollen hier möglichst viele Crews unterkommen können. Aber knapp 90 Euro sind eine stattliche Summe, selbst in Schweden. Da alle anderen auch längsseits liegen, hängen wir Fender auf die freie Seite, falls jemand ins Päckchen möchte, und warten erstmal ab, was kommt.
Die Insel ist ein Traum. Glatt geschliffene Felsen an der Wasserkante, lichter Kiefernwald weiter oben. Schilf an geschützten Stellen, so dass es schwerfällt, sicher zu sagen, wo das Land endet. Während wir auf dem Achterdeck sitzen, kommt der blaue Himmel, der sich Tag über versteckt hatte, wieder näher. Schließlich flutet goldenes Abendlicht die Bucht. Mit einem Bier im Rucksack klettere ich hinauf, setze mich auf den warmen Stein und starte die Drohne zu einem der bislang schönsten Flug überhaupt. Möwe müsste man sein! Maggie und Lothar gehen ebenfalls auf Erkundungstour und nutzen die Gelegenheit zum Baden.
In der Zwischenzeit kommt der „Hafenmeister“ mit dem Festrumpfschlauchboot zum Kassieren: Da die Saison noch nicht begonnen hat, dürfen wir uns aussuchen, wie viel wir bezahlen wollen. Marc schlägt 500 Kronen vor, immer noch eine stattliche Summe. Aber wir haben es uns ja auch leicht gemacht... Unser Festessen an Bord, um diesen Tag gebührend zu feiern, muss erwähnt werden: Caprese als Vorspeise, Lachs als Hauptgang und Eis mit Früchten zum Nachtisch. Später dann Stille in der Bucht. Der Wind schläft ein. Am wolkenlosen Himmel steht der Neumond. Für Sterne ist die nordische Sommernacht viel zu hell.
Montag, 4. Juli: Mit dem Badewannenwetter ist es erst einmal wieder vorbei, es wird frischer. Noch kommt der Wind aus Süd, wird aber in den nächsten Tagen auf West drehen. Zugenommen hat er schon und bringt im Schatten der schnell ziehenden Kumuluswolken eine deutliche Abkühlung, 19 Grad statt 23. Das Fahrwasser windet sich jetzt durch offeneres Revier, auch der Verkehr ist spärlich.
Wir durchfahren die Schären, die Gälnan und Svartlögafjärden trennen und steuern dann hinein in den rund sechs Seemeilen langen Sund zwischen den Inseln Yxlan und Blidö. Kieferngesäumte Ufer, nur noch vereinzelte Stege und Hütten. Im Furusundsfjärden gelangen wir zurück in das Hauptfahrwasser der Nordansteuerung von Stockholm, bevor wir bei Kapellskär wieder der Küste folgen. Die für Schweden bedeutende Industriestadt Norrtälje lassen wir links liegen.
Hier endet unsere Übersichtskarte des Schärengartens. Über das, was nun folgt, wissen wir bislang kaum etwas – und genau deshalb haben wir diese Route ja auch gewählt. Die Törnplanung gestern zu später Stunde hat festgelegt, dass wir heute im Älmsta übernachten wollen, wo der kurze Väddökanal endet und der lange Sund beginnt, der die gleichnamige Insel vom Festland trennt. Immer schmaler wir der Fjord nun, rechts liegt bereits Väddö.
Da wir gut in der Zeit sind, legen wir spontan einen Ankerstopp in der Ramviken ein. Die Bucht ist wie ein U geformt und so schön, dass man auch problemlos bleiben könnte. Allerdings ist es dafür noch viel zu früh, gerade einmal 15 Uhr. Also fliege ich eine Runde, Lothar hält die Angel ins Wasser, wieder ohne Glück (seine Reuse heute morgen auf Söder-Långholm förderte zwei winzige Fische zu Tage), dafür gönnen wir uns aber ein Runde Falcon alkoholfri.
Anker auf und hinein in den Väddökanal, der zunächst schilfgesäumt durch Wiesen bis zur ersten Brücke bei Bagghus verläuft (Drehbrücke, 6,20 m lichte Höhe, Öffnung zur halben Stunde). Mit gelegten Antennen können wir sie auch geschlossen passieren. Plötzlich sind wir in der Uckermark, gefühlt zumindest, mit Wald zu beiden Seiten der geraden Wasserstraße. Ein grünen Tunnel, durch den die Sonne strahlt. Ruhiges Wasser, dass man niemals für einen Teil des Meeres halten würde.
Gibt es so etwas überhaupt noch einmal in Schweden, oder sonst irgendwo an der Ostsee? Wahrscheinlich nicht. Eine wirklich gelungene Überraschung, größer könnte der Kontrast zur ersten Hälfte der heutigen Etappe wirklich nicht sein. Ein kleiner, ebenso malerischer Binnensee folgt, dann gelangen wir zum Wartesteg vor der Klappbrücke von Älmsta. Die ist geschlossen auch für uns zu niedrig, also heißt es warten (Klappbrücke, 4,50 m lichte Höhe, Öffnung zur vollen Stunde).
Feiner Regen setzt ein. Da unser Hafen nur ein paar hundert Meter entfernt auf der anderen Seite liegt, ziehe ich den Poncho über und stiefele los, um uns anzumelden. Das alte Pärchen im Hafenbüro spricht zwar nicht viel Englisch, für 400 Kronen bekommen wir aber einen schönen Platz längsseits. Schon rasselt die Klingel an der Brücke, die Schranken schließen sich.
Unter den Blicken von Ausflüglern passiert unsere Trader die nun geöffnete Älmstabron. Keine fünf Minuten später liegt sie komfortabel am Schwimmsteg des Gästhamn. Hier endet der Kanal bereits wieder und geht über in die zehn Seemeilen lange Väddöviken, eine Bucht, die von hier allerdings wie ein langgestreckter See zwischen engen Ufern wirkt. Auch das erinnert an die Mecklenburgische Seenplatte.
Etwa zehn Boote sind mit uns hier, Einheimische und einige Finnen. Die sagen uns auch, dass die Sauna am Abend eingeheizt wird. Der Finne, der später mit uns schwitzt, ist aber nicht überzeugt: Temperatur und Bänke seien zu niedrig. Er lacht: „In Schweden ist eigentlich alles ein bisschen besser als in Finnland. Bis auf die Sauna“. Mit der Familie will er weiter nach Stockholm, fünf Wochen sind sie auf Törn. Die Kinder wurden mit einem Besuch im Vergnügungspark Gröna Lund an Bord gelockt. Nach der (zumindest für uns ausreichenden) folgt dann die Abkühlung in der Ostsee. Allerdings sachte, über die Leiter am Steg.
Dienstag, 5. Juli: Unser „Binnentörn“ geht weiter. Ferienhäuser und Campingplätze säumen die grünen, flachen Ufer der Väddöviken. Von Stegen und kleinen Stränden zwischen dem Schilf wird gebadet. Dazu Yachten, die wie wir auf der Durchreise sind und kleine Sportboote der Urlauber. An den schmalen Stellen, die dem Wasserweg nur noch mehr den Anschein einer Seenkette geben, sind maximal fünf Knoten erlaubt. Von einem Anleger aus wird die Gelegenheit genutzt, die ersten Fahrfotos von der „Rolling Swiss“ zu machen. Obwohl es weitgehend bewölkt ist, erwischen wir ein Wolkenloch.
Zurück an Bord, blättere ich in einem Werbemagazin aus dem Supermarkt im Älmsta, wo ich am Morgen vor dem Ablegen ein paar Flaschen Sommar Lager von der lokalen Bryggeri bekommen habe. Die touristische Broschüre ist nach der Region benannt: Roslagen. Hab ich noch nie gehört. Umso erstaunter bin ich, als ich die Übersichtskarte sehe. Ihre Grenzen reichen von Vaxholm im Süden bis Öregrund im Norden – und umfassen damit genau die Gegend unseres ersten Reiseteils. In früheren Zeiten stellten Roslagens Dörfer und Höfe die Ruderer der königlichen Flotte im Schärengarten, daher der Name.
Nach einer knappen Stunde passieren wir die Trästabron, eine Straßenhochbrücke, die mit 15 Metern lichter Höhe kein Problem für uns darstellt. Da unser Ankerstopp gestern die Fahrt aufgelockert hat, wollen wir auch heute wieder eine Pause machen, und zwar in Grisslehamn. Wo die Väddöviken in den Singöfjärden mündet, biegen wir also nach Osten ab, wo der kleine Ort in einer Bucht am Ende des Örnöfjärden liegt.
Das Anlegen wird anstrengender als gedacht; der Schwimmsteg hat ziemlich kurze Ausleger und wir eiern im frischen Wind hin und her, bis wir – nach telefonischer Bestätigung – eine Box ansteuern. Zum Glück klappt alles, und drei Springs halten unseren Bug sicher auf Abstand zur Stegkante. Allerdings kommt zum ersten Mal die Bugleiter zum Einsatz. Knapp zwei Stunden wollen wir bleiben.
Grisslehamn liegt zwischen zwei Küsten an der engsten Stelle von Väddö. Von der offenen Seeseite fahren die Fähren der Eckerö Linjen von Schweden hinüber nach Åland, das zu Finnland gehört. Durchgangsverkehr ist also garantiert. Ein großer Campingplatz, zu dem auch der Gästhamn gehört, sorgt für weitere Urlauber. Die freuen sich beim Bowle und Minigolf über die vereinzelten Sonnenstrahlen. In der Bucht drehen derweil die Optis und Minijollen der Segelschule ihre Kringel. Überall werden Kunst und Kaffee angeboten.
Eine Motoryacht, die beim Bootsclub längsseits liegt, wird mit zollfreiem Bier beladen. Anders kann man das nicht nennen. Das lohnt sich offenbar: Einmal hin und zurück mit der Fähre, um dann das eigene Boot bis an die Speigatten mit den an Bord billig erstanden Paletten voll zu stapeln und mit Vollgas zurück nach Stockholm zu brettern. Moderne, ganz legale Schmuggelei.
Wir steuern weiter nach Nordwesten. Die Sonne ist weg, der Wind plötzlich eisig. Mehr Seeraum zwischen den Schären, die jetzt dicht bewaldet an Kanada erinnern. Kleine Leuchttürme und befeuerte Tonnen markieren das Fahrwasser, das wir für uns allein haben. Mit der Insel Gräsö an Steuerbord kommen wir schließlich an unser Tagesziel: Öregrund.
Wir lassen die Fähre passieren und laufen in den Hafen ein. Links grüßen ein Feuerschiff auf dem Felsen und ein alter Zweimaster. Wie erwartet umgeben schmucke Holzhäuser den Hafen. Die Hafenmeisterin winkt uns heran, aber nicht an den vorderen Steg mit den Seglern. Stattdessen bekommen wir an der zentralen Pier wir zwei Murings und liegen bald mit Bug zum Land.
Schon der erste kurze Ausflug macht klar, dass wir hier einen Volltreffer gelandet haben. Ein wirklich hübscher Ort, der darüber hinaus noch einiges zu bieten hat, wie der Infoflyer verrät: Zum Beispiel, dass Öregrund der einzige Ort an der schwedischen Ostküste ist, wo man vom Festland aus den Sonnenuntergang über dem Meer beobachten kann. Die besondere Lage an der Nordspitze einer Halbinsel macht es möglich.
Während wir noch unseren Apéro an Bord nehmen, füllen sich die Cafés und Restaurants an der Waterfront: der Hamnkrogen, das Boja-Bäs, das Slupen. Mit der Kamera wandere ich einmal um die Bucht zum ehemaligen Feuerschiff. In aktiven Zeiten lag die „Västra Banken“ rund vierzig Seemeilen nordwestlich von hier in der Bottensee auf Position. Ihren Ruhestand verbringt sie nun hoch und trocken auf den Küstenfelsen – zumindest ihr Deck mit Aufbau und Laterne, die als Denkmal erhalten wurden.
Gegenüber im Gula Huset beginnt schon die Livemusik, es wird eine große Party: „Säg mig var du står!“. Im Strandnära geht es ruhiger zu: cooler Blues, ein sehr chilliger Ort. Beach Bar, Scandi-Style. Wir wären länger geblieben, wenn da nicht der Sonnenuntergang wäre. Kitsch, klar! Aber wenn ein solches Bild tatsächlich einmal seine Berechtigung hat, dann hier und heute, oder? Das goldene Spektakel bleibt nicht das einzige Himmelsereignis: Viel später, als Carolas Evergreens im Gula Huset wieder verstummt sind, überziehen noch leuchtende Nachtwolken den Himmel. Es wird Zeit für und Abschied von Schweden, Åland wartet!
S: Stockholm-Vaxholm: 10 sm
6: Öregrund (Gesamt Teil 1): 96 sm
UNSER BOOT: Trader 42 (GFK-Halbgleiter) · Länge: 13,30 m · Breite: 4,30 m · Höhe: 3,80 m · Tiefgang: 1,20 m · Kojen: 6 (in 3 Doppelkabinen) · WC/ Dusche: 2/2 · CE-Kategorie: A · Motorisierung: 2 x380 PS (Cummins-Diesel) · Besondere Ausstattung: UKW-Funkanlage, Autopilot, Plotter mit Radar- und AIS-Overlay (aktiv und passiv), Generator, EPIRB, Bugstrahlruder, Dingi mit 15-PS-Außenborder in Davits
DER CLUB: Auf diesem Törn waren wir mit dem Cruising Club der Schweiz (CCS) unterwegs. Der in Bern ansässige Zentralclub gehört mit rund 6500 Mitgliedern zu den größten Wassersportvereinen der Schweiz und nimmt bei der Hochseeausbildung eine Führungsposition in der Sportschifffahrt des Landes ein. Im Verein bildet die Motorbootabteilung mit ihrer eigenen Yacht, die für Ausbildungs- und Reisetörns in Nord- und Westeuropa eingesetzt wird, eine eigene Untersparte. In der Reisesaison 2023 führt das Törnprogramm von Kiel durch die Westliche Ostsee, Kattegat und Skagerrak über Kopenhagen, Göteborg und Oslo wieder zurück nach Kiel.
DER STOCKHOLMER SCHÄRENGARTEN bildet mit rund 25 000 bewohnten und unbewohnten Inseln, Schären und Felsen nach dem finnischen Schärenmeer den zweitgrößten Archipel der Ostsee. Er erstreckt sich über rund 80 Seemeilen von Landsort im Süden bis Arholma im Norden. Viele der größeren Inseln wie Ljusterö und Vindö sind beliebte Urlaubs- und Ausflugsgebiete. Für Sportskipper bieten sich zahlreiche Destinationen, von echten Gasthäfen bis hin zu Naturliegeplätzen ohne Infrastruktur. Allein in der nördlichen Hälfte des Schärengartens weist die nautische Literatur (s. Seite 44) mehr als einhundert geeignete Stellen aus. In den Seekarten ausgewiesene Fahrwasser sind betonnt, außerhalb muss mit größter Vorsicht navigiert werden, da es auch bei größeren Wasserflächen sehr viele untiefe Stellen gibt.
DER VÄDDÖ-KANAL durchquert die ehemalige Festlandsverbindung der gleichnamigen Insel. Er ist rund drei Seemeilen lang, die Tiefe beträgt zwei Meter. Zwei bewegliche Brücken befinden sich in seinem Verlauf, bei Bagghus im Süden und Älmsta im Norden.