RevierporträtAlbanien – Die letzte Unbekannte

Bodo Müller

 · 30.01.2023

Traumhaft: Die Ksamil-Inseln liegen direkt der griechischen Insel Korfu gegenüber
Foto: Bodo Müller

Albaniens Küste war für Sportboote einst tabu. Das ist vorbei. Wir zeigen, was viel zu lange im Verborgenen lag

Nur wenige ausländische Bootsfahrer sahen jemals die albanische Küste. Bis zum Sturz der kommunistischen Diktatur im Jahre 1990 war es verboten, mit einem Sportboot in das stark abgeschottete Land einzureisen. Nach der politischen Wende 1991 änderte sich jedoch vieles. 2009 schließlich trat Albanien der NATO bei und wurde 2014 EU-Beitrittskandidat. Ausländische Yachten waren fortan willkommen, durften aber nur in Handelshäfen anlegen und mussten dort, auch bei Weiterfahrt innerhalb des Landes, bürokratisch ein- und ausklarieren. Die Schönheit der Küste und der paradiesischen Ankerplätze blieb ausländischen Bootsfahrern verborgen. Das galt auch für Albaner, denen es verboten war, mit Sportbooten an der eigenen Küste entlangzufahren.

Seit November 2020 ist alles anders. Ein neues Gesetz erlaubt es nun Albanern, Sportboote zu besitzen und die eigene Küste zu befahren. Ausländische Yachtcrews brauchen nur einmal bei Einreise einzuklarieren und können sich danach frei im Land bewegen und auch in Buchten ankern. Bereits zur Saison 2021 lösten die neuen Gesetze einen Boom aus. Finanziell gut betuchte Albaner kaufen sich Jetskis und stark motorisierte RIBs, inzwischen auch Segel- und Motoryachten. Auch die erste albanische Charterfirma ist bereits am Markt. Es mangelt nur an Marinas. Im Frühjahr 2021 wurden die Lizenzen für neun Yachthäfen, die entlang der gesamten Küste neu gebaut werden sollen, versteigert.

Außer der Marina di Orikum, 2005 von einem italienischen Unternehmen im Golf von Vlorë errichtet, ist die nautische Infrastruktur in Albanien noch dünn. Es lohnt sich aber unbedingt, die faszinierende Südküste Albaniens mit ihren Buchten zu entdecken. Wir zeigen Ihnen hier erstmals die schönsten Orte der albanischen Riviera ab Porto Palermo nach Süden bis zur Grenze nach Griechenland.

Foto: Bodo Müller

1 Porto Palermo

Der große Naturhafen ist ein geschichtsträchtiger Ort. Auf der in der Bucht gelegenen Halbinsel, die eine schmale Landbrücke zum Festland hat, errichteten schon die Venezianer ein Kastell. Um 1800 baute Ali Pascha Tepelana, ein osmanischer Pascha albanischer Abstammung, die Halbinsel zur Festung aus. Ali Pascha strebte die Abspaltung Albaniens vom Osmanischen Reich an. Im kommunistischen Albanien stationierte die Sowjetunion zwölf U-Boote der Whiskey-Klasse in Porto Palermo. Nach dem Bruch mit der Sowjetunion im Jahr 1961 verlangte der albanische Diktator Enver Hoxha den Abzug der Sowjets, kaperte aber vier U-Boote, die mit albanischen Besatzungen gefahren waren. Um sie zu verstecken, baute er einen 650 Meter langen U-Boot-Tunnel durch die nördliche Halbinsel von Porto Palermo. Dieser Teil ist heute Gelände der NATO. Yachten dürfen am ehemaligen Militäranleger zwischen der Halbinsel und dem Festland anlegen. Die Festung von Ali Pascha kann besichtigt werden.

Foto: Bodo Müller

2 Qeparo

Anderthalb Seemeilen östlich von Porto Palermo liegt der Badeort Qeparo mit mehreren Hotels und einer gewachsenen Infrastruktur. Die Bucht ist gut geschützt, man kann auf etwa fünf Metern ankern oder sich an eine Muringboje legen. Eine Besonderheit dieser Küste ist die „heiße Bora“. Sie ähnelt der kroatischen Bora, doch in Qeparo sind die Böen, die im Sommer bis 6 Bft. erreichen, nicht kalt, sondern heiß. Am Strand gibt es mehrere Bars und Restaurants.

Foto: Bodo Müller

3 Krorëz

Beliebter Ankerplatz vor feinem Kiesstrand auf 39°56′ N. Der etwa ein Kilometer lange Strand ist durch eine Felsgruppe geteilt. Im nördlichen Teil gibt es im Sommer eine Beach Bar, im südlichen zwei Restaurants. Vom Strand aus sind es 250 Meter bis zum ehemaligen Kloster Krorëz aus dem 16. Jahrhundert. Yachten ankern auf vier bis sechs Meter Tiefe. Der Ankerplatz ist relativ offen, daher nur bei stabilem Wetter geeignet.

Foto: Bodo Müller

4 Bucht von Kakome

Die gut geschützte Bucht liegt eine halbe Seemeile südlich von Krorëz. Yachten ankern auf etwa zehn Meter Tiefe und machen mit Landfeste zu den Felsen oder zur Mole im Scheitel der Bucht fest. Vom Strand läuft man einen Kilometer zum Manastiri i Shën Mërisë (Kloster der Jungfrau Maria). Es ist eines der ältesten frühchristlichen Denkmäler im heutigen Albanien. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Kirche von der deutschen Luftwaffe durch Brandbomben zerstört, danach aber weitgehend originalgetreu wiederaufgebaut.

Foto: Bodo Müller

5 Gremina

Beliebter Tagesankerplatz vor den „gefalteten“ Kalksteinfelsen unterhalb des Kap Kefali. Schutz vor nördlichen Winden, kein Schutz bei Westwind oder Seegang. Achtung: viele Felsbrocken in Ufernähe.

Porto Limnionas
Foto: Bodo Müller

6 Porto Limnionas

Fischereihafen am westlichen Stadtrand von Sarandë, in dem man auch ein- und ausklarieren kann. Dieseltankstelle. Supermarkt in der Nähe. Anmeldung über UKW-Kanal 11 oder 16.

Foto: Bodo Müller

7 Sarandë

Wirtschaftliches und kulturelles Zentrum im Süden von Albanien. Im Westen der Hafenbucht liegt die Zollmole (Fährhafen), wo auch Yachten ein- und ausklarieren und einen Liegeplatz für mehrere Tage bekommen können. Anmeldung über UKW-Kanal 11 oder 16. Auf der Hafenpromenade von Sarandë reihen sich unendlich viele Bars und Kneipen aneinander. Hier pulsiert abends das orientalisch geprägte Leben.

Foto: Bodo Müller

8 Ksamil

Beliebter Badeort an der Straße von Korfu, etwa 6 sm südlich von Sarandë. Zwischen den vier Ksamil-Inseln gibt es reichlich Plätze zum Ankern. Wer in der Vor- oder Nachsaison hier festmacht, wird von Ksamil (circa 8000 Einwohner) begeistert sein. Es gibt hier etliche Strände und unendlich viele Kneipen und Bars am Wasser. Wehe dem, der hier im Juli oder August vor Anker geht. Dann bekommt man an den Stränden keinen Stehplatz mehr, jede Bar versucht die benachbarte an Lautstärke zu überbieten, und auf dem Wasser sorgen PS-starke RIBs und Jetskis für Seegang.

Foto: Bodo Müller

9 Butrint

Das antike Butrint ist eine der eindrucksvollsten archäologischen Sehenswürdigkeiten am Ionischen Meer. Der Vivar-Kanal, der zu der antiken Hafenstadt führt, ist in den letzten Jahrhunderten versandet und heute nur noch mit flach gehenden Booten befahrbar. Man kann vor der Mündung auf zwei bis drei Metern ankern und dann mit dem Beiboot weiterfahren. Allerdings ist das Wasser vor der Flussmündung trübe, und man sieht die Sandbänke nicht. Einen besseren Ankerplatz findet man eine halbe Seemeile weiter nördlich vor dem kleinen Badeort Pema e Thatë, dem südlichsten Strand Albaniens. Von dort sind es mit dem Dingi 2,3 Seemeilen bis zur antiken Ausgrabungsstätte von Butrint.

Man fährt vorsichtig in den Vivar-Kanal hinein, lässt Ali Paschas Kastell an Steuerbord und macht vor der Autofähre am Nordufer fest. Dort befindet sich der Eingang zum Butrint National Park. Butrint liegt auf einer Halbinsel zwischen Kanal und Butrint-See. Die antike Stadt wurde im 10. Jahrhundert vor Christus von Illyrern und Griechen gegründet. Später gehörte sie zum Römischen Reich, danach regierten hier Venezianer und später Osmanen bis zur Unabhängigkeit Albaniens 1912. Alle Herrscher hinterließen steinerne Zeugen ihrer Kultur und Religion – von der Akropolis über Amphitheater und Badehaus bis hin zur Basilika.


Nautische Informationen

Einreise

Albanien ist heute ein sicheres Reiseland. Deutsche Staatsbürger dürfen mit einem mindestens noch drei Monate gültigen Reisepass oder Personalausweis einreisen und sich 90 Tage im Land aufhalten.

Flugverbindungen

Von allen großen deutschen Flughäfen gibt es Direktflüge nach Tirana, ab etwa 250 Euro. Von Tirana fährt man vier Stunden bis Porto Palermo, wobei ein spektakulärer Hochgebirgspass überquert wird. Transfer oder Mietwagen organisiert der Vercharterer.

Anreise auf eigenem Kiel

Wer mit eigenem Boot nach Albanien einreist, muss einklarieren und darf sich danach frei im Land bewegen und auch überall ankern. Grenzhäfen sind unter anderem Shëngjin (im Norden), Marina di Orikum (Bucht von Vlorë) oder Sarandë (im Süden).

Wind und Wetter

Im Sommer überwiegend mildes und sonnenreiches Klima. Der Schönwetter-Wind Maestral (NW) weht von vormittags bis nachmittags und schläft abends ein. Zwischen 15 und 18 Uhr kann er mit bis zu 7 Beaufort seine größte Stärke erreichen. Im Gegensatz zur kroatischen Adria, die weitgehend durch vorgelagerte Inseln geschützt ist, kann er an der relativ offenen albanischen Küste auch Seegang generieren. Die im Norden so gefürchtete Bora (NE) gibt es hier nur an wenigen Gebirgseinschnitten, die den Fallwind zum Meer hin ableiten. Feuchtheiße Luft, Starkwind und Seegang kann der Jugo (SE) mit sich bringen. Im Sommer weht er selten länger als drei Tage. Gewitterstürme sind im Sommer in Albanien selten. Von Mai bis Oktober dominiert schönes Wetter mit Tagestemperaturen zwischen 23 bis 35 Grad.

Karten und Literatur

Auf den Seekarten der albanischen Küste, die bei den bekannten Seekarten-Vertriebsstellen erhältlich sind, sind die hier beschriebenen Buchten nicht oder nur unzureichend dargestellt.

Besser eignet sich das „777 Pilot Book Eastern Adriatic“ (Ausgabe 2017) des italienischen Verlags Edizioni Magnamare; 45 Euro. www.edizionimagnamare.it/en.

Wichtige nautische Informationen findet man im „Albania Boating Handbook“ des Vercharterers Venus Yachting Albania, als E-Book zum Preis von 20 Euro, bestellbar über die Website des Vercharterers (siehe unten).

Charter

Seit 2017 gibt es das erste Charterunternehmen Venus Yachting Albania, www.venusyachtingalbania.com. Buchung in Deutschland: Barbera Yachting, www.barbera-yachting.de


Auch interessant: