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Der Wind hat in der Nacht auf Nord gedreht und spürbar abgenommen. Nur noch träge läuft die alte Dünung von gestern auf die Küste zu und die „Rolling Swiss 2“ zieht seit zwei Stunden in gerader Linie nach Nordosten. Unser Ziel ist Svenner, eine kleine Gruppe von Felseninseln nördlich der Fähr- und Hafenstadt Larvik.
Nach rund zehn Tagen, die uns gemeinsam mit dem Cruising Club der Schweiz von Aalborg in Dänemark über Kattegat und Skagerrak hierher führten (siehe BOOTE-Ausgaben 3 und 5/2018), geht unser Sommertörn seinem Ziel entgegen: der Hauptstadt Norwegens. Vor uns liegt noch der knapp 70 Seemeilen lange Oslofjord, immerhin einer der längsten Fjorde des Landes und der am stärksten befahrene. Sjøveien – „der Seeweg“. Svenner soll unser Ausgangspunkt sein.
Die Inseln sind schon länger in Sicht, die Einfahrt in die Fyrhavna – den „Feuerhafen“ – erfolgt von Süden und ist eindrucksvoll. Noch immer steht eine ordentliche Brandung an den Felsen, die hoch ansteigen und an Backbord den Leuchtturm tragen. Sind fast die ersten in der langgestreckten Bucht. Längsseits am Felsen oder mit Heckanker an den Steg? Im letzteren Fall kann man bequemer aussteigen, also wird der Anker nach achtern gewuchtet und ausgesteckt. Sandgrund. Zwei Landleinen legen wir nach Luv.
Svenner ist ganz nach unserem Geschmack, wild und felsig. Insgesamt drei Buchten gibt es, jene im Norden – der Nordbogen – hat sogar einen Sandstrand. Starten zur Erkundungstour über die Felsen, Morten klettert gleich richtig los und sucht nach den besten Spots für Fotos.
Wolken und Schauer wechseln sich mit Sonne ab, der Kontrast sorgt für einen dramatischen Himmel. Die Häuser zu Füßen des Leuchtfeuerfelsens gehörten früher der Familie des Wärters, heute sind es rustikale Ferienwohnungen. Vor dem Schuppen sitzt man sonnengebräunt im Liegestuhl, und Kinder fischen an der kleinen Brücke im klaren flachen Wasser nach Krebsen. Viel wächst hier nicht mehr, früher gab es dagegen sogar einen Gemüsegarten und Viehhaltung, wie Schwarzweißfotos im kleinen Museum verraten. Steinerne Treppen und rostige Geländer führen weiter hinauf, eine tolle Rundumsicht, auch wenn der rostrote Turm selbst mit einer alten Holztür verschlossen ist. Regenschauer machen den Fels rutschig, bis die Sonne sie wieder trocknet.
Um 15.00 Uhr sind fast alle Plätze schon belegt, Segelyachten an den Felsen und Motorboote an Ringen und Ankern. Der erste Grill wird bereits an Land getragen. Drei Norweger lassen ihre Dufour 365 unfreiwillig trockenfallen.
Zum Sonnenuntergang geht es auf den höchsten Punkt der Insel, eine Felskuppe südlich der Bucht. Der Weg startet am Nordbogen. Zelte stehen auf einem perfekten Stückchen Wiese, eingerahmt von Strand und Stein. Der Aufstieg lohnt sich, das Farbenspiel ist spektakulär. Davor, weit im Norden, liegt die Telemark als dunkler Scherenschnitt. Im Süden das offene Skagerrak mit den wandernden Lichtern der passierenden Schiffe.
Egal, was jetzt noch kommt: Wir haben eine außergewöhnliche Reise erlebt. Svenner war da nur noch der Punkt auf dem I. Nach der schmalen Durchfahrt zum Meer zeigt sich dann, dass auch heute wieder Wind weht. Und natürlich wieder genau von vorne – aus Nordost. Doch die drei bis vier Beaufort reichen nicht aus, um die Stunde bis in den Schutz des Tønsbergsfjords sehr unangenehm zu machen. Das Felsenufer ist hier relativ flach und bewaldet, die Fahrwasser noch breit. Die innere Route nördlich um Tjøme herum und durch den engen Vrengen ist zwar etwas länger als die offene Südansteuerung des Oslofjords, aber dafür interessanter. Ferienhäuser, kleine Orte am Wasser, Sportboothäfen und viel Verkehr.
Nach Norden jetzt, in den Oslofjord hinein. Große Fähren zwischen Horten und Moss. Das breite folgende Stück heißt Breiangen. Kreuzen das Verkehrstrennungsgebiet südlich der kleinen Insel Tøfteholmen zum Ostufer. Voraus liegt nun die Enge von Drøbak – und wie ein Korken sitzt die Festungsinsel Oscarsborg mitten in diesem Flaschenhals. Gerade schiebt sich die Autofähre „Pearl Seaways“ mit Kurs auf Kopenhagen hindurch.
Im Gästehafen auf der Westseite von Oscarsborg (laut Hafenhandbuch „einer der besten des Landes“) können wir sogar längsseits gehen. Schön ist es wirklich; waldgesäumt, mit unbebautem hohen Ufer gegenüber. Dieser Flecken wirkt einsamer als er ist! Und gleich nebenan lockt die Terrasse vom „Havnekroa“.
Hinauf zur Festung. Die halbkreisförmige Anlage mit Wällen und Geschützen hinter dem Museum ist frei zugänglich. Mächtige Krupp-Kanonen, zu Kaisers Zeiten aus Deutschland geliefert, die dann das Feuer auf die „Blücher“ eröffneten: Der Schwere Kreuzer führte beim deutschen Überfall auf Norwegen am Morgen des 9. April 1940 den Flottenverband an, der später Oslo besetzte. Ein großer Bildschirm im Museum zeigt den Ablauf des Gefechtes und das Ende des Kriegsschiffes, das schließlich östlich der Askholmen-Inseln in 80 Meter Wassertiefe sank und noch heute auf dem Grund des Fjordes ruht.
Um 08.00 Uhr legen wir das letzte Mal auf diesem Törn ab und überqueren kurz darauf die Untergangsstelle (sind das wirklich Ölspuren, wo das Wasser glatter zu sein scheint?). Bleiben östlich der Inseln Håøya, Aspond und Langåra und kehren danach ins Hauptfahrwasser zurück. Noch eine halbe Stunde auf dem Vorschiff in der Sonne, dann runden wir die Nordspitze von Nesodden, und Oslo liegt vor uns.
Ansteuerung von Südwesten: Auch hier viel moderner Neubau am Wasser. Trotz kühlem Südwind viel nackte Haut auf den Kaimauern. Die Festung Akershus wird vom riesigen Kreuzfahrtschiff „Regal Princess“ verdeckt. Kleine Hafenrundfahrt, zur Oper und durch die vorgelagerten Inseln. Bunkern in der Kongen Marina 900 Liter Diesel, um die Tanks zur Übergabe voll zu machen, dann verholen wir das letzte Stück in die Aker-Brygge-Marina direkt im Zentrum. Motoren aus. Unser Sommer-Törn über das Skagerrak mit dem CCS ist zuende!
Jetzt ist Reinschiff angesagt, mit Schlauch und Schrubber ziehen wir über das Oberdeck, bevor wir den Rest des Nachmittages im Frammuseum auf der Halbinsel Bygdøy verbringen. Eine große Halle mit Galerien, in der Mitte die „Fram“ selbst, jenes Schiff, das die beiden Nationalhelden Norwegens auf ihren Reisen begleitete: Amundsen in die Antarktis, Nansen in die Arktis. Der dickbeplankte Holzbug zeigt auf den Eingang. Geruch von Öl, Farbe und Holz. Das Innere wirkt selbst im leeren Zustand schon eng, kein Vergleich mit den Kabinen der „RS 2“.
Zurück mit der Fähre nach Aker Brygge. Am letzten Abend wollen wir uns noch einmal ein gemeinsames Essen an Land gönnen, im Big Horn Steak House gleich an der Marina – und danach ein letztes Bier zum Abschied auf dem Achterschiff.
Stehen 07.30 Uhr auf, um uns noch von Isabelle und Marc zu verabschieden. Die beiden starten zeitig zurück nach Zürich. Wir nehmen die Fähre und werden einen Tag später zuhause sein. Restefrühstück, draußen Sprühregen. Wir laden gerade unsere Taschen aus, als die neue Crew um 09.30 Uhr auf dem Steg erscheint.
Mit dem Taxi geht es zum Fährterminal. Einchecken, die „Color Magic“ nach Kiel wartet schon. Unsere Kabine liegt direkt über der Shopping Mall. Zum Auslaufen an Deck, die „Rolling Swiss 2“ liegt noch im Hafen. Winken. Dann gibt es Pommes, Bier – und eine halbe Stunde Sonnenschein! Jetzt geht es in anderer Richtung über den Oslofjord. Oscarsborg zieht vorbei, sommerlich und friedlich. Nur eines der Bilder, das bleiben wird.
Erst später frischt es dann wieder auf – wie so oft in den vergangenen zwei Wochen. Typisch Skagerrak: Der Wind bläst so stark, dass man kaum aufrecht stehen kann. Dröhnend pflügt der Bug des großen Schiffes durch die Wellenkämme. Alles andere wäre aber auch kein würdiger Abschluss für diese Reise gewesen...
▪ Oslo: Auf der Halbinsel Bygdøy liegen neben dem Frammuseum (frammuseum.no) auch das Norwegische Maritime Museum (marmuseum.no), Thor Heyerdahls Segelfloß Kon-Tiki (www.kontiki.no) und das Vikingskipshuset, in dem unter anderem das berühmte Osebergschiff zu sehen ist (www.khm.uio.no). Fähren fahren ab Aker Brygge (www.visitoslo.com).
Hafenführer: „Havneguiden 1. Svinesund – Langesund“ von Hanne und Jørn Engevik, 2015. 300 S., A4, ca. 58 €, www.harbourguide.com/de
Sportbootkartensätze: „NV.Atlas NO 1: Oslofjord North“ und „NV.Atlas NO 2: Oslofjord South“, 2018. Je 69,80 €, www.hansenautic.de
Unterwegs waren wir mit dem Cruising Club der Schweiz (CCS). Der CCS gehört mit rund 6500 Mitgliedern zu den größten Wassersportvereinen der Schweiz und nimmt bei der Hochseeausbildung eine Führungsposition in der Sportschifffahrt ein. Im Verein bildet die Motorbootabteilung mit ihrer eigenen Yacht, die für Ausbildungs- und Reisetörns eingesetzt wird, eine eigene Abteilung. www.ccs-motoryacht.ch
Typ: Trader 42 (GFK-Halbgleiter) · Länge: 13,30 m · Breite: 4,30 m · Höhe: 3,80 m · Tiefgang: 1,20 m · Kojen: 6 (3 Doppelkabinen) · WC/Dusche: 2/2 · CE-Kategorie: A · Motorisierung: 2 x 380 PS · Besondere Ausstattung: UKW-Funkanlage, Plotter mit Radar- und AIS-Overlay, Generator, EPIRB, Dingi an Davits
Skipper auf eigenem Kiel und mit deutschem Wohnsitz benötigen den amtlichen Sportbootführerschein See.
▪ Der Oslofjord: Zwischen seiner seeseitigen Grenze vom der Insel Tjøme bis zum Ytre-Hvaler-Archipel und dem nördlichen Ende bei Oslo liegen etwa 100 km (oder 55 sm) Fahrtstrecke auf direktem Weg. Daneben gibt es aber noch weitere abzweigende Fjorde, darunter der Drammens- und Bunnefjord, die zusammen in etwa noch einmal die gleiche Länge umfassen. Dazu kommen zahlreiche Inseln jeder Größe. Die Infrastruktur in dieser für norwegische Verhältnisse dicht besiedelten Region ist ausgesprochen gut, zu Lande und zu Wasser. Häfen mit Liegeplätzen für Gastlieger sind in großer Zahl vorhanden. Die Fahrwassser sind durchgehend befeuert. Auf Fährverkehr muss besonders geachtet werden.
▪ Svenner: Fyrhavna, www.svenner.info ▪ Oscarsborg: Oscarsborg Gjestehavn, www.oscarsborggjestehavn.no ▪ Oslo: Aker Brygge, www.akerbryggemarina.no