Neues Schiffshebewerk NiederfinowErster Jahrestag eines Jahrhundertbauwerks

Boote Redaktion

 · 06.10.2023

Neues Schiffshebewerk Niederfinow: Erster Jahrestag eines JahrhundertbauwerksFoto: Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSV
Das neue Schiffshebewerk Niederfinow, aussagekräftiges Bild aus der Probebetriebsphase
Am 4. Oktober 2022 hatte Bundesminister Volker Wissing den Neubau des Schiffshebewerkes Niederfinow für den Verkehr frei gegeben. Am 5. Oktober nahm der riesige Schiffsfahrstuhl seinen Regelbetrieb auf. Eine Bilanz der ersten zwölf Betriebsmonate. Anhaltende Begeisterung. Besichtigung täglich möglich.

Nach mehr als 13 Jahren Bauzeit wurde das neue Schiffshebewerk Niederfinow am 4. Oktober 2022 feierlich eingeweiht und ging tags darauf in den Regelbetrieb. Rund 520 Millionen Euro hat die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes in diesen Schiffsfahrstuhl investiert.

Ein Fahrstuhl, der seinesgleichen sucht

Die Dimensionen des neuen Schiffshebewerks sind gewaltig: Es ist 54,55 m hoch, 46,40 m breit und 133 m lang. Mithilfe des Senkrechthebewerks überwinden moderne Binnenschiffe einen Höhenunterschied von 36 m. Der Trog, in dem die Schiffe hinauf oder hinab fahren können, wiegt 9800 Tonnen.

100 Prozent Verfügbarkeit – mehr geht nicht! Nach einem Jahr Betrieb sind wir mit dem neuen Schiffshebewerk sehr zufrieden. Durch den redundanten Betrieb beider Hebewerke und die milde Witterung im vergangenen Winter konnten wir den Betrieb der Kanalstufe Niederfinow an allen Tagen des ersten Betriebsjahres gewährleisten“, resümiert Rolf Dietrich, Leiter des Wasserstraßen-Neubauamtes Berlin.
Der große Augenblick am 4. Oktober 2022: Mit dem Eisbrecher „Frankfurt“ wird das neue Schiffshebewerk Niederfinow für den Verkehr freigegeben. Von links: Stefan Zierke, Bundestagsabgeordneter für Uckermark und Barnim,  Prof. Dr.-Ing. Hans-Heinrich Witte, damaliger Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS), Peggy Fürst, Bürgermeisterin von Niederfinow, Guido Beermann, Minister für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg, Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing, Hardy Lux, Landtagsabgeordneter für Eberswalde, Schorfheide und das Amt Joachimstal sowie Daniel Kurth, Landrat des Landkreises BarnimFoto: Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSVDer große Augenblick am 4. Oktober 2022: Mit dem Eisbrecher „Frankfurt“ wird das neue Schiffshebewerk Niederfinow für den Verkehr freigegeben. Von links: Stefan Zierke, Bundestagsabgeordneter für Uckermark und Barnim, Prof. Dr.-Ing. Hans-Heinrich Witte, damaliger Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS), Peggy Fürst, Bürgermeisterin von Niederfinow, Guido Beermann, Minister für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg, Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing, Hardy Lux, Landtagsabgeordneter für Eberswalde, Schorfheide und das Amt Joachimstal sowie Daniel Kurth, Landrat des Landkreises Barnim

Von Oktober 2022 bis September 2023 wurden insgesamt 8.945 Wasserfahrzeuge geschleust, davon 5.448 durch das neue und 3.497 durch das alte Schiffshebewerk (von 1934!), das während der Gewährleistungsphase noch in Betrieb bleibt. Dabei wurden 2.712 Güterschiffe, 2.169 Fahrgastschiffe und 3.746 Sportboote geschleust. Mit 2.076 Fahrzeugen von insgesamt 2.712 nutzt die Güterschifffahrt überwiegend die neue Anlage.

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Zweite Inspektion – das alte Hebewerk springt ein

Fast auf den Tag genau ein Jahr nach der ersten Bauwerksinspektion wird das neue Schiffshebewerk vom 6. bis 17. November 2023 noch einmal planmäßig für zwei Wochen außer Betrieb genommen, um kleinere Nach- und Umbau-Arbeiten auszuführen, die sich aus den ersten Betriebserfahrungen mit der neuen Anlage ergeben haben. Dann können Schiffe das alte Hebewerk wieder von 6 bis 22 Uhr nutzen. Im Parallelbetrieb beider Hebewerke wird die alte Anlage nur noch von 9 bis 16 Uhr bedient. Sie ist für Schiffe bis 82 m Länge befahrbar und soll mindestens noch bis zum Auslaufen der Gewährleistung für die neue Anlage im Jahr 2027 in Betrieb bleiben.

10. Oktober 2022: erster Sondertransport durch das neue Schiffshebewerk Niederfinow mit einer 390 t schweren und 5,60 m hohen Turbine
Foto: WNA Berlin

Die Begeisterung hält an – täglich Führungen

Nachdem im vergangenen Jahr rund 30.000 Besucher das viertägige Volksfest zur Eröffnung des neuen Hebewerkes besucht hatten, berichtet die SHW Tourismus- und Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Niederfinow mbH über ein weiter nachhaltiges Interesse und eine anhaltende Begeisterung der Touristen. Neben dem alten Hebewerk kann auch der Neubau begangen und erfahren werden. Führungen ins neue Hebewerk werden stündlich zwischen 10 und 17 Uhr angeboten. Aktuelle Informationen, etwa zu besonderen Events, stehen auf der Website des Schiffshebewerks Niederfinow unter „Aktuelles“. Beispielsweise wird am Dienstag, 31. Oktober 2023 im Krafthaus ab 18 Uhr wieder Halloween gefeiert! Ein gruseliger Spaß, nicht nur für Kinder.

Vier Generationen von Abstiegsbauwerken

Einzigartig in Europa können in Niederfinow vier Generationen von Abstiegsbauwerken im Verkehrswasserbau besichtigt werden. Neben den beiden Schiffshebewerken auch noch der weiter in Betrieb befindliche historische Finowkanal mit der nahe gelegenen Schleuse Liepe und die vor über 40 Jahren stillgelegte, vierstufige alte Schleusentreppe von 1914.

Hohe Bedeutung auch für Polens Wirtschaft

Aus Anlass der Umwidmung einer für den Ausbau des Kraftwerkes Dolna Odra errichteten Schwerlastverladegutstelle in eine dauerhafte Umschlagstelle in Podjuchy an der Oder, hatte zuletzt auch noch einmal der für die Binnenschifffahrt in Polen zuständige Staatssekretär Marek Gróbarczyk die hohe Bedeutung der Havel-Oder-Wasserstraße auch für die polnische Wirtschaft hervorgehoben.

Über die Hohensaaten-Friedrichthaler-Wasserstraße, einen rd. 40 km langen Parallelkanal zur Oder, ist der Seehafenstandort Szczecin/Swinoujście auch bei extremen Niedrigwasserereignissen auf der Oder mit stabilen Fahrwasserverhältnissen an die Havel-Oder-Wasserstraße angebunden. Parallel zur Engpassbeseitigung mit dem neuen Schiffshebewerk Niederfinow hatte die polnische Wasserstraßenverwaltung auch einen Ersatzneubau für die Eisenbahnbrücke Podjuchy bei Oder-km 733,4 (mit Anhebung der Durchfahrtshöhe unter den festen Brückenfeldern auf 6,20 m über dem Höchsten Schiffbaren Wasserstand) veranlasst. Mit dem Rückbau des alten Brücken-Überbaus im März 2023 wurden daher nun fast zeitgleich zwei maßgebliche Infrastrukturengpässe auf der einzigen Wasserstraßen-Hinterland-Anbindung eines Ostseehafens an das 22.000 km lange westeuropäische Binnenwasserstraßennetz beseitigt.


Daten, Fakten, Hintergründe

Das neue Schiffshebewerk Niederfinow ist auf die Passage von Großmotorgüterschiffen der europäischen Wasserstraßenklasse V (gesprochen „fünf“) mit maximal zulässigen Abmessungen von 110 m Länge und 11,40 m Breite sowie eine Durchfahrtshöhe unter Brücken von 5,25 m über einem Oberen Betriebswasserstand ausgelegt. Mit seiner Inbetriebnahme kann die Havel-Oder-Wasserstraße jetzt mit bis zu 110 m langen Motorgüter- und Kabinenschiffen befahren werden. Das alte Hebewerk ist dagegen nach der Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (BinSchStrO) nur für die Passage mit Fahrzeugen bis 82 m Länge zugelassen.

Für neue Schiffshebewerk wurden insgesamt ca. 65.000 Kubikmeter Beton und Stahlbeton und 8.900 Tonnen Stahl verbaut, hinzu kommen ca. 40.000 Quadratmeter Spundwandstahl. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Bauarbeiten ca. 400.000 Kubikmeter Erde bewegt.

Das alte Schiffshebewerk wird noch mindestens für die Dauer der Gewährleistung für seinen Ersatzneubau (bis 2027) betriebsbereit gehalten.

Pro Jahr werden in Niederfinow bis zu 12.000 Wasserfahrzeuge geschleust, davon ca. je ein Drittel Güter- und Fahrgast- bzw. Kabinenschiffe sowie Sportboote. Das neue Hebewerk kann ein Ladungsaufkommen von bis zu 4 Mio. Gütertonnen pro Jahr bewältigen.

Mit mehr als 150.000 Besuchern pro Jahr zählt das Schiffshebewerk Niederfinow auch zu den wichtigsten touristischen Attraktionen im Land Brandenburg. Einmalig in Europa können Besucher dort vier Generationen von Abstiegsbauwerken an Wasserstraßen in Augenschein nehmen: das alte Schiffshebewerk (in Betrieb seit 1934), das neue Schiffshebewerk (in Betrieb seit dem 5. Oktober 2022), die alte vierstufige Schleusentreppe (in Betrieb von 1910 bis 1972) und die Schleuse Liepe (in Betrieb seit 1874) am parallel verlaufenden historischen Finowkanal.


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