Sören Gehlhaus
· 31.08.2022
Wir zeigen die größten Motoryachten der Welt und ihre spannenden Hintergrundgeschichten, ihre Eigner und wo sie unterwegs sind.
Unser Schwester-Magazin BOOTE EXCLUSIV veröffentlichte gerade das Ranking der 200 größten Motoryachten der Welt. Wir zeigen daraus die Top 20 und ihre Geschichte! Die Liste verzeichnet weniger Neuzugänge als in den vergangenen Jahren, ist aber mit so vielen spannenden Hintergrundgeschichten gespickt wie nie zuvor.
Die Branche der Superyachten prosperiert, die Auftragsvolumina der Werften sind so hoch wie selten zuvor. Dennoch sind die Neueinstiege rückläufig. Der Zuwachs unter den 200 längsten Yachten beträgt mit 23 Yachten sieben weniger als vor zwei Jahren. Wobei sich die Reduktion auf die Top 100 bezieht, die Ablieferungen dahinter sind mit elf Stück konstant. Bedacht werden muss: Motoryachten im Großformat, mit denen wir es hier zu tun haben, liegen in der Regel vier Jahre lange Planungs- und Bauphasen zugrunde.
Die Gründe sind komplex und tiefgreifend. Zwei Entwicklungen setzen den Werften besonders zu: zum einen die pandemiebedingten Verzögerungen durch gestreckte Lieferketten, die offenbar Abeking & Rasmussens Gigaprojekt 6507 und Lürssens 90 Meter lange „Skat“-Nachfolgerin zurückgeworfen haben. Zum anderen ergibt sich Stillstand als Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. So sieht es danach aus, als würde das neue Heesen-Flaggschiff, die 80 Meter lange „Galactica“ des ehemaligen Werftinhabers und Lukoil-Chefs Wagit Alekperow, sowie Feadships 118-Meter-Projekt 1010 für längere Zeit zurückgehalten werden, weil deren Eigner mutmaßlich auf Sanktionslisten stehen. Beide Motoryachten sind so gut wie ablieferungsbereit und tauchen aus diesem Grund in unserer Rangliste auf. Doch unklar ist, was noch in Yachtbauhallen weltweit schlummert.
Für ungeahnte Transparenz im Kreise der großen Motoryachten sorgten Behörden wie die italienische Guardia di Finanza oder die US-Taskforce KleptoCapture, die weltweit Besitz von Russen beschlagnahmt, die durch Korruption zu Reichtum gekommen sind. Das brachte Ausrufe- statt Fragezeichen hinter Spekulationen über manche Eigneridentität. Hier sind allen voran „Scheherazade“ (Platz 13) und „Crescent“ (Platz 19) zu nennen, die als Schwesteryachten, jeweils für russische Eigner, bei Lürssen entstanden: wohl in Schwarz für Igor Setschin als Zweityacht zu „Amore Vero“ (Platz 113) und in Weiß für Wladimir Putin, dem auch „Graceful“ (Platz 130) gehört.
Diesmal haben wir 33 Yachten russischen Eignern zugeschrieben, bei den letzten Top 200 waren es 29. Das Bemerkenswerte: 15 davon besitzen Motoryachten über 100 Meter Länge. Einen US-amerikanischen Pass haben 33 Top-200-Eigner – ausgerechnet, weil „Amadea“ nach Beschlagnahme durch das FBI nun unter dem Sternenbanner fährt und von uns dazugezählt wird. Wobei „nur“ sieben Amerikaner auf über 100 Meter langen Meeresdomizilen fahren. Im Nahen Osten kam es zu überraschenden Verkäufen wie von der omanischen Staatsyacht „Al Said“ (Platz 7) – und Neubauten wie „Blue“ (Platz 5). Die 160-Meter-Lürssen soll einem Scheich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gehören, wo insgesamt elf Besitzer von Top-200-Yachten leben. Die Europawertung gewinnt Großbritannien mit neun Einträgen, Deutschland ist mit vier vertreten.
Ganz große Motoryachten kommen nach wie vor aus deutschen Werfthallen, Lürssen lieferte 22 Top-100-Formate. Aber auch Abeking & Rasmussen und Dörries Yachts arbeiten an Gigayachten. In den Niederlanden liefern sich Oceanco mit „Infinity“ (117 m, Platz 31) und Feadship mit Projekt 1010 (118,80 m, Platz 30) einen Schlagabtausch um das längste dort gefertigte Projekt. Aber auch bei Amels ging mit Projekt „Signature“ ein 120-Meter-Auftrag ein. Die 182,90 Meter lange „REV Ocean“ von der norwegischen Vard-Werft wird ab 2024 erwartet, also hoffentlich und endlich die nächsten Top 200 anführen.
Final festgehalten werden kann: Weiterhin wächst die durchschnittliche Länge der Motoryachten an. Um in unsere Top-200- Liste aufgenommen zu werden, muss die Länge 73,70 Meter betragen. Beim letzten Mal reichten 72,60 Meter. Die Eintrittsschwelle in die Top 100 stieg von 86,00 auf 88,00 Meter an.
Die Rangliste der 200 längsten Yachten veröffentlicht BOOTE EXCLUSIV alle zwei Jahre. Da in der Zwischenzeit viel passieren kann, geben wir an dieser Stelle einen Ausblick, welche ausgewählten Großformate weltweit in den Startlöchern stehen.
Nur eine Yacht zu bauen genügt Kjell Inge Røkke nicht. Der Norweger, der mit einer Fangflotte in Alaska den Grundstock für sein Vermögen legte, gründete eine gleichnamige Nonprofitorganisation, die Wissenschaftler an Bord des Øino-Explorers holen möchte – wenn die Bauverzögerungen überwunden sind. Die Metallarbeiten vollzog Vard in Rumänien, ausgerüstet wird in Norwegen noch bis mindestens 2024.
Mit dem Lürssen-Giganten, der aus dem Brand von „Sassi“ hervorgegangen ist, bleibt der Eigner Werft und Maß treu. Mehr noch, er wollte sogar, dass die 146 Meter nach Abschluss der Metallarbeiten in Hamburg nach Bremen verholt werden. Dort ereignete sich das Großfeuer im September 2018, als der Innenausbau weit fortgeschritten war. Das neue Projekt „Opera“ dürfte Lürssen 2023 aus dem Dock in Berne ziehen.
Manch einer würde den Weg, den dieses indonesische Großformat ins Wasser nahm, als steinzeitlich bezeichnen. Andere hingegen als klug oder effektiv. Denn diese 120 Meter rollten über gigantische Langfender in den Ozean, wie sie im Screenshot oben zu sehen sind. Das Launch-Video ist auf YouTube zu finden, die besondere Yacht – sie wird als Explorer angepriesen – hoffentlich schon bald auch im Mittelmeer.
Abeking & Rasmussens erstes Gigaformat ist ein Phantom. Weder Aufnahmen fertiger Sektionen noch des Kaskos kamen Spottern unter die Linsen. Und statt Renderings existieren nur Fotos von der Kiellegung vor drei Jahren. Bekannt ist: Das Pariser Büro von Joseph Dirand gestaltete Ex- und Interior und hatte Nemo-Lounge sowie Tauchboot zu berücksichtigen. A&R erhielt 2021 einen 120-Meter-plus-Auftrag.
Der technische Launch über den Helgen erfolgte im Mai 2020 bei Lürssen-Kröger. Am Bug zu sehen waren die Nationalflaggen des US-Eigners und die seiner schwedischen Frau. Die speziellen Linien von Espen Øino deuten darauf hin, dass sich „Skat“-Eigner Charles Simonyi nach 19 Jahren um 19 Meter vergrößert. Die Innenräume füllt er mit dem Hamburger Büro Dölker + Voges. Mit der Ablieferung ist noch dieses Jahr zu rechnen.