Lasse Johannsen
· 15.07.2025
Während der Debatten über den Aktionsplan Ostseeschutz (APO) hat die Politik nun auch ein größeres Augenmerk auf die Sportschifffahrt gerichtet. Die an Bord von Wassersportlern entstehenden Abwässer seien eine Belastung für das Gewässer, denn sie erfolge, so jedenfalls äußerte sich Staatssekretärin Julia Carstens aus dem Wirtschaftsministerium des Landes Schleswig-Holstein auf Informationsveranstaltungen zum APO, vielfach nicht an Land, sondern auf See, und das sei nicht erlaubt.
Ältere Boote, so lässt Carstens sich von den Kieler Nachrichten zitieren, verfügten meist nicht über Fäkaltanks, die eine Entsorgung an Land ermöglichten und so komme es zur Beeinträchtigung der Wasserqualität und sogar zur Schädigung des Ökosystems durch „Bakterien und andere Schadstoffe“.
Carstens‘ Kollege, der Ministeriumssprecher Harald Haase, beschrieb das mutmaßliche Verhalten der Sportschifffahrt gar mit noch markigeren Worten. Es sei illegal - das Einleiten von Schwarzwasser in die Ostsee sei generell verboten.
Wer sich das Verhältnis von Sportschiffahrt zur militärischen und gewerblichen Schifffahrt auf der Ostsee, und da insbesondere den Kreuzfahrtschiffen vor Augen hält merkt schnell, dass hier ein Problem konstruiert wird, das vom eigentlichen ablenkt.
Tragisch dabei ist, dass über das Thema Schwarzwasser auf Sportbooten und die bei der Entsorgung im Ostseeraum zu beachtenden Regeln in der Diskussion offenkundig Unklarheit herrscht. Wir haben einen Blick in die bestehenden Vorschriften gewagt.
Schon 1973 einigten sich die in der International Maritime Organisation (IMO) zusammengeschlossenen seefahrenden Nationen mit dem Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, englisch: International Convention für the Prevention of Marine Pollution from Ships (MARPOL), auf ein weltweit gültiges Umweltabkommen.
Dabei regelt der Text dieser Konvention die Rahmenbedingungen, während mehrere Anlagen auf die einzelnen Regelungsbereiche eingehen. Die für Abwasserentsorgung einschlägige ist die Anlage IV.
Danach ist das Einleiten von Schwarzwasser innerhalb der 3-Seemeilen-Zone generell verboten. Ab der Grenze der 3-Seemeilen-Zone bis zum Beginn der 12-Seemeilen-Zone darf mechanisch gereinigtes und desinfiziertes Abwasser eigeleitet werden.
Das Entsorgen von echtem Schwarzwasser, wie Fäkalien in der Sprache der Vorschrift heißen, ist dann seewärts der 12-Seemeilen-Zone grundsätzlich erlaubt. Auf der Ostsee, die nach Anlage IV des MARPOL-Übereinkommens ein „Sondergebiet für das Einleiten von Schiffsabwässern“ ist, gilt für diesen Grundsatz seit Juni 2021 aber eine wichtige Ausnahme, die allerdings nur Fahrgastschiffe betrifft. Sie haben bei der Entsorgung Grenzwerte einzuhalten.
Man muss keine zahlenmäßige Erhebung durchführen, um einzusehen dass die Entsorgung von Fäkalien durch Fahrgastschiffe auf der Ostsee der Sportschifffahrt gegenüber trotz dieser Grenzwerte so immens viel größer ist, dass die Diskussion über das Schwarzwasser der Sportschifffahrt den Beigeschmack von Symbolpolitik hat.
Hinzu kommt, dass MARPOL IV nur für Schiffe ab einer Brutto Raumzahl (BRZ) von 400, oder solche gilt, die mehr als 15 Personen, also Besatzung und Passagiere zusammen, befördern. Auch Sportboote sind mithin von diesem Abkommen ausgenommen, für sie gelten beim Thema Toilettenabwässer in der Ostsee jedoch Vorschriften der betreffenden Länder, die ganz unterschiedlich sind.
In Deutschland findet sich eine bundesrechtliche Regelung für Sportboote nur hinsichtlich der Ostsee und zwar in der Verordnung über das umweltgerechte Verhalten in der Seeschifffahrt, genannt See-Umweltverhaltensordnung (SeeUmwVerhV). Deren § 9 verbietet es in Absatz 1 Nr. 2 a) und b), Fäkaltanks von Sportbooten auf Seewasserstrassen und Sportbooten unter deutscher Flagge auch seewärts der Begrenzung von Seewasserstrassen zu entleeren.
Der Geltungsbereich der Verordnung endet dann an der Äußeren Grenze der 12-Seemeilen-Zone. Sportboote ohne Fäkaltanks werden in der Vorschrift nicht erwähnt.
In Schweden hingegen besteht ein generelles Einleitungsverbot ungeklärter Fäkalien, unabhängig davon, ob sie aus einem Tank oder direkt aus der Schüssel gepumpt werden und wo. Ausgenommen ist der direkte Weg vom Verursacher ins Gewässer und der Umweg über die Pütz.
Die von Land zu Land verschiedenen Regelungen folgen entweder diesem schwedischen Modell, und verbieten oder beschränken das Einleiten von Schwarzwasser auf Sportbooten, oder sie verpflichten, einen Tank dafür zu installieren, in der Annahme, der werde an entsprechenden Stationen im Hafen entleert.
Während es bis zu einem bestimmbaren Maß als unbedenklich gilt, einem Gewässer beim Baden oder durch das Pumpklo frische Fäkalien zuzuführen, da sie biologisch abbaubar sind, stellt das Entleeren von Tanks, in denen Schwarzwasser oft tagelang aufbewahrt wurde, für die Menschen in der unmittelbaren Umgebung eine ganz konkrete bakterielle Gefährdung dar.
Es muss auch nicht näher darauf eingegangen werden, wie unschön es ist, die Küstengewässer, an deren Stränden gebadet wird, mit ungeklärtem WC-Inhalt zu verunreinigen. Und in den engen Buchten der Ostsee ist an den Algen im Sommer eindrucksvoll zu sehen, welche Blüte die Überdüngung, die hier allerdings von der Landseite erfolgt, im Wortsinn führt.
An Bord gesammeltes Schwarzwasser sollte daher selbstredend an Land entsorgt werden. Das ist auch deshalb sinnvoll, weil es dort der Klärung zugeführt werden kann.
Nachdem MARPOL zum Abkommen von Helsinki (Helcom) über verstärkten Schutz der Ostsee geführt hat, ist in Deutschland auf dem Verordnungsweg eine Fäkalientankpflicht für Sportboote eingeführt worden.
In § 6b Schiffssicherheitsverordnung ist geregelt, dass Schwarzwassertanks auf Sportbooten ab Baujahr 2003 Pflicht sind. Stammt das Boot aus der Zeit vor 1980, besteht diese Pflicht nicht. Für Sportboote der Jahre 1980 bis 2003 gilt, der Tank muss nachgerüstet werden, wenn das Boot größer ist als 11,5 Meter (Länge) und 3,8 Meter (Breite). Ausnahmen sind möglich, wenn der zuständigen Behörde (BSH) nachgewiesen werden kann, dass der Einbau technisch unmöglich oder wirtschaftlich unverhältnismäßig ist.
Tatsächlich bestehen also bereits sinnvolle Regelungen, und die Umweltbeeinträchtigung der Ostsee durch Sportboote ist im Verhältnis zu jener durch Kreuzfahrt- und Fährschiffe vernachlässigbar.
Die Forderung strengerer Verbote für die Sportschifffahrt lenkt von diesem Problem - und anderen - ab. Der Ostsee wäre besser geholfen, wenn die Politiker sich stattdessen für den Ausbau der landseitigen Entsorgungsmöglichkeiten einsetzen würden. Daneben für eine Reduzierung der Düngemitteleinträge aus der Landwirtschaft und ein gänzliches Einleitungsverbot für Fahrgastschiffe, nebst konsequenter Verfolgung von Verstößen.
Möglich, dass die Ostsee unter dieser Ablenkung viel stärker leidet, als unter uns Freizeitskippern.